Arbeitsrechtliche Fragen zur Abmahnung

Lieber Mitarbeiter, letzte Chance!

Was für eine Funktion hat eine Abmahnung und wie geht man als Praxischef dabei vor? Folgt darauf immer die Kündigung und was ist der Unterschied zwischen einer Ermahnung und einer Abmahnung? Der Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bernhard Kinold, Mitglied und Vortragsreferent des Verbandes deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e.V. (VDAA), räumt mit gängigen Mythen auf und beantwortet die wesentlichen Fragen.

Wo Menschen arbeiten, passieren Fehler. Das hält man als Arbeitgeber normalerweise auch aus, zähneknirschend oder als Zahnarzt vielleicht lieber mit der sprichwörtlichen Faust in der Tasche. Problematisch wird das Ganze, wenn sich Fehlverhalten bei einzelnen Beschäftigten häuft, grobe Schnitzer passieren oder Mitarbeitende sich sogar absichtlich falsch verhalten. Spontan kommt einem dann eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses in den Sinn, vielleicht sogar als außerordentliche fristlose Kündigung. Aber so einfach ist das nicht. Die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung fordert in bestimmten Konstellationen vor der Kündigung zunächst eine Abmahnung.

Was ist überhaupt eine Abmahnung?

Die Abmahnung ist sozusagen eine letzte Warnung an den Arbeitnehmer: „Achtung, wenn du dich jetzt nicht zusammenreißt und dein Verhalten änderst, wird das arbeitsrechtliche Konsequenzen haben.“

Muss ich das schriftlich machen?

Nein. Es gibt keine Rechtsvorschrift, die eine schriftliche Abmahnung fordert. Aber Vorsicht: Eine Abmahnung muss einen bestimmten Mindestinhalt haben, damit sie von den Arbeitsgerichten akzeptiert wird. Erfolgt die Abmahnung nur mündlich, gerät man als Arbeitgeber später schnell in Beweisnot. Die schriftliche Abmahnung ist also zumindest empfehlenswert. Sie sollte dann auch zur Personalakte genommen werden.

Was sind das für Mindestinhalte, die gefordert werden?

Es gibt drei wesentliche Bestandteile: Erstens muss auf ein bestimmtes, genau geschildertes Fehlverhalten hingewiesen werden, am besten mit Datum und Uhrzeit. Zweitens muss der Mitarbeiter aufgefordert werden, derartiges oder ähnliches Fehlverhalten zukünftig zu unterlassen und sich vertragsgerecht zu verhalten. Drittens müssen dem Arbeitnehmer für den Wiederholungsfall mögliche Rechtsfolgen bis hin zur Kündigung angedroht werden.

Muss ich denn immer gleich so förmlich werden?

Nein, nicht unbedingt. Die Abmahnung ist ja schon der erste Schritt in Richtung Kündigung. Gerade in Zeiten von Personalknappheit möchte man seine ZFA oder die anderen Angestellten ja in erster Linie behalten. Eine Verhaltensänderung möchte man aber auch sehen. Da bietet es sich an, zunächst einmal eine Ermahnung auszusprechen. Das ist im Prinzip so ähnlich wie eine Abmahnung, allerdings ohne Androhung von Konsequenzen. Eher so wie ein erhobener Zeigefinger nach dem Motto: „Liebe Mitarbeiterin, so möchte ich das nicht. Mache es in Zukunft bitte anders.“

Führt eine Abmahnung letztlich immer zur Kündigung?

Nein, einen Automatismus gibt es da nicht. Auch die Abmahnung soll das Arbeitsverhältnis wieder in ein vernünftiges Fahrwasser bringen. Der Arbeitnehmer soll aber – anders als bei der Ermahnung – schon wissen, dass es jetzt wirklich ernst wird, wenn er sich nicht zusammenreißt.

Muss das so kompliziert sein? Warum kann man nicht einfach kündigen, wenn es nicht mehr passt?

Das müssen wir uns genauer anschauen und hängt auch von der Betriebsgröße der Zahnarztpraxis ab. Werden regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt, gilt das Kündigungsschutzgesetz. Teilzeitkräfte zählen je nach Beschäftigungsumfang zu ½ (bis 20 Wochenstunden), zu ¾ (bis 30 Wochenstunden) oder voll (über 30 Wochenstunden). Dabei sind dann aber alle Arbeitnehmer mitzurechnen einschließlich geringfügig beschäftigter Aushilfen. Auch die Reinigungskraft wird hierbei gerne einmal vergessen. Nur Auszubildende zählen nicht mit. Kommt man dann rechnerisch über zehn Mitarbeiter, und ist der betroffene Mitarbeiter bereits länger als sechs Monate an Bord, braucht der Arbeitgeber einen Kündigungsgrund, im Kleinbetrieb bis zu zehn Mitarbeitern geht es auch ohne. Bei der außerordentlichen fristlosen Kündigung läuft allerdings unabhängig von der Betriebsgröße und der Dauer des Arbeitsverhältnisses ohne Kündigungsgrund gar nichts.

Aber ist das Fehlverhalten nicht der Kündigungsgrund?

Das Kündigungsschutzgesetz lässt Fehlverhalten als Kündigungsgrund generell zu, die sogenannte verhaltensbedingte Kündigung, aber nur als letztes Mittel. Besteht die Chance, das Arbeitsverhältnis zu erhalten und durch eine Abmahnung eine Verhaltensänderung des betroffenen Mitarbeiters herbeizuführen, muss der Arbeitgeber dies zunächst versuchen, bevor er zur Kündigung schreiten kann. Die Kündigung ist nämlich nicht die Strafe für das Fehlverhalten, sondern folgt aus der begründeten Sorge, dass es in Zukunft zu weiteren Störungen des Arbeitsverhältnisses kommen wird. Der Blick ist also nicht in die Vergangenheit, sondern in die Zukunft gerichtet.

Gibt es auch Ausnahmen?

Ja, die gibt es. Bei sehr schwerwiegendem Fehlverhalten, das das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Mitarbeiterin unrettbar zerstört, kann auch eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung funktionieren. Insbesondere Straftaten, zum Beispiel der berüchtigte Griff in die Portokasse, können einen Arbeitnehmer auch ohne Abmahnung den Job kosten. Gleiches gilt für die vorgetäuschte, vielleicht sogar angedrohte Arbeitsunfähigkeit oder ehrverletzende Äußerungen gegenüber dem Arbeitgeber. Das kommt aber sehr auf den Einzelfall an.

Genügt eine Abmahnung?

In der Regel ja. Mehrere Abmahnungen kommen dann in Betracht, wenn es um verschiedene, nicht artverwandte Vorwürfe geht. Mahnt man als Arbeitgeber bei vergleichbaren Vorwürfen zu oft ab, kann es sogar passieren, dass der Arbeitsrichter die in den Abmahnungen enthaltene Androhung von Konsequenzen als nicht ernst gemeint ansieht, und die Kündigung letztlich daran scheitern lässt.

Aus Arbeitnehmersicht: Wie reagiere ich auf die Abmahnung?

Die einfachste Reaktion lautet „lochen und abheften“. Es passiert ja zunächst nichts. Wiederholt sich das Fehlverhalten nicht, wird das Arbeitsverhältnis fortgesetzt. Bin ich als Arbeitnehmer der Meinung, dass die Vorwürfe nicht zutreffen, kann ich eine Gegendarstellung verfassen. Der Arbeitgeber muss diese ebenfalls zur Personalakte nehmen. Ich kann auch beim Arbeitsgericht Klage gegen den Arbeitgeber erheben mit dem Ziel, dass die Abmahnung aus der Personalakte entfernt wird. Dann wird geprüft, ob die Abmahnung berechtigt war oder nicht. Eine solche Klage belastet das Arbeitsverhältnis allerdings zusätzlich, sodass ich mir gut überlegen sollte, diesen Schritt zu gehen. Kommt es später doch zu einer Kündigung, kann im Rahmen der dann anstehenden Kündigungsschutzklage immer noch die Zulässigkeit der zunächst nicht angegriffenen Abmahnung durch das Arbeitsgericht überprüft werden. Mit Abwarten vergibt man sich also nichts.

Bernhard Kinold

Rechtsanwalt,
Fachanwalt für Arbeitsrecht
HASLER KINOLD - Rechtsanwälte

Melden Sie sich hier zum zm-Newsletter des Magazins an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Heft-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm Online-Newsletter und zm starter-Newsletter.