Quereinsteiger in der Zahnarztpraxis

Vom Autoverkauf zur Assistenz

Auf der Suche nach qualifiziertem Praxispersonal geht die Zahnärztekammer Hamburg neue Wege: In einem praktischen Kurs lernen Quereinsteiger aus anderen Berufen, wie sie auch ohne ZFA-Abschluss Assistenztätigkeiten in einer Zahnarztpraxis übernehmen können.

Für viele zahnärztliche Praxen war es bislang undenkbar, Mitarbeitende ohne ZFA-Abschluss zu beschäftigen. Die Erfahrungen der Zahnärztekammer Hamburg zeigen aber, dass man über Stellenanzeigen auf Jobportalen oder auch über die Arbeitsagentur durchaus geeignete Fachfremde finden kann. Anders als bei der ZFA-Suche melden sich auf eine Anzeige häufig mehrere – und ja: interessante – Bewerberinnen, berichtet die Kammer.

„Eine Quereinsteigerin ist keine Konkurrenz mit geringerer Ausbildung!“

Wie kann die Beschäftigung von Quereinsteigern in der Zahnarztpraxis gelingen?

Dr. Maryla Brehmer: Entscheidend für den Erfolg ist, das Team beziehungsweise die ZFA in der Praxis einzubinden. Ihnen muss deutlich gemacht werden, dass es sich bei einer Quereinsteigerin nicht um eine Konkurrenz mit geringerer Ausbildung, sondern um eine Kollegin handelt, die unterstützt werden muss, da sie weniger Fachkenntnisse hat, sie aber das Team verstärkt und für die Praxis wichtig ist.

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Dr. Maryla Brehmer ist Mitglied im Vorstand der Zahnärztekammer Hamburg und zuständig für Mitarbeiter/innen und Auszubildende, sie ist auch Prüferin im ZFA-Prüfungsausschuss sowie Mitglied im Berufsbildungsausschuss.

Inwieweit ist der Quereinstieg rechtlich möglich?

Betrachtet man die Aufgaben in der Praxis im Einzelnen, ist festzustellen, dass bei vielen Tätigkeiten zwar die Ausbildung zur ZFA und die Kenntnis der Hintergründe und Zusammenhänge sinnvoll und wichtig sind, aber rechtlich nicht vorgegeben. Gesetzliche Vorgaben gibt es zunächst beim Röntgen, hier ist der Abschluss der ZFA-Ausbildung zwingend erforderlich. Auch für die Sterilgutfreigabe ist entweder die ZFA-Ausbildung oder eine anerkannte erfolgreiche Fortbildung nötig. Für die Prophylaxe ist neben der Ausbildung eine Qualifikation, zum Beispiel zur ZMP, erforderlich. Alle anderen Aufgaben können – jedenfalls aus rechtlicher Sicht – ohne ZFA-Abschluss durchgeführt werden. Damit die Arbeit im Zusammenspiel mit der Zahnärztin oder dem Zahnarzt reibungslos funktioniert, sind eine gute Einarbeitung und Schulungen sinnvoll.

Welche beruflichen Perspektiven haben Quereinsteiger?

Es muss nicht beim Quereinstieg bleiben. Bei Interesse kann noch eine (zweite) Ausbildung zur ZFA absolviert werden. Denkbar ist aber auch, eine sogenannte externe Prüfung abzulegen. Voraussetzung ist hier eine 4,5-jährige Berufstätigkeit.

„Das Gute ist, dass bereits ein Maß an Berufserfahrungen besteht!“

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, eine Quereinsteigerin einzustellen?

Dr. Gunter Lühmann: Wir hatten relativ kurzfristig eine Mitarbeiterin verloren und standen wie sehr viele Praxen vor der Herausforderung der Nachbesetzung. Die einschlägigen Optionen der Mitarbeitersuche sind bekanntlich heutzutage deutlich aufwendiger. Und auch wenn die Suche über das Internet und zum Beispiel mit dem Jobportal der Hamburger Zahnärztekammer eine sehr gute Möglichkeit bietet, wollte ich unbedingt auch über persönliche Netzwerke versuchen, zum Ziel zu gelangen. Das Momentum der persönlichen Empfehlung ist mir ein wichtiger Baustein dabei gewesen.

Wie wird Frau Stanislawska vom Praxisteam unterstützt?

Wir verfahren bei Frau Stanislawska genauso wie bei unseren Auszubildenden, konnten sie aber schon schnell in der Assistenz einsetzen und stellen ihr – wann immer möglich – eine ZFA zur Seite. Die Fortschritte waren bei ihr rasch offensichtlich und sie ist bereits zu einer vollwertigen Stuhlassistenz gereift. Zwischenzeitlich hat sie auch den Kurs für Quereinsteigerinnen bei unserer Kammer absolviert. Unser Ziel ist es, sie an weiteren Fortbildungsmaßnahmen teilnehmen zu lassen und noch mehr in den Verwaltungs- und Abrechnungstätigkeitsbereichen auszubilden. Ein Manko bleibt derzeit noch die Qualifikationsmöglichkeit in den Bereichen Röntgen und Steri. Da hoffe ich aber auf zeitnahe Lösungsansätze durch den Verordnungsgeber.

Welche Vorteile hat für Sie der Quereinstieg?

Das Gute an einem Quereinstieg ist, dass bereits ein Maß an Berufserfahrungen besteht. Diese sind zwar geprägt durch einen anderen Berufszweig, aber der Umgang mit Kolleginnen und Kollegen, mit Vorgesetzten, mit der Kundschaft, mit Arbeitsprozessen, mit Technik, mit betrieblichen Abläufen, die alle zusammen in ähnlicher Weise unsere wiederkehrenden täglichen Herausforderungen sind, existieren bereits und sind gefiltert und konzentriert vorhanden. Wenn vonseiten der Bewerbenden noch die Neugier auf eine dann sozusagen Wunschtätigkeit dazukommt, sind das die besten Voraussetzungen für eine zufriedene Mitarbeiterin, die es natürlich noch einzulernen gilt. Und das funktioniert in unserem Fall sehr leicht und erfolgreich.

„Ich war Patientin, jetzt bin ich Mitarbeiterin“

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, sich in einer Zahnarztpraxis zu bewerben?

Alina Stanislawska: Seit ein paar Jahren bin ich Patientin bei Dr. Lühmann. In einem Gespräch in der Praxis kam die Nachfrage, ob ich jemanden kennen würde, der als Zahnmedizinische Fachangestellte oder eventuell auch zum Wiedereinstieg eine Anstellung sucht. Leider kannte ich niemanden. Aber dann kam mir diese Idee, es einfach selbst auszuprobieren, was dazu führte, mich als Quereinsteigerin vorzuschlagen.

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Der Hamburger Zahnarzt Dr. Gunter Lühmann und seine Mitarbeiterin Alina Stanislawska, die jetzt erfolgreich den Quereinsteiger-Kurs am NFI gemeistert hat. Stanislawska kommt aus dem Einzelhandel, jetzt arbeitet sie als Stuhlassistenz.

Aus welchem Berufszweig kommen Sie ursprünglich?

Ich habe eine kaufmännische Ausbildung abgeschlossen und jahrelang im Einzelhandel gearbeitet. Da hatte ich täglich mit vielen Kundinnen und Kunden zu tun, jetzt sind es Patientinnen und Patienten.

Wo in der Zahnarztpraxis können Sie ihre Stärken am besten zeigen?

Das Arbeiten mit Menschen ist mir vertraut. Seit dem Beginn meiner Arbeit in der Zahnarztpraxis werde ich überwiegend in der Assistenz eingesetzt und finde es total interessant. Ich werde aber auch vom ganzen Team unterstützt.

Die Zahnärztekammer hat sich diese Erfahrung zunutze gemacht und mit dem „ZFA-Quereinstieg: Praxiswissen intensiv“ ein spezielles Fortbildungsangebot entwickelt. Angeboten wird der Kurs am Norddeutschen Fortbildungsinstitut (NFI). In fünf Tagen werden von erfahrenen Referentinnen Kenntnisse in der Assistenz, im Hygienemanagement oder für den Empfang vermittelt. 15 Teilnehmerinnen, die etwa aus den Bereichen Tourismus, Heilpraktik, Altenpflege oder Autoverkauf kamen, haben im Juni den ersten Kurs erfolgreich abgeschlossen. Die Absolventinnen sind nun befähigt, am Empfang, im Bereich Sterilisation (vorbereitende Arbeiten), als Behandlungsassistenz, in der Abrechnung oder im Qualitätsmanagement einer zahnärztlichen Praxis zu arbeiten. Nach Abschluss des Kurses ist es möglich, am NFI weitere qualifizierende Kurse zu besuchen oder eine Ausbildung zur ZFA anzuschließen.

Denkbar sind Aufgaben für Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger laut Kammer in diesen Bereichen:

  • Empfang: Gefragt sind hier kommunikative Fähigkeiten, Belastbarkeit und gute Umgangsformen – Eigenschaften, die auch in anderen Berufsfeldern eine Rolle spielen. Wichtig ist die Vermittlung der Fachterminologie, damit die Mitarbeitenden mit der Zahnärztin oder dem Zahnarzt, dem Praxisteam und den Patienten qualifiziert kommunizieren können.

  • Sterilisation: In größeren Praxen kann es sinnvoll sein, Mitarbeitende mit vorbereitenden Arbeiten zu betrauen. Die Freigabe darf aber nur durch eine qualifizierte Fachkraft erfolgen.

  • Behandlungsassistenz: Rechtlich ist eine ZFA-Ausbildung hierfür nicht erforderlich, aber eine gute Einarbeitung – gegebenenfalls unterstützt durch eine Fortbildung – ist sinnvoll.

  • Kleine Laborarbeiten: In vielen Praxen gibt es Labore für kleinere Arbeiten. Bei entsprechendem Geschick können Quereinsteigende angelernt werden.

  • Abrechnung: Hier ist eine ZFA-Ausbildung zwar sinnvoll, aber aus rechtlicher Sicht ebenfalls nicht erforderlich. Wichtig ist jedoch eine umfangreiche Schulung.

  • Qualitätsmanagement: Eine Tätigkeit für Quereinsteiger ist möglich – erforderlich ist aber eine umfangreiche Einarbeitung und Schulung.

Der nächste Grundlagenkurs für Quereinsteiger am Norddeutschen Fortbildungsinstitut (NFI) ist in Planung und soll im Sommer 2024 stattfinden. Bei Interesse melden Sie sich bei: sarah.menke@nfi-hh.de.

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