Zygoma-Implantate — eine Lösung für 
den atrophen Oberkiefer

Peer W. Kämmerer
,

Wenn im Oberkiefer der Knochen fehlt, sind präimplantologisch meist größere Augmentationen notwendig. Basierend auf der Literatur der vergangenen Jahrzehnte sind Zygoma-Implantate eine valide Alternative zur Rehabilitation schwer atropher Oberkiefer und maxillärer Defekte.

Die Erstbeschreibung von Zygoma-Implantaten — also von langen Implantaten, die ins Jochbein inseriert werden — stammt aus den 1980er-Jahren. Hier wurden sie bei 
Patienten nach Maxillektomien zur Wiederherstellung von Funktion und Ästhetik eingesetzt (Abbildungen 1 und 2).

In dieser Studie wurde von insgesamt 52 Zygoma-Implantaten mit einer Erfolgsrate von 96 Prozent bei einer Nachbeobachtungszeit von über fünf Jahren berichtet [Branemark et al., 2004]. Somit kam das Zygoma-Implantat erstmals als alternative Technik zur Vermeidung einer massiven Knochentransplantation vor der Implantatinsertion infrage. Der klassische Ansatz bestand aus der Kombination von zwei Zygoma-Implantaten im Prämolaren-/Molarenbereich und zwei bis vier regulären Implantaten im Frontzahnbereich [Branemark et al., 2004].

Zu Beginn der 2000er-Jahre setzten Bedrossian und Chow et al. Zygoma-Implantate zur Sofortbelastung erfolgreich ein und wiesen ausführlich auf die Vorteile für die betroffenen Patienten im Vergleich zu herkömmlichen Verfahren im Sinne einer Augmentation und anschließenden Implantatinsertion hin [Bedrossian et al., 2006; Chow et al., 2006]. Später wurde der klassische Zugang zum sogenannten „Quad-Ansatz“ weiter modifiziert. In diesem Kontext ist der Oberkiefer derart atrophiert, dass weder im anterioren noch im posterioren Bereich ausreichend Knochen für die Platzierung herkömmlicher Zahnimplantate vorliegt. Daher werden jeweils zwei Zygoma-Implantate pro Seite ins Jochbein inseriert [Davo und David, 2019] (Abbildung 3). Unter Verwendung dieser Technik wurde in der Literatur eine Überlebensrate der Implantate von 98 Prozent berechnet [Varghese et al., 2021].

 

 

Aktuelle Übersichtsarbeiten weisen insgesamt auf kumulative Überlebensraten der Zygoma-Implantate von über 95 Prozent bei Nachbeobachtungszeiten von mehr als fünf Jahren hin und kommen auch hier zu der Schlussfolgerung, dass diese besonderen Implantate mit einer Länge von 3 bis über 5 cm eine sichere und zuverlässige Versorgung von Patienten mit atrophem Oberkiefer darstellen [Aboul-Hosn Centenero et al., 2018; Lan et al., 2021; Sola Perez et al., 2022].

Wenn es zu Implantatverlusten kommt, treten diese vor allem in 
der frühen postoperativen Phase auf [Chrcanovic et al., 2016]. Patienten, 
die mit Zygoma-Implantat-gestützten prothetischen Suprakonstruktionen rehabilitiert wurden, haben eine erhebliche verbesserte mundbezogene Lebensqualität und sind allgemein zufriedener im Vergleich zur präoperativen Situation [Saez-Alcaide et al., 2022] (Abbildung 4).

Angesichts der anatomischen Merkmale der Jochbeinfortsätze und der eingeschränkten intraoperativen Sichtbarkeit stellen chirurgische Komplikationen während der Insertion von Zygoma-Implantaten jedoch eine gewisse Herausforderung dar [Kämmerer et al., 2022]. Die am häufigsten berichtete chirurgische Komplikation ist das Gesichtshämatom nach einer Operation aufgrund der breiten chirurgischen Exposition im Jochbogen und im Jochbeinbereich. Nach der Operation wurden auch Lippenrisse beobachtet, da die eingeschränkte Mundöffnung und der lange Bohrer von Zygoma-Implantaten die Lippen beschädigen können.

Patienten mit Unterkieferbezahnung oder geringer Mundöffnung sollten wissen, dass der Bohrvorgang komplizierter sein kann als bei zahnlosen Patienten. Zwei Fälle von orbitaler Pene­tration und Infektion wurden beschrieben, die zu Bindehauthämatomen führten [Davo et al., 2020; Fernandez-Ruiz et al., 2021] (Abbildung 5).

Klinische Anwendung

Um festzustellen, ob ein Patient mit atrophem Oberkiefer oder Oberkieferdefekt für die Versorgung mit Zygoma-Implantaten geeignet ist, sind vor allem dreidimensionale radiologische Untersuchungen notwendig. So wird eine minimale Dimension des Jochbeinkörpers von 7 mm empfohlen, um die Implantate apikal primärstabil verankern zu können. Zur weiteren Planung und Durchführung bietet sich der von der Zygomaanatomie geführte Zugang („Zygoma Anatomy Guided Approach“ - ZAGA) nach Aparicio an [Aparicio, 2011]. Jener beschreibt den Grad der Konkavität der lateralen Kieferhöhlenwand und den Grad der palatinalen Resorption des verbleibenden Kieferkamms.

Die ZAGA-Klassifizierung reicht von 0-4 (Abbildung 6). Der Zahnarzt importiert den 3-D-Scan des Patienten in eine Planungssoftware seiner Wahl (zum Beispiel coDiagnostiX®, Dental Wings GmbH, Chemnitz, Deutschland - Abbildung 7) und simuliert das Zygoma-Implantat an der gewünschten Position. Auf diese Weise kann er visualisieren und voraussagen, ob die Plattform des Zygoma-Implantats in der Maxilla des Patienten stabilisiert wird und ob der mittlere Teil des Zygoma-Implantats vollständig innerhalb, teilweise innerhalb oder vollständig außerhalb der Kieferhöhle liegt. Wie von Aparicio berichtet, hatten 93,5 Prozent der untersuchten Patienten eine ZAGA 0-3 Anatomie und nur 6,5 Prozent eine Topografie, die mit ZAGA 4 übereinstimmte [Aparicio, 2011].

Chirurgische Technik

Das Protokoll für die Platzierung eines Zygoma-Implantats beginnt mit der Osteotomie auf dem Alveolarkamm des Oberkiefers in der Position des zweiten Prämolaren beziehungsweise des ersten Molaren. Die Bohrung verläuft an der Innen- oder Außenseite der Kieferhöhle (abhängig vom Grad der Konkavität der seitlichen Kieferhöhlenwand) und durchdringt den Körper des Jochbeinknochens, wodurch der apikale Teil des Implantats im Jochbeinkörper verankert werden kann [Bedrossian, 2021] (Abbildung 8).

Die Zygoma-Implantate sind daher – bei ausreichendem Knochen im Alveolarkammbereich – quadkortikal stabilisiert. Die erste bikortikale Stabilisierung befindet sich am Oberkiefer­alveolarkamm und die zweite bikortikale Stabilisierung im Jochbeinkörper [Bedrossian et al., 2006].

Von Vorteil bei der Insertion von Zygoma-Implantaten ist die navigierte Chirurgie (Abbildung 9). So wurden in einer Studie 188 Zygoma-Implantate mit einer Überlebensrate von 98,4 Prozent via Echtzeitnavigation mit vielversprechender, hoher Genauigkeit platziert [Wu et al., 2022]. Ähnliche Ergebnisse lieferte auch ein systematischer Review aus zwölf Artikeln mit 150 Zygoma-Implantaten, die mithilfe eines computergestützten Navigationsansatzes inseriert wurden [Ramezanzade et al., 2021].

Prothetische Versorgung

Zygoma-Implantate haben den Vorteil, dass aufgrund hoher Primärstabilität häufig eine Sofortbelastung möglich ist, was die Zeit bis zur funktionalen prothetischen Versorgung – im Vergleich zum klassisch zweizeitigen Vorgehen — erheblich verkürzt [Davo und David, 2019]. Eine primäre Ver­blockung von mindestens zwei Implantaten ist anzustreben, um die Belastung auf den Alveolarknochen und die Implantatplattform zu verringern [Ujigawa et al., 2007].

Für die definitive prothetische Versorgung eignen sich somit sowohl steggetragene (Teil-) Prothesen als auch festsitzende Brücken und Hybride. Relevante Faktoren sind hier die Hygienefähigkeit, die Positionierung der Implantate sowie die Ästhetik. Ein diagnostisches Wax-up bei zahnlosen Patienten zur Kontrolle des notwendigen Lippensupports sichert beste Voraussetzungen für ein ästhetisch ansprechendes Ergebnis.

Diskussion

Zur Rehabilitation des atrophen Oberkiefers werden in der klinischen Routine multiple valide Techniken wie Kieferhöhlenaugmentationen [Klein et 
al., 2013; Schiegnitz et al., 2017], kurze Implantate [Draenert et al., 2012], Blocktransplantationen von intra- und extraoralen Spenderstellen [Draenert et al., 2016] und Pterygoid-Implantate [Sahoo et al., 2022] angewandt.

Im Vergleich zur herkömmlichen Implantatbehandlung des atrophen Oberkiefers ist der bemerkenswerteste Vorteil der augmentationsfreien Insertion von Zygoma-Implantaten die sofort mögliche Belastung, um die orale Funktion und Ästhetik des Patienten nach der Operation wiederherzustellen [Tuminelli et al., 2017, Bedrossian und Bedrossian, 2019]. In der Literatur wird dazu eine Häufigkeit von 22 bis 90 Prozent angegeben, wobei neuere Studien einen klaren Trend zur Sofortversorgung zeigen — ohne signifikante Unterschiede im Implantatüberleben [Chrcanovic et al., 2016].

Trotz der hohen evaluierten Überlebensraten sollten die potenziellen chirurgischen, biomedizinischen und prothetischen Komplikationen diskutiert und abgewogen werden. Davó et al. führten die erste randomisierte kontrollierte Studie durch, in der die Behandlung mittels Zygomaimplantaten mit der konventionellen Implantatbehandlung im augmentierten Oberkiefer verglichen wurde.

Die Autoren kamen zu der Schlussfolgerung, dass bei sofortbelasteten Zygoma-Implantaten weniger prothetische Komplikationen, höhere Implantatüberlebensraten, kürzere Behandlungszeiten und eine bessere Patientenakzeptanz auftraten [Davo et al., 2018]. Kritisch muss allerdings angemerkt werden, dass die Verwendung von Zygoma-Implantaten auch Risiken birgt wie die Entwicklung einer Sinusitis maxillaris, oroantraler Fisteln, infraorbitaler Parästhesien und einer schwierigen prothetischen Anpassung.

Postoperative Risiken

Sinusitis maxillaris

Die Inzidenz einer postoperativen Sinusitis wird mit bis zu zehn Prozent angegeben, wobei es in den meisten Fällen keine klinischen Symptome gibt. Daher sollte die präoperative Diagnostik eine klinische und radiologische Untersuchung der Kieferhöhlen und anderer Nasennebenhöhlen umfassen, insbesondere bei Patienten mit einer Kieferhöhlenentzündung in der Anamnese. Bei starken Rauchern oder bei unbehandelter Sinusitis wird derzeit keine Insertion von Zygoma-Implantaten empfohlen [Andre und Dym, 2021].

Die postoperative Behandlung einer symptomatischen Kieferhöhlenentzündung beginnt mit der Gabe von Antibiotika. Wenn die konservative Behandlung unwirksam ist oder die Erkrankung rezidiviert, sollte eine nasale Endoskopie in Betracht gezogen werden, um den mittleren Nasengang zu öffnen und die Belüftung und Drainage der Nasennebenhöhlen wiederherzustellen. Bei rezidivierenden Entzündungen der Kieferhöhle mit erheblichen klinischen Symptomen kann eine Entfernung der Zygoma-Implantate erforderlich sein. Auch mehrere Jahre nach Implantatinsertion kann eine Sinusitis noch als Spätkomplikation auftreten.

Oroantrale Fistel

Es wird angenommen, dass oroantrale Fisteln durch die fehlende Osseointe­gration zwischen dem stark atrophen Alveolarknochen und dem Randbereich um ein zu palatinal platziertes Zygoma-Implantat verursacht werden. Dies kann zu einer Verbindung zwischen Kiefer- und Mundhöhle sowie zu einer Sinusitis führen. In neueren systematischen Literaturanalysen variiert die Häufigkeit dieser Komplikation zwischen 1,5 und 7,5 Prozent [Moraschini et al., 2022; Tavelli und Tedesco, 2022], wobei es häufig zu einem spontanen Verschluss der Fistel über die Nachsorgezeit kommt [Kahnberg et al., 2007].

Parästhesien

In einer Studie wurde von sieben Fällen vorübergehender Parästhesien berichtet [Branemark et al., 2004]. Ein Patient wies das Symptom nach einer einjährigen Nachbeobachtung immer noch auf. Bei zwei Patienten mit Hypästhesie im Wangenknochenbereich wurde leider nicht erwähnt, ob es sich um eine temporäre oder permanente Nervstörung handelte [Malo et al., 2008].

Der Grund für postoperative Parästhesien könnte in einer intraoperativen Überdehnung bei der chirurgischen Freilegung des Jochbeinbereichs liegen. Auch postoperative Ödeme können zu vorübergehenden Taubheitsgefühlen in diesen Bereichen führen, die jedoch meist innerhalb kurzer Zeit von selbst verschwinden.

Prothetische Komplikationen

Komplikationen im Zusammenhang mit der prothetischen Versorgung werden in weniger als fünf Prozent der Fälle beschrieben  [Gutiérrez Muñoz et al., 2021]. Sie reichen von einfachen Komplikationen wie Abutmentschraubenlockerung und Prothesenzahnverlust bis hin zu Abutmentschrauben- und Stegfrakturen [Aparicio et al., 2014].

Zusammenfassung und 
Ausblick

Die Versorgung mit Zygoma-Implantaten im Vergleich zu herkömmlichen Implantaten erfordert erfahrene Chi­rurgen und Prothetiker, um die Behandlung erfolgreich auf höchstem Niveau durchführen zu können. Darüber hinaus zeigt die Platzierung von Zygoma-Implantaten eindrucksvoll den Nutzen der computergestützten Chirurgie, die hier als zuverlässiger Ansatz zur Verbesserung der Genauigkeit und zur Vermeidung chirurgischer Komplikationen als Therapiestandard gesehen werden sollte [Ramezanzade et al., 2021; Kämmerer et al., 2022].

Unter Berücksichtigung von Indikationen und Kontraindikationen stellen Zygoma-Implantate eine der zweizeitigen Versorgung (Augmentation und Implantation) zumindest gleichwertige Variante bei hohen Überlebensraten und einer geringen Anzahl von Komplikationen dar. Betroffene Patienten sollten auch über diese Option aufgeklärt werden.

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