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Mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein

Wer sich in Berlin viel im öffentlichen Raum bewegt, kann sie nicht übersehen: die immer größere Zahl von wohnungs- und obdachlosen Menschen. Es gab sie in Berlin schon immer, aber seit ein paar Jahren werden es immer mehr. In fast allen U- und S-Bahnhöfen sind Menschen zu finden, die kein Dach über dem Kopf haben. Und dieser subjektive Eindruck wird durch die offiziellen Zahlen dramatisch untermauert. Nach Angaben des Berliner Senats wurden im Januar dieses Jahres mehr als 53.600 wohnungslose Menschen durch die Bezirke untergebracht. Vor drei Jahren waren es noch knapp 26.000. Also eine Verdopplung innerhalb von drei Jahren. Bis Ende 2029 rechnet man mit über 85.000 Personen. Das ist fast eine Großstadt. Dazu kommen rund 6.000 obdachlose Menschen, die auf der Straße oder in Behelfsunterkünften leben. Ihre Zahl kann allerdings nur geschätzt werden. In anderen deutschen Großstädten sieht es ähnlich aus.

Hinter diesen erschreckenden Zahlen verbergen sich ganz unterschiedliche Einzelschicksale, die aber viel gemeinsam haben: ein Leben auf der Straße ohne Privatsphäre, prekäre hygienische Verhältnisse, eine ungesunde Ernährung, Vereinsamung – häufig psychische Erkrankungen sowie Alkohol- und Suchtprobleme. Die meisten leiden darüber hinaus unter einer unzureichenden (zahn-)medizinischen Versorgung, weil der Zugang fehlt oder auch die Scham sie vom Aufsuchen eines Arztes oder einer Zahnärztin abhält. Häufig kommen auch Sprachprobleme hinzu. Umso wichtiger sind niedrigschwellige Versorgungsangebote.

Ein solches bietet eine Initiative, die der Berliner Zahnarzt Mischa Ommid Steude vor einem Jahr gestartet hat – den Dental Street Day, der kürzlich zum zweiten Mal stattfand. Dabei öffnen Berliner Praxen in enger Kooperation mit Streetworkern und Obdachlosenhilfen ihre Türen für wohnungslose Menschen. In diesem Jahr hat bereits eine Handvoll Praxen das Projekt unterstützt. Wir sprachen mit dem Initiator und Dr. Steffi Ladewig, die dieses Jahr erstmalig mit ihrer Praxis mitgemacht hat. Beide berichten von ihrer Motivation und dem organisatorischen Aufwand, der hinter dem Tag steckt. Und sie erzählen von den Vorbehalten, die manche Kolleginnen und Kollegen haben, und wie sich diese Ängste durch verlässliche Partnerorganisationen und klare Strukturen deutlich senken lassen.

Nun werden einige sagen, dass solche Initiativen wie der Dental Street Day angesichts der dramatischen Lage nur ein Tropfen auf dem heißen Stein seien. Und richtig ist natürlich auch, dass ausreichend staatliche Strukturen geschaffen werden müssten, um obdachlosen Menschen einen niedrigschwelligen Zugang zu einer ausreichenden (zahn-)medizinischen Versorgung zu ermöglichen. Aber nichtsdestotrotz sind derartige Initiativen aus dem Berufsstand heraus eine tolle Leistung, die es zu fördern gilt. Wir können Sie deshalb nur ermuntern, an solchen Projekten teilzunehmen, sie zu unterstützen oder selbst etwas zu starten. Der Bedarf ist jedenfalls riesig – ebenso wie die Befriedigung, die daraus erwächst, bedürftigen Menschen zu helfen.

Außerdem berichten wir in dieser Ausgabe über die Haltbarkeit von Implantaten, die vor Jahrzehnten gesetzt wurden. Man sollte denken, dass moderne Implantatsysteme den älteren Generationen weit überlegen sind. Aber dem ist nicht so. Eine schwedische Arbeitsgruppe hat jetzt die weltweit ersten Implantatpatienten nach 38 bis 40 Jahren erneut untersucht. Die Ergebnisse sind beeindruckend: Zwar mussten viele Kronen im Lauf der Jahrzehnte ausgetauscht werden, doch die alten Implantate selbst überstanden inzwischen fast vier Dekaden.

Viel Spaß bei der Lektüre

Sascha Rudat
Chefredakteur

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