Von altem Wein und neuen Schläuchen

Die SPD hat sich auf ihrer Klausurtagung Ende August mit der Gesundheitspolitik beschäftigt. Herausgekommen ist mal wieder ein Positionspapier, in dem zusammengefasst ist, wie man sich die Ausrichtung unseres Gesundheitssystems so vorstellt. Solidarität und Gerechtigkeit sind die Schlagworte. Das passt in jedes sozialdemokratische Positionspapier. Etwas bahnbrechend Neues sucht man aber vergeblich, das Meiste hat man schon in verschiedenen Varianten dargereicht bekommen – Stichwort alter Wein in neuen Schläuchen. Trotzdem lohnt es sich, in das Papier hineinzuschauen. Dass man in der SPD den Traum von der Bürgerversicherung weiterträumt – geschenkt. Dahinter steckt die tiefe sozialdemokratische Sehnsucht nach einer Gleichbehandlung aller Bürgerinnen und Bürger. Was dieses Gleich dann letztlich bedeutet, dürfte inzwischen hinlänglich bekannt sein. Eine typisch sozialdemokratische Position ist die Ablehnung von zu starken Marktkräften verbunden mit einer Gewinnmaximierung im Gesundheitswesen.

Klingt toll, doch in der Praxis steht immer noch eine wirksame Begrenzung der Aktivitäten von Finanzinvestoren aus. Bis auf viel Wortgeklingel ist nicht wirklich etwas passiert. Da wird auch das angedachte Offenlegen der Eigentümerstrukturen von Investoren-MVZ nicht reichen. Um unser Gesundheitswesen zu finanzieren, sollen mal wieder Effizienzreserven gehoben und nachhaltige Finanzierungswege beschritten werden, heißt es weiter. Hört, hört. Spätestens hier müssen die Alarmglocken klingeln. Denn diese ominösen Effizienzreserven sind in der Regel nichts anderes als Einschnitte in der Vergütung – zu mehr reicht die gesundheitspolitische Kreativität selten. Gleichzeitig sollen keine „bedarfsnotwendigen“ Leistungen gestrichen werden; maßgeblich für den Zugang zu Leistungen soll der individuelle medizinische Bedarf sein. Man kann fast gerührt sein ob so viel Naivität – oder besser gesagt Kaltschnäuzigkeit, mit der den Bürgerinnen und Bürgern das immer utopischere Versprechen der passgenauen Leistungen offeriert wird. Wer aus gesundheitlichen Gründen auf diese Leistungen angewiesen ist, merkt sehr schnell, dass wir uns von diesem vollmundigen Versprechen immer weiter entfernen.

Aber das könnte vielleicht gelingen, wenn die nächste im Positionspapier genannte Forderung endlich umgesetzt würde: das Streichen versicherungsfremder Leistungen beziehungsweise deren Finanzierung aus Steuermitteln. Nun, nicht reden, einfach machen, kann man da nur sagen. Und mit diesem Wunschkonzert geht es in dem Papier munter weiter. So sollen Tätigkeiten im Gesundheitswesen und in der Pflege attraktiver und von Bürokratie entlastet werden. Da wird einem ganz warm ums Herz, aber auch hier gilt: zu schön, um wahr zu werden. Man möchte nicht den Berufspessimisten spielen, aber es ist schon erschreckend mitanzusehen, wie weit Anspruch und Wirklichkeit auseinanderklaffen. Etwas weniger Worthülsen und mehr Realitätssinn wären schön. Aber dazu müsste man sich ehrlich machen. Vielleicht etwas für das nächste Positionspapier?

Wir versuchen hingegen, in diesem Heft den Leserinnen und Lesern möglichst wenig alten Wein anzubieten. So beschäftigen wir uns in unserer Titelgeschichte mit Kiefer- und Gesichtstraumata und zeigen, wie auch unscheinbare Frakturen durch eine gute Befundung und 3-D-Bildgebungs­verfahren sicher diagnostiziert werden können. Dann befassen wir uns mit einem Trend, der die Arbeitswelt in den nächsten Jahren fundamental ver­ändern könnte. Nein, ausnahmsweise sprechen wir nicht von Künstlicher Intelligenz, sondern von der Vier-Tage-Woche – für die einen die Zukunft der Beschäftigung, für die anderen ein rotes Tuch. Wir erklären, welche Modelle es gibt und worauf dabei organisatorisch, rechtlich und wirtschaftlich zu achten ist.

Viel Spaß bei der Lektüre

Sascha Rudat
Chefredakteur

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