Das Rasenmäher-Prinzip ist keine Zukunftslösung!
Die gesetzlichen Krankenkassen stehen seit geraumer Zeit unter einem enormen finanziellen Druck. Um erneute Erhöhungen der Beiträge Anfang 2026 abzuwenden, wird über ein Ausgabenmoratorium, Leistungskürzungen und Tarifmodelle in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sowie über Beitragsbemessungsgrenze und versicherungsfremde Leistungen hitzig debattiert.
Für die Bundesregierung steht fest: Ein Gesamtpaket aus strukturellen Anpassungen und kurzfristigen Maßnahmen soll die prekäre Finanzlage stabilisieren. Am 26. September hat die zehnköpfige „Finanzkommission Gesundheit“ ihre Arbeit aufgenommen. Das Gremium soll in einem zweistufigen Verfahren Vorschläge liefern: Bis Ende März 2026 kurzfristig wirksame Maßnahmen zur Stabilisierung der Beitragssätze ab dem Jahr 2027, bis Dezember 2026 Reformoptionen für strukturelle Anpassungen der GKV, die das Ausgabenwachstum in der GKV mittel- bis langfristig wesentlich reduzieren und den Herausforderungen auf der Einnahmenseite begegnen sollen. Denkverbote gebe es hierbei keine, so Bundesgesundheitsministerin Nina Warken, die zugleich ankündigte, dass ihr Haus derzeit erste Sofortmaßnahmen erarbeitet, die bereits ab Januar 2026 greifen sollen.*
Richtig ist, dass wir wirksame und nachhaltige Reformen brauchen, um das Gesundheitssystem zukunftsfest zu machen. Und die Politik muss jetzt Entscheidungen treffen. Diese dürfen aber nicht zulasten derer gehen, die weder die Kostentreiber im System sind, noch die wahren Probleme zu verantworten haben. Mit Blick auf die GKV-Finanzergebnisse ist klar erkennbar, dass der größte Anteil der Ausgaben im Bereich der stationären Versorgung und im Arzneimittelsektor liegt und hier auch die größten Ausgabensteigerungen zu verzeichnen sind. Auch das Problem der versicherungsfremden Leistungen ist bislang ungelöst.
Wer also dem Euphemismus einer sogenannten „einnahmenorientierten Ausgabenpolitik“ das Wort redet, verkennt die Folgen für die Patientenversorgung und das ganze System. Bestes Beispiel ist das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz mit seinen verheerenden Folgen im Kampf gegen die Volkskrankheit Parodontitis. Hier ist eindeutig bewiesen, dass kurzsichtige finanzielle Kostendämpfungsmaßnahmen der Versorgung schwerwiegende und nachhaltige Schäden zufügen und zudem unsere Bemühungen, durch eine frühzeitige Behandlung der Parodontitis auch Kosten – und das nicht nur im zahnmedizinischen Bereich – einzusparen, konterkariert werden. Stattdessen sollte doch die Vorsorgeorientierung der Menschen im zahnmedizinischen Bereich Vorbild für andere Bereiche im Gesundheitssystem sein. Denn Prävention wirkt und spart Geld. Umso unverständlicher und bedenklicher ist es, wenn nun von unterschiedlichsten Seiten Vorschläge zur kurzfristigen Einsparung auf Kosten der Prävention gemacht und fast täglich undifferenzierte und unqualifizierte Ideen zur Kürzung von Leistungen kommuniziert werden.
Ich warne eindrücklich davor, mit kurzsichtiger Kostendämpfung im zahnärztlichen Bereich einfach wieder nur den Rasenmäher anzuschmeißen. Ein solches Handeln ist weder weitsichtig noch im Sinne eines leistungsfähigen Gesundheitssystems. Diese Position bringen wir ein, wenn es darum geht, jetzt kurzfristig, für die Stabilisierung der Beiträge ab Januar 2026, Sofortmaßnahmen zu ergreifen. Und auch in der Finanzkommission Gesundheit legen wir diese Position vor. Die Kommission hat die klare Vorgabe, die Selbstverwaltung einzubeziehen. Wir werden unsere Expertise beisteuern und deutlich machen, dass ein Leitgedanke bei der Stabilisierung der GKV-Finanzen die Prävention sein muss. Jetzt muss die Politik beweisen, dass sie der Prävention tatsächlich eine zentrale Rolle zukommen will, so wie sie es im Koalitionsvertrag festgehalten hat. Oder mit anderen Worten: Will man das Gesundheitssystem wirklich zukunftsfest machen, braucht es jetzt Mut für nachhaltige Reformen. Die zahnärztliche Selbstverwaltung hat diesen Mut längst erfolgreich bewiesen.
Martin Hendges
Vorsitzender des Vorstands der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung
* Zum Redaktionsschluss lagen noch keine Informationen über die Ausgestaltung dieser Sofortmaßnahmen vor. Am 26. September hieß es dazu aus dem BMG, dass es „im besten Fall“ das Ziel sei, diese Maßnahmen bis zum Treffen des GKV-Schätzerkreises Mitte Oktober vorlegen zu können.





