Verbesserung der Früherkennung von Tumoren in der Mundhöhle

Start für ein bundesweites Präventionsprojekt

Obwohl sich Diagnostik und Therapie in den vergangenen Jahren sehr verbessert haben, ist die Mortalitätsrate bei Tumoren in der Mundhöhle noch nicht gesunken. Der Grund: Betroffene suchen erst in einem fortgeschrittenen Stadium eine Zahnärztin oder einen Zahnarzt auf. Deshalb hat die Universität Kiel ein wissenschaftliches nationales Präventionsprojekt entwickelt. Ziel ist es, zunächst die Zahnärzteschaft und die relevanten Facharztgruppen für das Thema zu sensibilisieren. Der Startschuss fällt im September.

Das Problem: Die geschätzte Zahl der Neuerkrankungen bei Tumoren der Mundhöhle und des Rachenraums lag – nach den aktuellsten Zahlen des Robert-Koch-Instituts (RKI) – im Jahr 2018 bei über 14.000 Fällen deutschlandweit. Davon waren 9.820 Männer und 4.490 Frauen betroffen. Gemessen an der Zahl aller Krebserkrankungen waren dies bei Männern 3,7 Prozent – Tumoren der Mundhöhle nehmen damit bei den Neuerkrankungen die achte Position bei den Männern ein. Bei den Frauen war es mit 1,9 Prozent die 13. Stelle. Die Fünf-Jahres-Überlebensrate in Deutschland lag bei Männern bei nur 52, bei Frauen bei nur 62 Prozent.

Auf diese Zahlen verweist die Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Universität Kiel, die ein bundesweit angelegtes Präventionsprojekt zur Verbesserung der Früherkennung von Tumoren in der Mundhöhle konzipiert hat. Es handelt sich um ein wissenschaftliches Forschungsprojekt. Die Umsetzung soll ab September starten. Vorreiter ist ein erfolgreich gelaufenes Präventionsprojekt mit anschließender Aufklärungskampagne auf regionaler Ebene in Schleswig-Holstein. Unter der Projektleitung von Prof. Dr. Katrin Hertrampf, MPH MME, wird ein interdisziplinäres Wissenschaftsteam das auf mehrere Jahre angelegte Projekt durchführen.

Die Relevanz des Projekts liegt nach Angaben der Forschenden auf der Hand: Obwohl sich die Behandlungsstandards in Diagnostik und Therapie in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich verbessert hätten, habe sich dies nicht merklich positiv auf die Absenkung der Mortalitätsrate ausgewirkt. Als Grund geben die Forschenden an, dass sich mehr als die Hälfte der Betroffenen erst in einem fortgeschrittenen Stadium an einen Zahnarzt, einen Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen oder eine ärztliche Fachdisziplin (zum Beispiel Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde) wenden.

Obwohl jedes Jahr in Deutschland etwa 13.000 Menschen an bösartigen Tumoren der Mundhöhle und des Rachens erkranken, ist die Frühbehandlung leider immer noch selten. Wichtig ist deshalb, dass wir unsere Kompetenz und Aufmerksamkeit schulen. Für ein großes 'Medizin' in der ZahnMedizin bitte ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, an dem Projekt von Frau Prof. Hertrampf teilzunehmen.

Prof. Dr. Christoph Benz, Präsident der Bundeszahnärztekammer

Das liege unter anderem daran, dass die Erkrankung für Betroffene relativ lange schmerzlos und asymptomatisch verlaufe. Zusätzlich sei bei den Patientinnen und Patienten ein sehr hohes Verdrängungspotenzial gegenüber der Erkrankung selbst zu beobachten. Dem geschuldet folge nach der Diagnose zumeist eine sehr aufwendige Therapie, erläutern die Forschenden. Das Resultat seien oft bleibende, funktionelle Einschränkungen und auch sichtbare Defekte.

Voraussetzungen für die Früherkennung seien mehr „Wissen und Aufmerksamkeit“, wie das Forscherteam weiter erklärt. Hier gebe es ein gravierendes Informationsdefizit in der Bevölkerung. Betroffene würden sich in der Regel zuerst an ihren Zahnarzt, aber auch an weitere ärztliche Disziplinen wenden, die in ihrem Arbeitsalltag mit Tumorproblemen zu tun hätten. Deshalb gelte es zunächst, diese wichtigen Berufsgruppen früh einzubinden.

Erhebung bei Zahnärztinnen und Zahnärzten – Bitte um Unterstützung

Die Erhebung zum Kenntnisstand über die Früherkennung von Tumoren der Mundhöhle in der Zahnärzteschaft startet ab Oktober 2023. Dabei wird das Projektteam der Universität Kiel über die Landeszahnärztekammern eine Online-Befragung initiieren. Die Information darüber wird auch in den regionalen Zahnärzteblättern kommuniziert. An die Kollegenschaft geht die Bitte, das Projekt aktiv zu unterstützen.

Garantiert ist, dass die Erhebung pseudonymisiert über Identifikationsnummern erfolgt. Dadurch ist gewährleistet, dass weder die Kammer noch die Projektgruppe erkennen kann, wer an der Befragung teilgenommen hat. Die gesamte Erhebung erfolgt somit in einer Weise, dass keine Rückschlüsse auf die Person möglich sein werden. Sobald die Antworten vorliegen, werden sie ausgewertet. Je nach Ergebnis wird dann ein gezieltes zahnärztliches Fortbildungsprogramm (Online-Fortbildung) zum Thema entwickelt und angeboten.

Hier setzt das Projekt an. Vorgesehen ist zunächst eine Basis-Erhebung, um eine solide Datengrundlage für eine zielgruppenorientierte Planung zu generieren. Die Erhebung erfolgt in mehreren Phasen:

  • Als erstes erfolgt eine Kenntnisstand-Erhebung bei den Zahnärztinnen und Zahnärzten. Auf Basis dieser Erhebung soll dann ein speziell auf Zahnärzte zugeschnittenes Fortbildungsangebot zum Thema Tumore der Mundhöhle angeboten werden.

  • Daran anschließend erfolgt bei den ärztlichen Berufsgruppen HNO und Dermatologie dieselbe Vorgehensweise.


Die beiden Erhebungen zielen darauf ab, die Bedarfe zur Steigerung des Themen- und Problembewusstseins in diesen Berufsgruppen zu identifizieren und entsprechende Handlungsbedarfe herauszuarbeiten.

  • In einem weiteren Schritt soll dann untersucht werden, inwieweit die allgemeine Bevölkerung Kenntnis über mögliche Risikofaktoren und zur Prävention von Mundhöhlentumoren besitzt. Analysiert werden soll, inwieweit ein Problembewusstsein und Wissen zur Früherkennung vorhanden sind, um das Projekt passgenau auf etwaige Bedarfe zuzuschneiden.

  • Außerdem ist eine systematische regionale Inhaltsanalyse von Medienberichterstattungen geplant. Dabei soll herausgefunden werden, inwieweit das Thema in der Presse und in der Öffentlichkeit präsent ist.


Aus der Analyse der beiden Schritte sollen dann Schlüsse für die weitere Medienarbeit mit der allgemeinen Bevölkerung gezogen werden.

Drei Fragen an Prof. Dr. Katrin Hertrampf

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Prof. Dr. Katrin Hertrampf, Professorin für Prävention und Versorgung in der Zahnheilkunde, Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Kiel

Wie lassen sich die Erfahrungen aus dem regionalen Präventionsprojekt in Schleswig-Holstein auf die Bundesebene übertragen?

Wir werden auf nationaler Ebene die gleiche wissenschaftliche Methodik für die Berufsgruppen und die Ziehung der Bevölkerungsgruppe anwenden. Die Rahmenbedingungen werden natürlich für das nationale Level adaptiert. Nichtsdestotrotz ist es fordernd, das Konzept der Zusammenarbeit mit einer Landeszahnärztekammer für ein Konzept mit 17 Kammern zu adaptieren. Bis dato erleben wir eine sehr unterstützende Zusammenarbeit mit den Kammern.

Wie beurteilen Sie den Stellenwert, den Zahnärztinnen und Zahnärzte in Sachen Frühdiagnostik von Tumoren der Mundhöhle haben und wie können sie das nötige Fachwissen erwerben?

Gerade diese Berufsgruppe stellt eine zentrale Akteursgruppe in diesem Bereich dar, weil sie einen hohen Anteil an „gesunden“ Patientinnen und Patienten im Rahmen ihrer Behandlung und des regelmäßigen Recalls untersuchen. Durch die etablierten Fortbildungsangebote der Kammern besteht die Möglichkeit, sich auf diesem Gebiet sehr gut und regelmäßig fortzubilden.

Wie können die Kollegen Sie bei dem Präventionsprojekt unterstützen – was wäre Ihnen dabei wichtig?

Die größte Unterstützung für uns wäre, wenn möglichst viele Kolleginnen und Kollegen sich an den beiden geplanten Umfragen beteiligen. Das würde die Aussagekraft der Ergebnisse verbessern und wir könnten darauf basierend gezielter Unterstützungsangebote zu diesem Thema gestalten.

Die Fragen stellte Gabriele Prchala.

Die Ergebnisse aller Analysen und der verschiedenen Ebenen der Evaluation werden in Form einer Gesamtauswertung und eines wissenschaftlichen Abschlussberichts aufgearbeitet, der voraussichtlich Ende 2025 in einem Fachjournal publiziert werden soll. Das Projekt wird von der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) mit 300.000 Euro und von der Deutschen Gesellschaft für Mund-, Kiefer-, Gesichts­chirurgie (DGMKG) mit 50.000 Euro gefördert.

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