Aus der Wissenschaft

Zahnerhalt oder Implantat? Die Sicht des Patienten

Heftarchiv Zahnmedizin
Florian Beuer
In klinischen Studien wird inzwischen vermehrt auch die Perspektive des Patienten bei zahnärztlichen Therapien mit einbezogen. Welche Auswirkungen hat die Therapie auf die Lebensqualität des Patienten? Die Frage, ob ein Implantat oder die Restauration eines eigentlich als nicht mehr erhaltungswürdig eingestuften Zahnes aus Patientenperspektive zu bevorzugen ist, hat die Berliner Arbeitsgruppe um Maria Bruhnke im Rahmen einer prospektiven klinischen Studie untersucht.

Soll ein als nicht mehr erhaltungswürdig eingestufter Zahn entfernt und durch ein Implantat ersetzt werden oder sollte er mit maximalem Aufwand erhalten werden? Die Frage spaltet die Zahnärzteschaft und lässt sich je nach Perspektive kontrovers diskutieren. Allerdings wird bei dieser Diskussion die Perspektive der Patienten oft gar nicht erörtert. Wie wirken sich aber die beiden unterschiedlichen Herangehensweisen auf die Lebensqualität der Patienten aus?

Material und Methode

Die Arbeitsgruppe um Maria Bruhnke der Charité Universitätsmedizin Berlin versuchte diese Fragestellung im Rahmen einer prospektiven Untersuchung anhand von 42 Patienten im Alter von 47 ± 19 Jahren (Gruppe Zahn) und 51 ± 15 Jahren (Gruppe Implantat) zu beantworten. Alle restaurierten Zähne waren auf Gingivaniveau frakturiert und benötigten zur Versorgung eine forcierte orthodontische Extrusion, während in der Implantatgruppe die Zähne bereits extrahiert und die Alveole ausgeheilt war. Alle Implantate wurden nach einem Intraoralscan und einem digitalen Volumentomogramm digital geplant und geführt inseriert. Nach einer Einheilzeit von drei bis sechs Monaten wurden alle Implantate mit verschraubten Kronen aus Lithiumdisilikat versorgt.

Die „hoffnungslosen Zähne“ wurden nach Kariesexkavation so vorbereitet, dass sie über eine Retention an den Nachbarzähnen mit Hilfe von kiefer­orthopädischen Gummizügen extrudiert werden konnten. Gleichzeitig wurden ein Scaling und eine Wurzelglättung durchgeführt sowie die suprakrestalen Fasern durchtrennt, um den Zahn möglichst ohne Weichgewebe zu bewegen. Nach der Retentionsphase wurden die Zähne, wenn nötig, mit einem Glasfaserstift und anschließend alle Zähne mit Kronen aus Lithium­disilikat versorgt.

Die Beurteilung der Lebensqualität erfolgte mit einer modifizierten Version des etablierten OHIP (Oral Health Impact Profile, Punkte, die sich auf herausnehmbaren Zahnersatz beziehen, wurden weggelassen) - 49 Unterpunkte wurden mit einer Skala von 0 (= nie) bis 4 (sehr häufig) bewertet. Die Bewertung erfolgte für beide Restaurationsformen insgesamt viermal: vor Behandlung (T1 Baseline), nach Implantation beziehungsweise Retention (T2), nach Restauration (T3) und nach zwölf Monaten (T4). Es wurden Summen für beide Versorgungsformen insgesamt und zu den verschiedenen Zeitpunkten gebildet und dann statistisch ausgewertet.

Ergebnisse

Es konnten Daten von 40 Patienten ausgewertet werden, ein Patient aus der Zahngruppe wollte nach der Retentionsphase die Extrusionstherapie nicht weiter fortsetzen und ein Patient aus der Implantatgruppe konnte zum Zeitpunkt T3 nicht teilnehmen. Die Zahngruppe bestand zu 47 Prozent aus Front- und Eckzähnen, 48 Prozent Prämolaren und einem Molar. Die Implantate ersetzten zu 96 Prozent Prämolaren und Molaren. Der OHIP-Score verbesserte sich in der Implantatgruppe kontinuierlich von T1 zu T4, während in der Zahngruppe zuerst eine Verschlechterung eintrat (T1 auf T2) und sich dann der Wert wieder verbesserte. Am Zeitpunkt T4 war kein signifikanter Unterschied zwischen beiden Gruppen feststellbar.

Diskussion

Es gibt bisher wenig Daten, die die Lebensqualität der Patienten bei verschiedenen Versorgungsformen untersuchen und die gute Nachricht ist, dass in beiden Gruppen nach einem Jahr post Eingliederung der Restauration die Lebensqualität signifikant angestiegen ist und sie sich nicht unterscheiden. Das Absinken der Lebensqualität während der Extrusionstherapie ist sehr gut nachvollziehbar und zeigte sich auch statistisch. Trotzdem hinkt der Vergleich ein wenig, da in der Implantatgruppe der Zahn bereits entfernt war. Auf der anderen Seite gilt es auch zu bedenken, dass für die forcierte Extrusion nur Fallberichte und Fallserien über relativ kurze Beobachtungszeiträume publiziert wurden, während es für implantatgetragene Einzelkronen sehr viele klinische Daten mit hoher Überlebens- und Erfolgsquote gibt.

Fazit

Es lassen sich folgende Schlussfolgerungen für die klinische Praxis treffen:

  • Implantate und restaurierte, als hoffnungslos klassifizierte Zähne zeigten dieselben Erfolge hinsichtlich der mundbezogenen Lebensqualität.

  • Während der Extrusionstherapie sinkt die Lebensqualität durch die Funktionseinschränkungen in der Retentionsphase. Dies ist allerdings nur ein temporärer Effekt.

Originalstudie: Bruhnke M, Naumann M, Beuer F, Herklotz I, Böse MWH, Neumeyer S, Stein-Lausnitz MV. Clinical Implant or Tooth?-A Prospective Clinical Study on Oral Health-Related Quality of Life for Patients with "Unrestorable" Teeth. J Clin Med. 2022 Dec 17;11(24):7496.

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