Wenn die PKV nicht zahlen will
1. Patient hat Recht auf Einsicht in Gutachten und Stellungnahmen
Wenn die PKV einen Teil der Behandlungskosten nicht erstatten will, beruft sie sich meistens auf Gutachten oder Stellungnahmen ihrer „Beratungszahnärzte“. Nach § 202 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) hat der Versicherungsnehmer Anspruch auf Auskunft und Einsicht in diese Unterlagen. Dieses Recht sollte der Patient immer in Anspruch nehmen und – gegebenenfalls mithilfe seines Zahnarztes – die Ausführungen des „Beratungszahnarztes“ prüfen und ihnen entgegentreten, falls erforderlich.
2. Anforderungen an „medizinische Notwendigkeit“ einer Behandlung sind gering
In § 1 Abs. 2 der Musterbedingungen für die Krankheitskostenversicherung, die fast immer Basis des konkreten Versicherungsvertrags sind, heißt es: „Versicherungsfall ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen.“
Nicht selten bestreitet die PKV, dass einzelne Behandlungsschritte medizinisch notwendig sind und verweigert die Erstattung der Kosten. Bei zahnärztlichen Behandlungen geht es dabei meist um die Zahl der Teleskopkronen oder Implantate und funktionsanalytische Maßnahmen.
Der Bundesgerichtshof (BGH), das höchste deutsche Gericht in Zivilsachen, hilft hier in ständiger Rechtsprechung den Patienten.
„Demgemäß muss es nach den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme der ärztlichen Behandlung vertretbar gewesen sein, die Heilbehandlung als notwendig anzusehen.“
„Von der medizinischen Notwendigkeit einer Behandlung […] wird daher dann auszugehen sein, wenn eine Behandlungsmethode zur Verfügung steht und angewandt worden ist, die geeignet ist, die Krankheit zu heilen, zu lindern oder ihrer Verschlimmerung entgegenzuwirken.“
(BGH, Az.: IV ZR 533/15, Rz. 28, 30, ständige Rechtsprechung)
„Insbesondere ist § 1 Abs. 2 MB/KK nicht zu entnehmen, dass außer der medizinischen Notwendigkeit andere (finanzielle) Aspekte bei der Beurteilung der Erstattungsfähigkeit der Kosten einer Heilbehandlung eine Rolle spielen sollen.“
(BGH, Az.: IV ZR 323/18, Rz. 20)
Die gewählte Behandlungsmethode muss also nur geeignet sein, sie muss nicht die finanziell günstigste sein. Hier wird der Unterschied zur gesetzlichen Krankenversicherung deutlich, für die das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 SGB V gilt.
3. PKV muss vor Behandlungsbeginn über die Erstattungsfähigkeit entscheiden
Manchmal empfehlen Zahnärzte ihren privat versicherten Patienten sehr aufwendige und teure Behandlungen, die die Patienten ohne Hilfe ihrer PKV nicht bezahlen können. In solchen Fällen wollen sie natürlich vorab sicher sein, dass die PKV die entstehenden Kosten übernimmt. Der BGH hat auch insofern den Patienten geholfen: Wenn der Patient seiner PKV einen entsprechenden Heil- und Kostenplan vorlegt, muss die PKV verbindlich mitteilen, ob und gegebenenfalls welche Kosten sie tragen wird. Wenn das die PKV nicht tut, kann der Patient insofern eine sogenannte Feststellungsklage erheben.
(BGH; Az. IV ZR 131/05, Rz. 14).
4. Hürden für Leistungseinschränkungen sind erheblich
In den Versicherungsbedingungen finden sich oft Einschränkungen der oben genannten weitgehenden Leistungspflicht aus § 1 Abs. 2 der Musterbedingungen. Diese sind an sich durchaus zulässig, das heißt, man sollte sich vor Abschluss eines privaten Krankenversicherungsvertrags die gesamten Versicherungsbedingungen sorgfältig durchlesen.
Allerdings setzt die Rechtsprechung solchen Leistungseinschränkungen erhebliche Hürden: „Nach dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB ist der Verwender Allgemeiner Versicherungsbedingungen gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass die Klausel in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich ist. Vielmehr gebieten Treu und Glauben, dass die Klausel die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen soweit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann […] Die Einhaltung des Transparenzgebotes soll dem Versicherungsnehmer unter anderem bei der Eingehung des Versicherungsvertrages die Einschätzung ermöglichen, ob das angebotene Versicherungsprodukt im Vergleich mit den Versicherungsprodukten anderer Anbieter seinen Bedürfnissen entspricht.“
(BGH, Az.: IV ZR 437/22, Rz. 15)
Kürzlich hat eine PKV aufgrund eines entsprechenden Vortrags die Forderung einer Patientin anerkannt (Anerkenntnisurteil des Landgerichts Wuppertal, Az.: 7 O 261/10).
Sofern also die PKV in ihren Versicherungsbedingungen Einschränkungen ihrer eigentlich weitgehenden Leistungspflicht vornehmen will, müssen die entsprechenden Regelungen ihrer Versicherungsbedingungen für medizinische und juristische Laien eindeutig verständlich sein.
5. Patienten können an „ihrem“ Gericht klagen
Wenn es auch mit anwaltlicher Hilfe nicht gelingt, die PKV zu einer rechtmäßigen Kostenübernahme zu bewegen, muss gegen die PKV eine entsprechende Klage erhoben werden. Dafür ist an sich nach § 12 ZPO das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die PKV ihren Sitz hat. Der ist oft weit vom Wohnsitz des Patienten entfernt, so dass eine solche Klage sehr viel Aufwand erfordert. Auch insofern hilft die Gesetzgebung dem Patienten: Nach § 215 VVG ist auch das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Versicherungsnehmer seinen Wohnsitz hat. Solche Gerichtsverfahren dauern oft Jahre. Jedoch sollten Patienten es nicht hinnehmen, wenn die PKV ihrer Leistungsverpflichtung nicht nachkommt. Und Zahnärztinnen und Zahnärzte sollten ihnen dabei helfen.