Aligner-Direktanbieter stellt Aktivitäten mit sofortiger Wirkung ein

SmileDirectClub ist insolvent

Der international tätige Aligner-Direktanbieter SmileDirectClub ist insolvent. Patienten würden nicht weiter behandelt – und sollten sich an einen Zahnarzt vor Ort wenden, heißt es auf der Website.

SmileDirectClub hat die unglaublich schwierige Entscheidung getroffen, seine globalen Aktivitäten mit sofortiger Wirkung einzustellen“, teilt das US-Unternehmen mit. Der Kundendienst sei nun nicht mehr verfügbar. Das gelte auch für die Aligner-Direktbehandlung über die SmileDirectClub-Webplattform.

Alle Bestellungen, die noch nicht versandt wurden, wurden demnach storniert, Kunden erhalten ihre Aligner nicht mehr. Die behandelnden Ärzte stehen ebenso wenig weiter zur Verfügung, um Behandlungen abzuschließen.

„Wenden Sie sich bitte an Ihren behandelnden Zahnarzt!“

„Wir entschuldigen uns für die Unannehmlichkeiten, aber die Aligner-Behandlung ist nicht mehr über die SmileDirectClub-Plattform verfügbar. Wenn Sie die Behandlung außerhalb unserer Plattform fortsetzen möchten, wenden Sie sich bitte an Ihren behandelnden Arzt oder Ihren Zahnarzt vor Ort, wenn Sie Fragen zu einer zukünftigen Aligner-Behandlung haben“, heißt es knapp.

30 Standorte sollte es in Deutschland geben

Anfang März 2020 eröffnete SmileDirectClub (SDC) seine beiden ersten Standorte in Deutschland. Bei Filialen in Hamburg und Berlin sollte es jedoch nicht bleiben – allein in dem Sozialen Netzwerk „LinkedIn“ hatte das Unternehmen damals 227 Stellen für Filialen in München, Köln, Düsseldorf, Karlsruhe, Osnabrück, Saarbrücken, Freiburg, Münster, Nürnberg, Heidelberg, Erfurt, Würzburg, Duisburg, Magdeburg, Bremen, Aachen, Essen, Dortmund, Mannheim, Braunschweig, Bonn, Leipzig, Altstadt (Sachsen), Hannover, Dortmund, Stuttgart, Essen und Frankfurt am Main ausgeschrieben.

Dann stoppte die Corona-Pandemie die Expansionspläne.Anfang 2022 erklärte SDC schließlich, den Betrieb in Deutschland, den Niederlanden, Österreich, Spanien sowie Hongkong, Singapur, Neuseeland und Mexiko einzustellen. Laufende Behandlungen sollten ohne Unterbrechung zu Ende geführt werden, hieß es damals. Das Unternehmen wolle sich auf das Geschäft in den USA, Kanada und Australien konzentrieren (zm berichtete).

Kunden, die ihre Behandlung über die hauseigene Finanzierungsmöglichkeit „SmilePay-Plan“ finanziert haben, sind aufgerufen, weiterhin alle monatlichen Zahlungen zu leisten, bis die Zahlung gemäß den Bedingungen des SmilePay-Programms vollständig erfolgt ist. Kunden, die eine Rückerstattung fordern wollen, sollen sich indes gedulden. „Weitere Informationen werden folgen, sobald das Insolvenzverfahren die nächsten Schritte [...] festlegt, die die Kunden ergreifen können.“

Wie konnte es dazu kommen? SmileDirectClub (SDC) wurde 2014 in Nashville von den Jugendfreunden Alex Fenkell und Jordan Katzman gegründet. Ursprünglich als Exklusiv-Vertriebspartner für Align Technologies konzipiert, entschied sich das Unternehmen nach einem Rechtsstreit zum Direktvertrieb eigener Produkte an Endkunden. Bis 2018 sammelte das Unternehmen Medienmeldungen zufolge 380 Millionen US-Dollar Wagniskapital ein, was zu einer zwischenzeitlichen Bewertung von mehr als 3 Milliarden US-Dollar führte. Beim Börsengang 2019 erzielte es dann bei einem Aktienkurs von 18 Dollar pro Stück eine Marktkapitalisierung von 8,9 Milliarden US-Dollar. Die Markterwartungen waren gigantisch.

Doch dann begann der Abstieg: 2020 sorgten Bericht­e der New York Times und des US-Hörfunk- und Fernsehnetzwerks National Broadcasting Company (NBC) für Aufsehen, wonach geschädigte Patienten mit Verschwiegenheitsklauseln mundtot gemacht wurden. Zeitgleich formierte sich der Widerstand der Zahnärzte und Kieferorthopäden: In 36 US-Bundesstaaten reichten Tochtergesellschaften der American Dental Association of Orthodontists (AAO) Beschwerden ein, außerdem legte die American Dental Association Beschwerden bei der US-Behörde für Lebens- und Arzneimittel (FDA) wegen „Gefährdung der Öffentlichkeit“ sowie „falscher und irreführender Behauptungen sowie unfairer und irreführender Praktiken“ ein.

Erst kam der kometenhafte Aufstieg – dann der Absturz

2022 verklagte der Generalstaatsanwalt des District of Columbia das Unternehmen. Im Sommer 2023 kam es zum Vergleich, der die Verschwiegenheitsregelungen von mehr als 17.000 Kunden für nichtig erklärte und es ihnen erlaubte, öffentlich über ihre Erfahrungen mit SDC zu sprechen. Außerdem wurde das Unternehmen zu einer Strafzahlung von 500.000 Dollar verurteilt. SDC beharrte jedoch darauf, nicht gegen das Gesetz verstoßen oder unfaire oder irreführende Praktiken angewendet zu haben.

In fast einem Jahrzehnt hat SDC mehr als zwei Millionen Kunden kieferorthopädisch behandelt. Dabei war das Unternehmen bis zuletzt nicht profitabel und hatte laut der New York Times bereits im September 2023 Insolvenz angemeldet. Die Schulden des Unternehmens betragen demnach fast 900 Millionen US-Dollar.

BDA: Weiterbehandlungen sind ein haftungstechnisches Minenfeld

Die American Dental Association (ADA) bekräftigte anlässlich der Pleite ihre Ablehnung von Angeboten von Direct-to-Consumer-Zahnmedizin aufgrund des Potenzials irreversibler Schäden für Einzelpersonen – die als „Kunden“ und nicht als Patienten behandelt werden. Das gilt auch für die British Dental Association (BDA). Dessen Vorsitzender Eddie Crouch befürchtet zudem, dass die Weiterbehandlung ehemaliger SDC-Patienten „für jeden Zahnarzt zum Minenfeld werden könnte“. Die BDA fordert darum Zusicherungen, dass alle Kliniker, die versuchen, etwaige Schäden rückgängig zu machen, „nicht für eine unangemessene Behandlung durch dieses Unternehmen haftbar gemacht werden können“.

Crouch betonte zudem, dass mit dem „Verschwinden“ des Anbieters die Risiken für Patienten nicht gebannt seien. „Früher oder später wird ein Neueinsteiger einen Weg finden, die Kieferorthopädie aus der Ferne gewinnbringend zu nutzen.“ Tatsächlich bleibt der Markt der Aligner-Direktvermarkter in den USA und Großbritannien auch nach dem Ausscheiden von SCD unübersichtlich. Anbieter heißen in den USA zum Beispiel „Alignerco“, „Byte“, „Snapcorrect“ und „Newsmile“ – und in Großbritannien „Straightmyteeth“ und „DrSmile“.

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