Festzuschüsse: Gericht präzisiert Ausnahmeregelung
Damit die Ausnahmeregelung beim großen Bonusanspruch bei Zahnersatzbehandlungen anerkannt wird, muss der Patient gegenüber der Krankenkasse ausreichend begründen, warum er in dem betreffenden Zeitraum nicht zum Zahnarzt gehen konnte. Unerheblich ist, in welchem Jahr die Prophylaxe ausfallen musste. Der Anspruch auf den Festzuschuss von 75 Prozent bleibt auch dann erhalten, wenn die „Lücke“ in den letzten fünf Jahren vor der Behandlung aufgetreten ist.
Kasse wollte nur Festzuschuss von 60 Prozent genehmigen
Im konkreten Fall hatte eine Versicherte Ende 2020 bei ihrer Krankenkasse die Kostenübernahme für einen Zahnersatz beantragt. Die Kasse bewilligte den Heil- und Kostenplan, wies aber zugleich darauf hin, dass die Frau kein vollständiges Bonusheft habe und sie sich daher nur mit 60 Prozent an den ZE-Kosten beteilige.
Die Versicherte erhob dagegen Widerspruch und machte geltend, dass in ihrem Bonusheft in den letzten zehn Jahren nur ein einziger Stempel für 2019 fehle. Als Grund führte sie besondere Umstände an. So sei sie im Frühjahr 2019 schwer an Krebs erkrankt und zwei Mal operiert worden. Erkrankung, Behandlung, Rehabilitation und Nachsorge hätten sich über das ganze Jahr hingezogen, so dass ein Vorsorgetermin nicht möglich gewesen sei.
Die Krankenkasse wies den Widerspruch als unbegründet zurück. Daraufhin klagte die Versicherte vor dem Sozialgericht Münster. Als sie verstarb, führte ihr Mann das Verfahren fort. Er beantragte, die Höhe des Festzuschusses neu festzulegen.
Das Sozialgericht verurteilte die Kasse, den Antrag auf Gewährung von Festzuschüssen im Hinblick auf deren Höhe unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. Entgegen der Auffassung der Kasse setze § 55 Absatz 1 S. 6 SGB V nicht voraus, dass die einmalige Aussetzung eines zahnärztlichen Vorsorgetermins in den Jahren sechs bis zehn vor Behandlungsbeginn erfolgt sei und die Untersuchungen in den fünf Jahren vor Behandlungsbeginn nicht versäumt worden seien, hieß es in der Begründung.
Die Krankenkasse legte gegen das Urteil Berufung vor dem LSG Nordrhein-Westfalen ein. Das Gericht entschied, dass die Ablehnung von Festzuschüssen in Höhe von weiteren 15 Prozentpunkten – also 60 statt 75 Prozent – im konkreten Fall rechtswidrig sei.
So hielt es das Gericht für den Anspruch eines Festzuschusses in Höhe von 75 Prozent nicht für zwingend, dass das einmalige Versäumnis einer Vorsorgeuntersuchung mehr als fünf Jahre zurückliege. Wichtig sei die regelmäßige Zahnpflege. In § 55 Abs. 1 S. 6 SGB V heiße es, dass lediglich ein einmaliges Versäumnis der Vorsorgeuntersuchung „in den letzten zehn Jahren vor Behandlungsbeginn“ erfolgt sein dürfe. Eine nähere Eingrenzung sei der Formulierung hingegen nicht zu entnehmen. Die Revision vor dem Bundessozialgericht wurde nicht zugelassen. Damit ist das Urteil rechtskräftig.
LSG Nordrhein-Westfalen
Az.: L 5 KR 1137/23
Urteil vom 10. Oktober 2024
Sozialgericht Münster
Az.: S 7 KR 433/21
Urteil vom 20. September 2023