Rechtliche Bedingungen für das Ausfallhonorar

Was tun bei No Shows?

Rebecca Richter
Lassen Patienten ohne abzusagen ihren Termin platzen, ist das ärgerlich: Die sogenannte No Show stört den Praxisablauf und führt zu Honorareinbußen. Rechtsanwältin Rebecca Richter gibt vier Tipps, wie man ein Ausfallhonorar geltend macht und die Patienten zu mehr Verlässlichkeit anhält.

Wenn ein Behandlungstermin nicht stattfindet, hat das in aller Regel zwei Gründe: Ein Patient erscheint nicht oder die Praxis hat die Termine misslich geplant. Doch welche Ansprüche stehen wem bei einem Terminversäumnis zu? Fakt ist, nicht nur der Patient, auch die Praxis kann sich im Annahmeverzug befinden.

Der Arzt kann unter Umständen die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein (juristisch: Annahmeverzug). Eine explizite gesetzliche Regelung für Arztpraxen gibt es aber nicht. Die Rechtsprechung der vergangenen Jahre sowie ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 12. Mai 2022, Az.: III ZR 78/21) geben jedoch eindeutige Handlungshinweise. Wie also sichert man einen Anspruch auf Ausfallhonorar ab?

Grob gesagt muss bei der Terminvereinbarung (Punkt 1) mitgeteilt werden, dass ein Ausfallhonorar in bestimmter Höhe fällig werden kann und unter welchen Voraussetzungen. Dabei müssen für den Termin unbedingt ein fixer Zeitslot und eine bestimmte Behandlung vorgesehen sein und es muss eine „Bestellpraxis“ vorliegen (Punkt 2). Zudem muss sichergestellt werden, dass der Patient das Nichterscheinen verschuldet hat (Punkt 3). Gleichzeitig muss die Praxis anrechnen, wenn sie einen Ersatzpatient in der Zeit hätte behandeln können und wenn andere Umstände den Schaden geringer gehalten haben oder hätten können (Punkt 4).

Praxistipp

Wenn Sie eine Bestellpraxis haben, können Sie ein Ausfallhonorar vereinbaren. Für die Beweisbarkeit rate ich zur schriftlichen Aufklärung und Vereinbarung eines Ausfallhonorars im Terminformular oder einer wirksamen Klausel in den AGB der Praxis. Die AGB müssen aber durch Verfügbarmachung und wirksamen Verweis in den Behandlungsvertrag einbezogen werden. Für die Rechtssicherheit empfehle ich immer eine anwaltliche Beratung.

1. Der Behandlungsvertrag

Die Grundlage für ein Ausfallhonorar ist ein Behandlungsvertrag. Auch bei Kassenpatienten entsteht ein Behandlungsvertrag mit den Patienten selbst. Demnach könnten beide Seiten rechtliche Konsequenzen zu befürchten haben, sollte ein fester Behandlungstermin nicht eingehalten werden. Der Zahlungsanspruch entsteht im Fall eines Nichterscheinens auch dem Kassenpatienten gegenüber persönlich, da die gesetzlichen Krankenkassen nur die Kosten tatsächlich angefallener Behandlungen übernehmen.

Der Patient könnte jedoch so argumentieren, dass ein Nichterscheinen als Kündigung des Vertrags zu deuten ist und daher kein Ausfallhonorar verlangt werden kann. So hat ein Patient grundsätzlich das Recht, einen Behandlungsvertrag kurzfristig zu kündigen, da ihm ein besonderer Schutz aufgrund der höchstpersönlichen Behandlungsleistung zufällt. Der Arzt kann dadurch nicht ohne entsprechende Vorkehrungen darauf bestehen, dass ein Termin eingehalten wird. Denn die bloße Terminabsage beziehungsweise das Nichterscheinen führen in einer Sprechstundenpraxis nicht zu Einbußen, urteilte auch der BGH im vergangenen Jahr. Anders ist es bei der „Bestellpraxis“.

2. Vorliegen einer Bestellpraxis und Vereinbarung zum Ausfallhonorar

Die Praxis muss also als „Bestellpraxis“ arbeiten. Das heißt, es muss ein fester exklusiver Termin vereinbart worden sein, für den eine bestimmte Behandlung vorgesehen ist. Das setzt voraus, dass bereits bei der Terminabsprache eine Vereinbarung darüber getroffen wird, dass der Patient auch im Fall des Nichterscheinens oder der nicht rechtzeitigen Absage das volle Honorar oder ein pauschaliertes Ausfallhonorar zu zahlen hat.

Für die Erbringung der ärztlichen Leistung muss also ein bestimmter Zeitpunkt festgelegt worden sein. Nur dann kann der Patient überhaupt in Annahmeverzug geraten. Eine solche zeitliche Festlegung können nach der Rechtsprechung Terminvereinbarungen darstellen. Dann wird dem Patienten klar vermittelt, dass er von einem fixen, verbindlichen Termin ausgehen muss, zum Beispiel durch telefonische Vereinbarung. So urteilten bereits das Amtsgericht Düsseldorf (Urteil vom 18. Februar 2003, Az.: 48 C 17511/00) und das Amtsgericht Minden (Urteil vom 26. Februar 2016, Az.: 28C 276/15).

Aufgrund der besseren Beweisbarkeit sollte die Terminvereinbarung aber immer schriftlich oder unter Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit entsprechender Klausel zum Vorliegen einer Bestellpraxis erfolgen. Gleiches gilt, wenn eine längere Behandlungsdauer anberaumt wird und entsprechend Kapazitäten für den Patienten freigehalten werden.

Umgekehrt ist das nicht der Fall, wenn beispielsweise mehrere Patienten zur gleichen Zeit in die Praxis bestellt oder keine Termine vergeben werden und die Patienten nach der Reihenfolge ihres Eintreffens behandelt werden, wobei sie unter Umständen lange Wartezeiten in Kauf nehmen müssen. Ob es sich um eine Bestellpraxis handelt, hängt stets von den Umständen des Einzelfalls ab. Das entspricht der höchstrichterlichen Auffassung: Danach verbietet sich eine schematische Betrachtungsweise. Insbesondere die Organisation bei der Terminvergabe sowie deren Erkennbarkeit für den Patienten sind zu berücksichtigen, urteilten die Karlsruher Richter mit dem Verweis auf weitere Urteile der Amtsgerichte.

Teilweise wird sogar verlangt, dass darüber hinaus ein Ausfallhonorar nur in Betracht kommt, wenn dies schriftlich zwischen den Parteien vereinbart wurde. Das urteilte das Amtsgericht München bereits Ende der 1990er-Jahre (Urteil vom 11. November 1998, Az:. 212 C 19976/98). Derartige Klauseln in den AGB sind grundsätzlich wirksam, solange die Gebühr nicht mehr als 100 Prozent der Bruttovergütung umfasst. So können Praxen ihren Patienten bei der Terminvereinbarung mitteilen, dass reservierte und nicht innerhalb einer bestimmten Zeit abgesagte Termine in Rechnung gestellt werden, urteilte das Amtsgericht München (Urteil vom 3. März 2016, Az.: 213 C 27099/15).

Wird ein pauschaliertes Ausfallhonorar vereinbart, ist das noch weniger zu beanstanden, da dies Klarheit und Rechtssicherheit für die Parteien schafft. Die Pauschale darf sich dabei auch an den vollen Behandlungskosten orientieren, da bei kurzfristiger Absage in einem Bestellsystem keine Ersatzpatienten behandelt werden können und der Arzt seinen Verlust nicht ausgleichen kann.

3. Verschulden des Patienten

Das Nichterscheinen oder die verspätete Absage muss vom Patienten verschuldet worden sein. Unverschuldetes Nichterscheinen oder Absagen in einem angemessenen Zeitfenster können nicht dazu führen, dass ein Ausfallhonorar gezahlt werden muss. Daher muss dem Patienten die Möglichkeit eingeräumt werden, die Nichteinhaltung des Termins zu entschuldigen. Ist das nicht der Fall, kann eine Ausfallhonorarvereinbarung unwirksam sein. Der Patient muss außerdem darauf hingewiesen werden, innerhalb welcher Frist er den Termin ohne Entschuldigung absagen kann.

Zu beachten ist, dass es auch für Patienten ärgerlich ist, wenn jemand trotz Termin in der „Bestellpraxis“ auf die Behandlung warten muss. Dann befindet sich nicht der Patient, sondern die Praxis im Annahmeverzug. Durch sein Verhalten kann der Arzt dann die Nichteinhaltung des Termins verursacht haben, so dass der Praxis selbstredend in diesem Fall keine Vergütung zusteht.

4. Ersatzpatient oder Ausfallhonorar?

Das zu zahlende Ausfallhonorar kann jedoch geringer ausfallen, wenn sich die Praxis infolge des Ausbleibens der ärztlichen Leistung Kosten erspart oder durch anderweitige Dienste in der Zeit Einkommen oder Vorteile erwirbt oder erwerben könnte. Nachzuweisen ist dann gegebenenfalls durch den Arzt, dass die frei gewordene Arbeitszeit nicht anderweitig hätte genutzt werden können, also nicht beispielsweise Verwaltungsaufgaben, Telefonate oder Schreibarbeiten erledigt oder andere Patienten behandelt werden konnten. Dem Patienten hingegen steht es zu, nachzuweisen, dass der Schaden aufseiten der Praxis geringer war als das Ausfallhonorar, weil beispielsweise ein teures Medizinprodukt nicht genutzt werden musste.

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