Studie in The Lancet

Diese Risikofaktoren beeinflussen Rückenschmerzen

Heftarchiv Gesellschaft
mg

Ergonomie am Arbeitsplatz, Übergewicht und Rauchen sind die drei größten beeinflussbaren Risikofaktoren für Schmerzen im unteren Rücken. Zu dem Ergebnis kommt eine internationale Analyse, die jetzt in The Lancet veröffentlicht wurde.

Der Studie zufolge litten 2020 weltweit 619 Millionen Menschen unter Schmerzen im unteren Rücken, hier definiert als Schmerzen zwischen der zwölften Rippe und den Gesäßfalten, die einen Tag oder länger andauerten. Während die altersstandardisierten Raten in den vergangenen drei Jahrzehnten leicht zurückgegangen sind, prognostizieren die Autoren, dass im Jahr 2050 weltweit mehr als 800 Millionen Menschen unter Rückenschmerzen leiden werden. Bei der Therapie würden dabei immer noch unangemessen häufig bildgebende Verfahren, verordnete Bettruhe, Opioide, Wirbelsäuleninjektionen und „andere invasive Verfahren mit fragwürdiger Wirksamkeit“ eingesetzt. Die Analyse wertete bevölkerungsbasierte Studien von 1980 bis 2019 aus, um die Prävalenz für Schmerzen sowie die Jahre mit Einschränkungen (Years Lived with Disability, YLD) durch Schmerzen im unteren Rückenbereich für 204 Länder und Gebiete abzuschätzen. Zusätzlich zu den Literaturdaten wurden US-amerikanische Daten zu medizinischen Ansprüchen aus den Jahren 2000 und 2010 bis 2017 basierend auf der ICD-9- und der ICD-10-Kodierung einbezogen. Die ICD-10-Referenzcodes zur Identifizierung von Fällen von Schmerzen im unteren Rücken waren M54.3 (Ischias), M54.4 (Hexenschuss mit Ischias) und M54.5 (Schmerzen im unteren Rücken). Der ICD-9-Code war 724 (Rückenschmerzen).

Ergebnisse: Die Schätzungen umfassen den Zeitraum von 1990 bis 2020 mit aktualisierten Bias-Anpassungen und Prävalenzprognosen bis 2050. Demnach litten 2020 schätzungsweise 619 Millionen (Konfidenzintervall 95 Prozent, Spreizung 554 bis 694) Menschen weltweit an Rückenschmerzen im unteren Rücken. Zwischen 1990 und 2020 kam es zu einem Rückgang der altersstandardisierten Prävalenzraten um 10,4 Prozent. Trotzdem gehen die AutorInnen davon aus, dass 2050 etwa 843 Millionen Menschen von Rückenschmerzen betroffen sein werden.

Wie Rauchen und Rückenschmerzen zusammenhängen

Laut der Global Burden of Diseases, Injuries, and Risk Factors Study (GBD) erklären beeinflussbare Risikofaktoren wie ergonomische Faktoren am Arbeitsplatz, Rauchen und ein hoher Body-Mass-Index (BMI) rund 38,8 Prozent der hochgerechneten Jahre, die mit Schmerzen gelebt wurden. Weltweit und über alle Altersgruppen und Männer und Frauen hinweg waren 22,0 Prozent der YLD auf häufiges Heben schwerer Lasten, langes Stehen oder ungünstige Sitzpositionen zurückzuführen; 12,5 Prozent auf das Rauchen und 11,5 Prozent auf einen zu hohen BMI.

Tatsächlich legt eine Metastudie (siehe Kasten) nahe, dass es einen Zusammenhang zwischen Tabakkonsum und chronischen Rückenschmerzen gibt. Vermutet wird, dass die Blutgefäß-verengende Wirkung von Nikotin Arteriosklerose und damit eine schlechtere Versorgung von Knochen, Bandscheiben und Rückenmuskulatur begünstigt.

Raucher haben ein fast doppelt so hohes Risiko

Welche Rolle Rauchen bei Ischias spielt, war bisher unbekannt. Eine finnisch-ka8nadische Metaanalyse untersuchte darum, welche Wirkung Rauchen auf lumbale Wurzelschmerzen und klinisch bestätigte Ischiasbeschwerden hat. Dazu wurden für den Zeitraum 1964 bis März 2015 umfassende Literaturrecherchen in den Datenbanken PubMed, Embase, Web of Science, Scopus, Google Scholar und ResearchGate durchgeführt. Die Forschenden verwendeten eine Random-Effects-Metaanalyse, bewerteten Heterogenität und Publikationsbias und führten Sensitivitätsanalysen durch bezüglich Studiendesign, methodischer Qualität der eingeschlossenen Studien und Publikationsbias.

Ergebnisse: 28 Studien qualifizierten sich für eine Metaanalyse: 7 Querschnittsstudien (n = 20.111 Teilnehmer), 8 Fallkontrollstudien (n = 10.815) und 13 Kohortenstudien (n = 443.199) . 

Aktuelle Raucher hatten ein erhöhtes Risiko für lumbale radikuläre Schmerzen oder klinisch bestätigte Ischiasbeschwerden. Ehemalige Raucher hatten im Vergleich zu Nie-Rauchern ein nur leicht erhöhtes Risiko. Für aktuelles Rauchen betrug das gepoolte angepasste OR 1,64 (1,24 bis 2,16, n = 10.853) für lumbale radikuläre Schmerzen, 1,35 (1,09 bis 1,68, n = 110.374) für klinisch bestätigte Ischiasschmerzen und 1,45 (1,16 bis 1,80, n = 337.796) für Krankenhausaufenthalte oder Operationen aufgrund eines Bandscheibenvorfalls oder Ischiasvorfalls. Die entsprechenden Schätzungen für früheres Rauchen lagen bei 1,57 (0,98 bis 2,52), 1,09 (1,00 bis 1,19) und 1,10 (0,96 bis 1,26).

Die Zusammenhänge unterschieden sich nicht zwischen Männern und Frauen und waren unabhängig vom Studiendesign. Darüber hinaus gab es keine Hinweise auf eine Publikationsverzerrung, und die beobachteten Zusammenhänge waren nicht auf Selektions- oder Erkennungsverzerrungen oder Störfaktoren zurückzuführen.

Schlussfolgerung der Forschenden: Rauchen ist ein mäßiger Risikofaktor für lumbale Wurzelschmerzen und klinisch bestätigte Ischiasbeschwerden. Die Raucherentwöhnung scheint das übermäßige Risiko zu verringern, aber nicht vollständig zu beseitigen.

Rahman Shiri, a Kobra Falah-Hassani, „The Effect of Smoking on the Risk of Sciatica:A Meta-analysis", The American Journal of Medicine, Volume 129, ISSUE 1, P64-73.e20, January 2016, DOI: https://doi.org/10.1016/j.amjmed.2015.07.041

Das Risiko von Rückenschmerzen aufgrund des Rauchens war bei Männern mittleren Alters (50 bis 69 Jahre) am höchsten (28,8 Prozent) und bei Frauen im Alter von 15 bis 49 Jahren am niedrigsten (5,7 Prozent). Das auf arbeitsergonomische Faktoren zurückzuführende Risiko war hingegen bei jüngeren (15 bis 49 Jahre alten) Männern am höchsten (34,3 Prozent) und am niedrigsten bei Frauen im Alter von 70 Jahren oder älter (4,9 Prozent). Das Risiko von Rückenschmerzen aufgrund eines hohen BMI war jedoch bei Frauen im Alter von 50 bis 69 Jahren am höchsten (14,5 Prozent) und bei jüngeren Männern (15 bis 49 Jahre) am niedrigsten (9,8 Prozent). Die Prävalenzprognosen deuten demnach darauf hin, dass es im Jahr 2050 weltweit 843 Millionen Menschen mit Schmerzen im unteren Rückenbereich geben wird, was einem Anstieg von 36,4 Prozent gegenüber 2020 entspricht.

Die Studie wurde von der Bill und Melinda Gates Stiftung finanziert.

Die Studie:
GBD 2021 Low Back Pain Collaborators, „Global, regional, and national burden of low back pain, 1990–2020, its attributable risk factors, and projections to 2050: a systematic analysis of the Global Burden of Disease Study 2021", The Lancet Rheumatology, Volume 5, ISSUE 6, e316-e329, June 2023, https://doi.org/10.1016/S2665-9913(23)00098-X

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