Zum aktuellen BSG-Urteil

Ist die Anstellung im „eigenen“ MVZ auch ein Steuerrisiko?

In der Vergangenheit kam es häufiger vor, dass Zahnärzte ihre große Einzelpraxis in eine 1-Mann-zMVZ-GmbH einbrachten, um mehr Kollegen anstellen zu können. Ein neues Urteil erschwert diesen Wechsel rechtlich – und bringt auch steuerlich Herausforderungen.

Bei der Einbringung einer Einzelpraxis in eine 1-Mann-zMVZ-GmbH wurde regelmäßig ein „steuerneutraler“ Übergang angestrebt, das heißt, Steuerbelastungen durch aufgedeckte stille Reserven wurden vermieden. Möglich machte dies § 20 UmwStG. Danach kann eine MVZ-GmbH die Buchwerte der einggebrachten Zahnarztpraxis fortführen, wenn alle wesentlichen Betriebsgrundlagen der Zahnarztpraxis in die zMVZ-GmbH eingebracht werden. Zahnärzte mussten bei diesem Wechsel also keine Steuern auf den immateriellen Praxiswert („Goodwill“) und auf andere stille Reserven der Praxis zahlen.

Das Anstellungsmodell wurde gekippt

Bisher war das leicht: Die gesamte Einzelpraxis wurde in die zMVZ-GmbH eingebracht. Der Zahnarzt übertrug seine Zulassung auf die GmbH, die darüber in der Folge die Leistungen aller im zMVZ angestellten Zahnärzte mit der KZV abrechnete. Er selbst wurde nach dem sogenannten Anstellungsmodell ebenfalls von der zMVZ-GmbH angestellt.

Wie das Bundessozialgericht (BSG) am 26. Januar urteilte, kann sich ein alleiniger Gesellschafter aber nicht in seiner eigenen zMVZ-GmbH anstellen lassen. Ihm fehlt der Arbeitnehmer-Status im sozialversicherungsrechtlichen Sinn. Daraus folgt, dass er auch seine KZV-Zulassung nicht auf die zMVZ-GmbH übertragen kann: Er braucht sie, um die zMVZ-Anteile überhaupt halten zu dürfen.

In ersten Reaktionen auf dieses Urteil wurde zum Teil die Auffassung vertreten, dass damit künftig rechtlich eine zMVZ-GmbH mit einem Zahnarzt als Gesellschafter nicht mehr zulässig sei. Dem sind aber zumindest einige KZVen nicht gefolgt und haben zMVZ-GmbHs mit einem Zahnarzt als Gesellschafter genehmigt.

Gehalt versus Dienstvertrag

Wenn die Leistungen eines Vertragszahnarztes, der gleichzeitig alleiniger Gesellschafter einer zMVZ GmbH ist, über das zMVZ abgerechnet werden und neben ihm dort noch ange­stellte Zahnärzte tätig sind, wird diese Konstruktion als Mischmodell bezeichnet.

Sowohl im Anstellungsmodell als auch im Mischmodell werden also die Kassenleistungen des früheren Praxisinhabers über das zMVZ abgerechnet. Der wesentliche Unterschied zwischen beiden Varianten ist: Beim Mischmodell erhält der bisherige Praxisinhaber statt eines sozialversicherungspflichtigen Gehalts eine Vergütung auf Grundlage eines (nicht sozialversicherungspflichtigen) Dienstvertrags (§ 611 BGB).

Ob noch alle wesentlichen Betriebsgrundlagen einer Zahnarztpraxis – wie es § 20 UmwStG erfordert –  in eine zMVZ-GmbH eingebracht werden, wenn die KZV-Zulassung nicht übertragen wird, ist höchstrichterlich noch nicht entschieden. Diese Frage ist nach der funktionalen Betrachtungsweise zu beurteilen.

Nach Auffassung der Finanzverwaltung hat bei einem Arzt die Berechtigung, per Zulassung Patienten auf Kosten der gesetzlichen Krankenkassen zu behandeln, ein besonderes wirtschaftliches Gewicht für den laufenden Geschäftsbetrieb seiner Praxis. Da es sich hierbei um eine funktional wesentliche Betriebsgrundlage handele, findet bei Nichteinbringung des Kassensitzes § 20 UmwStG keine Anwendung.

Fällt die Steuerneutralität, sparen Sie später

In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass seit der Aufhebung der Zulassungsbeschränkungen zum 1. April 2007 jeder niederlassungswillige Vertragszahnarzt seinen Praxisort frei wählen kann. Damit ist einer Zulassung als solcher kein Wert beizumessen. Es bestehen ernsthafte Zweifel daran, dass ein rechtlich zwingender Rückbehalt der kassenzahnärztlichen Zulassung, die darüber hinaus keinen Wert hat, einer „steuerneutralen“ Einbringung einer Einzelpraxis in eine GmbH zu Buchwerten nach § 20 UmwStG entgegenstehen kann.

Trotzdem könnte nach derzeitiger Rechtsauffassung der Finanzverwaltung eine solche „steuerneutrale“ Einbringung scheitern. Aber ist eine Fortführung zu Buchwerten überhaupt im Interesse des einbringenden Zahnarztes? Sie erspart dem Zahnarzt zwar die sofortige Versteuerung aufgedeckter stiller Reserven. Hat der einbringende Zahnarzt aber, wie meistens der Fall, das 55. Lebensjahr vollendet, könnte diese Steuerbelastung durch einen niedrigeren Steuersatz nach § 34 Abs. 3 EStG oder durch den Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG deutlich unter der normalen Belastung liegen. Aber auch hier könnte das Finanzamt die Rechtsauffassung vertreten, dass die Begünstigungen nicht greifen, weil die Zulassung zurückbehalten wird und damit nicht die Praxis als Ganzes übertragen wird.

Ein Verzicht auf die Fortführung der Buchwerte hätte aber auch zwei große Vorteile:

  • 1. Die aufgedeckten stillen Reserven führen in der zMZV-GmbH in voller Höhe zu Abschreibungen. Sie mindern damit den zu versteuernden Gewinn der GmbH.

  • 2. Der einbringende Zahnarzt hat höhere Anschaffungskosten seiner GmbH-Anteile. Das bedeutet, er hat bei einem späteren Verkauf weniger an Veräußerungsgewinn zu versteuern.

Kurz gefasst: Spart der Zahnarzt durch die Einbringung zu Buchwerten die sofortige Versteuerung, bezahlt er das oft mit weit höheren Steuern zu einem späteren Zeitpunkt. Es kann sich lohnen, diese Steuern notfalls durch einen Bankkredit zu finanzieren und diesen aus künftigen Steuerersparnissen zu tilgen.

Fazit

Bei einer gewünschten Einbringung einer Praxis in eine 1-Mann-zMVZ-GmbH bringt das BSG-Urteil nicht nur rechtliche Herausforderungen. Nach derzeitiger Rechtsauffassung der Finanzverwaltung könnte durch die rechtlichen Änderungen auch eine Einbringung zu Buchwerten gem. § 20 UmwStG scheitern. Dadurch wären stille Reserven wie der Praxisgoodwill sofort bei Einbringung zu versteuern. Auch wenn diese Zahlung zunächst schmerzt, könnte sie sich später sogar steuerlich vorteilhaft auswirken. Hier lohnt sich im Einzelfall eine differenziertere Betrachtung mit dem Steuerberater.

Das BSG-Urteil

„Die Anstellung eines Arztes in einem Medizinischen Versorgungszentrum kann nur genehmigt werden, wenn der Arzt dort eine abhängige Beschäftigung und keine selbstständige Tätigkeit ausübt", urteilte das Bundessozialgericht Ende Januar 2022. Vertragsärzte können sich somit nicht mehr in ihrem „eigenen“ MVZ anstellen lassen, wenn sie über ihre Gesellschafterposition eine so beherrschende Stellung haben, dass sie arbeitsrechtlich nicht mehr weisungsgebunden und „abhängig beschäftigt“ sind. Das Urteil betrifft insbesondere Ärzte, die eine MVZ GmbH gründen und sich durch Verzicht auf ihre eigene Zulassung anstellen lassen wollen.

Bundessozialgericht
Az.: B 6 KA 2/21 R
Urteil vom 26. Januar 2022

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