Interview mit Daniel Survila, der es vom Gebäudereiniger zum Zahnarzt schaffte

„Der Druck war enorm, aber für mich gab es keine Alternative“

Sein Weg schien vorgezeichnet und begann im Handwerkbetrieb seines Vaters: Insgesamt 18 Jahre lang arbeitete Daniel Survila als Gebäudereiniger – bis er mit Anfang 30 den Neuanfang wagte. Heute beschäftigt der Ulmer Zahnarzt sechs Mitarbeiterinnen und einen Gebäudereiniger, der am Abend seine Praxis putzt.

Herr Survila, Sie haben einen langen Weg hinter sich, der viel Kraft gekostet hat. Wenn Sie nun zurückblicken: Würden Sie den ersten Schritt zur eigenen Praxis wieder gehen?

Daniel Survila: Ja, auf jeden Fall. Es war eine der wichtigsten und besten Entscheidungen meines Lebens. Auch wenn der Weg oft steinig war, hat mich jeder einzelne Schritt dorthin geführt, wo ich heute bin. Dafür bin ich dankbar und würde es deshalb trotz der Widrigkeiten wieder tun.

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Früher reinigte er Praxen, heute leitet er eine: Daniel Survila ist über den zweiten Bildungsweg zur Zahnmedizin gekommen.

Mit 32 Jahren entschieden Sie: „Das kann nicht alles gewesen sein“ – warum haben Sie sich für den Beruf des Zahnarztes entschieden?

Mein Ziel war es, mit Menschen zu arbeiten und etwas zu bewirken. Technisch und handwerklich war ich schon immer begabt. Nachdem ich mich mit mehreren Berufsbildern beschäftigt hatte, war sehr schnell klar, dass mein Weg in die Zahnmedizin führen sollte. Kurz darauf habe ich mich mit dem ganz klaren Ziel, Zahnarzt zu werden, am Abendgymnasium angemeldet – und von da an durchgezogen.

Keine leichte Aufgabe ...

Das stimmt. Das Abendgymnasium besuchte ich am frühen Abend, danach ging ich zur Arbeit. Am nächsten Mittag und an den Wochenenden ging es dann weiter mit Familie, Freizeit und Lernen.

Auf das Abendgymnasium folgte ein Vollzeitstudium. Welche Hürden mussten Sie dort nehmen? Im Besonderen als Student ohne akademischen Hintergrund?

Der Druck war natürlich enorm, dass ich jetzt alles schaffen muss. Für mich gab es keine Alternative. Ich musste mir jeden Funken an Wissen selbst erarbeiten, ohne mal kurz jemanden fragen zu können.

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Ihre Kommilitonen waren jünger als Sie, ohne Kinder, oft ungebunden, meist mit akademischem Background aus dem Elternhaus. Wie haben Sie sich in der Universitätsgemeinschaft aufgehoben gefühlt?

Mit einigen meiner Kommilitonen habe ich noch heute hin und wieder Kontakt und ich freue mich immer, wenn ich von jemandem etwas höre oder jemandem begegne. Während der Studienzeit waren meine Interessen wahrscheinlich nicht typisch für einen Studenten. Am Rande bekam ich manchmal etwas von Semesterfeiern oder wilden Wochenenden mit.

Bei mir drehte sich das außerstudentische Leben um die Familie. Das war für mich aber auch vollkommen in Ordnung und ich hatte nie den Gedanken, in dieser Hinsicht etwas zu verpassen oder ausgeschlossen zu sein. Ich hatte einfach andere Prioritäten und Verpflichtungen.

An welche Situation denken Sie besonders gern zurück?

Der Moment, als ich die Zusage des Studienplatzes an der Uni Ulm bekam. Wir waren im Urlaub und können uns noch sehr gut daran erinnern, wie wir die E-Mail geöffnet haben und die Erleichterung da war, dass wir nicht aus Ulm wegmüssen, weil ich in einer anderen Stadt studieren muss.

Und welche Situation kam Ihnen zunächst unüberwindbar vor?

Anatomiekurs 1. Semester (lacht). Wie sollte ich mir diesen ganzen Stoff in der Kürze der Zeit merken? Bis dahin standen am Abendgymnasium Klausuren an mit klar begrenztem Lernstoff, der im Vorfeld besprochen wurde. Nun hielt ein Dozent die Vorlesung und man war größtenteils auf sich selbst gestellt. Bücher aussuchen, kaufen, durcharbeiten, Notizen machen und so weiter. Diese Hürde kennt wohl jeder Student, der frisch von der Schule kommt.

Die Belastung durch das Studium, die Familie und den Job war enorm – wie haben Sie diesen Kraftakt durchgestanden? Was hat Ihnen in dieser Zeit geholfen?

Mein Ziel vor Augen, der Wille, es zu schaffen, und meine Frau als Rückhalt und Antrieb. Ohne sie hätte ich das nicht geschafft. Die Kinder gaben mir zusätzlich täglich die Kraft und führten mir unbewusst immer wieder vor Augen, wofür es sich lohnt, die ganze Anstrengung aufzuwenden.

Haben Sie weitere Unterstützung erfahren? Zum Beispiel durch Stipendienprogramme oder Ähnliches?

Nein.

Im Oktober 2021 erhielten Sie die Approbation – welches Gefühl hatten Sie dabei?

Ein unvergleichbares Gefühl der Erleichterung, Freude und Motivation. Endlich hatte ich es schriftlich, dass ein wichtiger Teil meines Weges geschafft war.

Sie haben nicht nur das Zahnmedizinstudium gemeistert, sondern sind dann auch noch den Schritt in die Selbstständigkeit gegangen. Warum? War die Anstellung keine mögliche Option?

Zu Beginn unserer Überlegungen stand natürlich auch die Möglichkeit einer Anstellung im Raum. Es wurde aber immer klarer, dass ich meinen eigenen Weg weitergehen muss. Deshalb fiel der Entschluss zur Niederlassung sehr leicht, war aber wohl überlegt.

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Sie sind in jungen Jahren dem Weg Ihres Vaters gefolgt, haben sich dann aber dagegen entschieden. Jetzt besitzen Sie eine eigene Praxis. Viele Zahnärztinnen und Zahnärzte freuen sich, wenn der Nachwuchs diese irgendwann übernimmt. Was wollen Sie Ihren Kindern mitgeben?

Ich möchte meinen Kindern folgendes vermitteln: Die Freiheit, eigene Entscheidungen mit Vernunft treffen zu können, ein solides Fundament, um darauf aufzubauen, und die Fähigkeit, mit Herz und Verstand zu handeln.

Mit vier Kindern und inzwischen einem Enkelkind erhöhen sich die Chancen von selbst, dass eventuell ein Zahnmediziner aus den eigenen Reihen folgt – falls nicht, warten wir einfach ab, welcher Berufswunsch morgen auf dem Plan der Kinder steht. Fußballprofi, Wrestler, Prinzessin … (lacht).

Das Interview führte Navina Bengs.

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