Behandler muss an Gutachterterminen teilnehmen können
Im Streitfall war eine Patientin aus Hessen mit ihrer prothetischen Behandlung nicht zufrieden. Sie wandte sich an ihre Krankenkasse, die daraufhin eine Begutachtung in Auftrag gab. In der Folge kam es zum Streit darüber, ob die Brücke locker sitzt, eine Abplatzung an Zahn 13 vorliegt und er deswegen eine zu große Lücke zu seinem Nachbarn 14 hat. Schließlich wurde ein Obergutachten in Auftrag gegeben, das die Vorwürfe im Wesentlichen bestätigte. Daraufhin setzte die KZV einen Regress fest.
Das Sozialgericht Marburg bestätigte nun in einem inzwischen rechtskräftigen Urteil zwar, dass ein solcher Regress möglich ist, wenn ein Zahnarzt seine Pflichten schuldhaft verletzt hat. Das sei hier aber nicht nachweisbar.
Durch den Verfahrensverstoß ist das Gutachten wertlos
Dabei stellen die Richter vorrangig darauf ab, dass die behandelnde Berufsausübungsgemeinschaft weder beim Erst- noch beim Obergutachten über den Untersuchungstermin informiert worden war. Dies sei ein „wiederholter Verfahrensverstoß“, weil die Behandler so nicht an den Untersuchungen teilnehmen konnten.
In solchen Fällen sei zumindest das Obergutachten in der Regel „unbrauchbar“. Ein Regress komme dann nur „in Betracht, wenn die Fehlerhaftigkeit der Behandlung auch unabhängig von den Feststellungen des Gutachters objektiv durch eigene Anschauung der (Gerichts-)Kammer nachvollzogen werden kann“, heißt es im Leitsatz des Urteils.
Das sei hier aber nicht der Fall. Nach Überzeugung der „fachkundig besetzten Kammer“ des Gerichts lasse sich „weder anhand der vorliegenden medizinischen Unterlagen noch aus den beiden Gutachten eine Mangelhaftigkeit der prothetischen Versorgung objektiv nachvollziehen“. Insbesondere ließen auch die Röntgenbilder keinen Mangel erkennen.
Nach der Logik der Urteilsbegründung kamen daher die Verfahrensmängel zum Tragen. Der Regressbescheid sei rechtswidrig und daher aufzuheben. Rechtsmittel wurden hiergegen nicht eingelegt, so dass das Urteil rechtskräftig ist.
Auf Zweifel an der Unparteilichkeit kam es nach der Urteilsbegründung nicht mehr an: Die Patientin hatte den Obergutachter selbst vorgeschlagen und dann bereits „proaktiv“ einen Untersuchungstermin ausgemacht. Dadurch dränge sich die Besorgnis der Befangenheit auf, heißt es in dem Marburger Urteil. „Von einem neutralen Obergutachter wäre es nach Auffassung der Kammer zu erwarten gewesen, dass eine Vereinbarung eines Begutachtungstermins erst nach tatsächlicher Bestellung als Gutachter erfolgt.“ Das Sozialgericht ließ aber letztlich offen, ob auch schon deshalb das Obergutachten unbrauchbar gewesen wäre.
Sozialgericht Marburg
Az.: S 12 KA 75/23
Urteil vom 19. September 2024
[schriftlich veröffentlicht am 30. September 2024]