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Gesundheitschecks in der Drogerie

„Wo finde ich den Lippenstift? Und könnten Sie sich das Muttermal mal anschauen?“

Wer ein auffälliges Muttermal an seinem Körper entdeckt, könnte statt zum Facharzt auch zum Drogeriemarkt gehen. Die Drogeriekette dm bietet in einigen Filialen bereits erste Gesundheitsdienstleistungen an. Ärzteverbände schlagen deshalb Alarm. Das Unternehmen widerspricht der Kritik und verweist auf volle Praxen und lange Wartezeiten.

Die Drogeriekette dm will neue Wege gehen – und startet eine Offensive in den Bereichen Prävention und Diagnostik. Den Anfang machten Selbsttests für daheim – inklusive Laboranalyse. Damit könnten Kundinnen und Kunden ihre Vitamin-D- und Vitamin-B12-Werte, ihren Blutzucker, eventuelle Lebensmittelallergien oder ihre Eisenwerte von einem medizinischen Labor ermitteln lassen, verspricht das Unternehmen. „Eine praktische Lösung für alle, die einfach von zu Hause aus Gewissheit zu einzelnen Gesundheitsaspekten erhalten möchten“, teilte dm zum Verkaufsstart der Produkte Ende August mit.

Mit diesen Angeboten wirbt dm für mehr „eigenverantwortliche Gesundheitsvorsorge”

Selbsttests mit Laboranalyse: Nutzerinnen und Nutzer können mit den Selbsttests ihre Vitamin-D-Werte, ihre Vitamin-B12-Werte, ihren Blutzucker, Lebensmittelallergien und ihre Eisenwerte ermitteln, verspricht dm. Die Probenentnahme erfolgt zu Hause durch eine Punktion des Fingers. Eine Schritt-für-Schritt-Anleitung führt sie dann durch den gesamten Ablauf: von der Aktivierung des Tests in einem Online-Portal bis zum Versand der Probe. Anschließend wird die eingesendete Probe von einem medizinischen Labor ausgewertet. Die Ergebnisse kommen spätestens fünf Werktage nach Eintreffen der Probe im Labor zurück. Diese können sie im Online-Portal abrufen und dort alle Informationen zu ihrem Testergebnis einsehen. Die Medizinprodukte kosten jeweils 19,95 Euro, mit Ausnahme des Selbsttests zu Lebensmittel-Reaktionen, der für 49,95 Euro erhältlich ist. Laut Hersteller kann er die Reaktion auf 44 allergenspezifische IgE-Antikörper in 38 Lebensmitteln analysieren. Dabei werden verschiedene Nuss-, Getreide-, Fisch-, Fleisch-, Obst- und Gemüsesorten sowie Milcherzeugnisse getestet.

Augenscreening mit Skleo Health: Beim Augenscreening geht es nach Angaben des Karlsruher Unternehmens um eine Netzhautfotografie und einen Sehtest. „Speziell geschulte Mitarbeitende“ führen die „Untersuchung“ direkt im Markt durch. Sie dauert rund sechs Minuten, ein Termin ist nicht notwendig, heißt es auf der Website von dm. Im Anschluss wird das Augenscreening KI-basiert ausgewertet und fachärztlich validiert. Innerhalb von 24 Stunden erhält der Kunde seinen Ergebnisbericht per E-Mail. Die Kosten betragen 14,95 Euro. Zu den Erkrankungen, die im Rahmen des Augenscreenings erkannt werden können, gehören unter anderem: Glaukom, diabetische Retinopathie (DRP) und altersbedingte Makuladegeneration (AMD).

Hautanalyse mit dermanostic: Im Rahmen der Hautanalyse bietet dm zwei Gesundheitsdienstleistungen an: Zum einen gibt es eine KI-gestützte Hautanalyse, die „Aufschluss über Hauttyp und Hautzustand gibt“, um die Pflege und den Schutz der Haut zu optimieren, wirbt dm. Diese ist kostenlos und im Anschluss erhält die Kundin oder der Kunde eine personalisierte Liste mit passenden dm-Produkten. Die zweite Gesundheitsdienstleistung im Bereich der Hautanalyse ist die Konsultation eines Online-Hautarztes. „Du hast ein auffälliges Muttermal, einen Ausschlag, Akne oder andere Hautveränderungen und möchtest deine Haut möglichst bald hautfachärztlich untersuchen lassen? Mit dem Online-Hautarzt geht’s ganz einfach“, bewirbt dm dieses Angebot. „Du lädst Fotos deiner Hautveränderung oder deines Hautproblems bei unserem Partner dermanostic hoch, beantwortest online ein paar essentielle Fragen – und das alles jederzeit ganz bequem digital. Binnen 24 Stunden erhältst du dein Ergebnis und, wenn nötig, auch geeignete Therapie-Vorschläge samt Privatrezept.“

Blutanalyse von Aware: In einer ersten Testfiliale in Karlsruhe ist es sogar möglich, Blutanalysen durchzuführen. Dafür arbeitet dm mit einer Partnerfirma zusammen. Die venöse Blutentnahme erfolgt diskret durch medizinisch geschultes Fachpersonal in einem separaten Bereich des Markts. Anschließend wird das Blut auf verschiedene Aspekte wie Herz-Kreislauf- oder Diabetes-Risiken hin untersucht. Die Kosten liegen zwischen 9,95 Euro für ein großes Blutbild und 69,95 Euro für die Ermittlung von zwölf Blutwerten, die laut dm „Einfluss auf Hautbild, Zellregeneration und Spannkraft” haben sollen.

Aber das ist erst der Anfang. Nur wenige Wochen später sorgt dm erneut für Schlagzeilen: In ersten Filialen testet die Drogeriemarktkette nun Gesundheitsangebote wie Augenscreenings und Hautanalysen. Was steckt dahinter?

Beim Augenscreening geht es nach Angaben des Karlsruher Unternehmens um eine Netzhautfotografie und einen Sehtest. „Speziell geschulte Mitarbeitende“ führen die „Untersuchung“ direkt im Markt durch, Dauer rund sechs Minuten, ein Termin sei nicht notwendig, heißt es auf der Website von dm. Im Anschluss werde das Augenscreening dann „KI-basiert ausgewertet und fachärztlich validiert“.

Im Rahmen des Angebots zur Hautanalyse bietet dm unter anderem ein Online-Gespräch mit Fachärztinnen und Fachärzten an, abgewickelt über die Partnerfirma dermanostic.

Sogar Blutanalysen können in einer ersten Testfiliale in Karlsruhe jetzt durchgeführt werden. Dafür arbeitet dm ebenfalls mit einer Partnerfirma zusammen. Die venöse Blutentnahme erfolgt laut dm „diskret durch medizinisch geschultes Fachpersonal in einem eigens dafür geschaffenen Bereich im dm-Markt“. Anschließend wird das Blut auf verschiedene Aspekte wie Herz-Kreislauf- oder Diabetes-Risiken hin untersucht.

Kritik: Fehlende Standards

Der Berufsverband der Augenärzte Deutschlands (BVA) und der Berufsverband der Deutschen Dermatologen (BVDD) schlagen Alarm und haben bereits ausführliche kritische Stellungnahmen veröffentlicht. Sie rügen, dass fachliche Standards nicht eingehalten würden. Vor allem der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) sei mit Vorsicht zu genießen. „Wie genau die Aufnahmen ausgewertet werden, ist nicht weitergehend erläutert“, gibt der BVA-Vorsitzende Daniel Pleger zu bedenken. „KI geprüft“ und „ärztlich validiert“ seien inhaltlich nicht ausreichend definierte Begriffe.

„Der Einsatz von KI ist nicht standardisiert – es gibt keine einheitlichen Vorgaben, die einen fachärztlichen Standard garantieren. Wie genau die Auswertung verläuft, auf welche Metadaten die KI zurückgreift und in welcher Weise diese die Auswertung prägen, ist so nicht zu beurteilen. Fakt ist: KI-Unterstützung kann hilfreich sein, ist jedoch kein Garant für korrekte Ergebnisse und kein validierter Standard in der Medizin und bei Screenings“, betont Pleger.

BVDD-Präsident Ralph von Kiedrowski berichtet, dass er bereits einen Selbstversuch im Rahmen der angebotenen Hautanalyse gemacht habe – mit einer falschen Diagnose als Ergebnis. Zudem könnten viele Patientinnen und Patienten, die die Online-Hautchecks nutzen, „gar nicht rein digital versorgt werden“, so Kiedrowski. Als Beispiel nennt er Muttermale mit Verdacht auf schwarzen Hautkrebs. „Hier reichen Fotos zur Beurteilung keinesfalls aus und unterschreiten den fachärztlichen Standard.“

dm verteidigt das Konzept

Das Karlsruher Unternehmen betont, dass es sich bei der KI-gestützten Hautanalyse nicht um „medizinische Untersuchungen” oder „Diagnosen” handelt. Kundinnen und Kunden würden transparent darauf hingewiesen, erklärt Sebastian Bayer, dm-Geschäftsführer im Ressort Marketing + Beschaffung, gegenüber der Nachrichtenagentur dpa.

Die telemedizinische Behandlung werde hingegen „ausschließlich von erfahrenen Fachärztinnen und Fachärzten für Dermatologie durchgeführt – vergleichbar mit einer regulären Hautarztpraxis“. Sollte der Verdacht auf eine ernsthafte oder bösartige Hauterkrankung bestehen, würden die Patientinnen und Patienten an die lokale Versorgung verwiesen.

Auch die Netzhautaufnahmen würden von Fachärztinnen und Fachärzten für Augenheilkunde geprüft. „Diese ärztliche Prüfung garantiert eine qualitätsgesicherte Auswertung und gewährleistet die Einhaltung höchster fachlicher Standards“, betont Bayer. Auch hier würden Kundinnen und Kunden darüber informiert, dass das Angebot keine fachärztliche Untersuchung ersetze.

Er verweist in dem Zusammenhang auf volle Praxen und monatelange Wartezeiten. „Das Ziel ist es, den Patientinnen und Patienten frühzeitig eine fachärztliche Einschätzung zu ermöglichen und sie gezielt an die richtige Stelle weiterzuleiten – als ergänzende Orientierung, nicht als Ersatz für die persönliche Untersuchung“, erläutert der Geschäftsführer.

Entstehen Doppelstrukturen?

BVA und BVDD fürchten stattdessen, dass die Wartezimmer in den Praxen dadurch noch voller werden könnten. Spätestens wenn die Menschen auffällige Ergebnisse erhalten, könne anschließend nur die Untersuchung einer Augenärztin oder eines Augenarztes Klarheit schaffen, so Pleger. „Kundinnen und Kunden mit fehlerhaft auffälligen Befunden könnten verunsichert sein und dadurch zusätzliche Termine in den Augenarztpraxen in Anspruch nehmen, die aber für andere Patientinnen und Patienten wichtiger sein könnten.“

Der BVA-Vorsitzende befürchtet das Entstehen einer „teuren Doppelstruktur, die den Betroffenen sogar schaden könnte“. Aus Sicht des BVA belasten Drittangebote schlussendlich sowohl das Gesundheitssystem als auch den Geldbeutel der Verbraucherinnen und Verbraucher. „Eine verbindliche medizinische Augenvorsorge kann nur durch die Untersuchung bei einer Augenärztin oder einem Augenarzt gewährleistet werden“, hält Pleger abschließend fest.

Und was plant die Konkurrenz? Auf dpa-Anfrage teilte der größte Mitbewerber Rossmann lediglich mit, alle Entwicklungen im Bereich Gesundheitsleistungen sehr aufmerksam zu beobachten. „Zu möglichen zukünftigen Maßnahmen oder Planungen geben wir jedoch keine Auskunft.”

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