Kariesprävention: Fluoridkritische Patienten richtig beraten
Praxisteams erleben es nicht selten:Patient:innen oder Angehörige sind skeptisch gegenüber Fluoriden und haben Bedenken, dass fluoridhaltige Produkte der Gesundheit schaden könnten. Um Karies weiter einzudämmen und somit die Mundgesundheit von Kindern und Erwachsenen zu fördern, ist es jedoch wichtig, diese Personen abzuholen.
Eltern über frühkindliche Karies aufklären
Rund 13 Prozent der dreijährigen Kinder in Deutschland sind von frühkindlicher Karies (ECC = Early Childhood Caries) betroffen. Nur etwa die Hälfte der Sechs- bis Siebenjährigen ist kariesfrei, während insgesamt bei Kindern in den vergangenen 25 Jahren ein deutlicher Kariesrückgang zu beobachten ist [1, 2 ,3]. Die Sechste Deutsche Mundgesundheitsstudie (DMS • 6) zeigt: 78 Prozent der 12-Jährigen in Deutschland sind heute kariesfrei [3]. Im Kleinkind- und Vorschulalter stellt Karies hingegen eine der häufigsten chronischen Erkrankungen dar [2].
„Es ist wichtig, Eltern nüchtern Fakten zur Wirksamkeit und zu Risiken von Fluorid darzulegen und auch über die Folgen von Karies zu informieren“, so Zimmer. Karies an den Milchzähnen hat Einfluss auf die weitere Entwicklung – nicht nur der bleibenden Zähne: „Sie kann zu Zahnfehlbildungen wie Turner-Zähnen* führen, die Entwicklung des Mittelgesichts, die Sprachbildung und die Nahrungsaufnahme einschränken. Auch Entzündungen und Schmerzen können eine Folge sein“, erläutert er.
Wie können Eltern frühkindlicher Karies entgegenwirken?
Gesunde Ernährung mit strenger Zuckerkontrolle und eine sehr gute Mundhygiene sind wirksame Maßnahmen, um Karies zu verhindern. Diese allein reichen jedoch meist nicht und sind zudem im Alltag oft nicht umsetzbar. Fluoride stärken die Widerstandsfähigkeit der Zähne, indem sie die Remineralisierung verbessern. Zudem bilden Fluoride eine calcium-fluoridreiche Schutzschicht auf der Zahnoberfläche. Dadurch werden die Zähne vor Säureangriffen und Karies geschützt. Außerdem können Fluoride den Stoffwechsel von Bakterien hemmen, was dazu führt, dass weniger Säuren produziert werden und dem Zahn weniger Mineralien entzogen werden. Bisher gibt es keine alternativen Wirkstoffe, die diesen Effekt unter kariogenen Bedingungen zeigen. Auch bei fluoridfreien Hydroxylapatit-Produkten ist die Evidenz für die Wirksamkeit bisher nicht hinreichend belegt [4].
Es gibt mehrere Möglichkeiten, die lokale Fluoridkonzentration an der Zahnoberfläche zu erhöhen – neben Zahnpasta auch Zahnspülungen, Gele und Lacke. Am wichtigsten ist das zweimal tägliche Zähneputzen mit einer fluoridhaltigen Zahnpasta. Dabei kommt es bei Kindern wie Erwachsenen auf die richtige Putztechnik an. „Es ist gut, sowohl die Putztechnik der Kinder als auch die eigene regelmäßig zu überprüfen und Kinder beim Putzen zu unterstützen“, erklärt die Dentalhygienikerin Djelassi. „Bei der Plaque-Entfernung gibt es fast immer Optimierungspotenzial, dabei hat eine Verbesserung der Putztechnik erheblichen Einfluss auf das Kariesrisiko“, so ihre Erfahrung. Wichtig sei zudem, die richtige Größe der Zahnbürste zu wählen.
Einordnung von Risiken bei Fluoridanwendungen
Für Eltern ist es besonders wichtig, Sicherheit bei der Anwendung von Fluoriden zu haben. Um ihnen Ängste bezüglich einer gesundheitsschädlichen toxischen Wirkung zu nehmen, kann folgendes Bild helfen: „Ein einjähriges Kind müsste etwa den Inhalt einer gesamten Tube Erwachsenen-Zahnpasta mit 1.450 ppm Fluorid verschlucken, um erste Vergiftungserscheinungen wie Erbrechen oder Durchfall zu zeigen“, verdeutlicht Zimmer. Das Risiko einer akuten Vergiftung durch die Verwendung fluoridhaltiger Zahnpflegeprodukte sei nahe Null.
Im Hinblick auf Schwangerschaften ist zu sagen, dass Studien, die einen geringen Zusammenhang zwischen systemischer fetaler Fluoridexposition und dem Intelligenzquotienten (IQ) der Kinder beschreiben, nicht auf Deutschland übertragbar sind, erklärt der Experte. Grund dafür ist die geringe Fluoridkonzentration hierzulande (etwa im Trinkwasser). Das Vertrauen in das Risiko-Nutzen-Verhältnis wichtiger Kariespräventionsprogramme muss angesichts solcher Befürchtungen deutlich gestärkt werden.
Eine neue Längsschnittstudie bei Kindern bis zum fünften Lebensjahr lieferte unlängst Belege dafür, dass Fluoridkontakte in der frühen Kindheit keine Auswirkungen auf die kognitive Entwicklung haben: Die IQ-Werte derjenigen, die Fluorid ausgesetzt waren und derjenigen, die nicht Fluorid ausgesetzt waren, stellten sich als gleichwertig heraus [5].
Darum ist die korrekte Dosierung wichtig
Während bei einer zu niedrigen Fluoridgabe die kariesprotektive Wirkung ausbleibt, kann eine zu hohe systemische Dosierung im Kindesalter zu Dentalfluorose führen. Diese Nebenwirkung von Fluorid tritt nur im Kindesalter auf, während sich der Zahnschmelz entwickelt. Das höchste Risiko besteht während der ersten beiden Lebensjahre. Meist kommt diese Störung der Zahnschmelzentwicklung, die als kosmetischer Makel wahrgenommen werden kann, bei Kindern in Deutschland in einer sehr leichten Form vor [6]. Das Risiko der Überdosierung lässt sich über eine altersgerechte Fluoridgabe minimieren.
„Wir raten Eltern und werdenden Eltern, mit dem Durchbruch des ersten Zahnes ihres Kindes einen Termin beim Zahnarzt/einer Zahnärztin wahrzunehmen. Dies ist der Zeitpunkt, an dem Eltern den Empfehlungen der Fachgesellschaften zufolge idealerweise von der Gabe von Fluoridtabletten absehen und beginnen, eine Zahnpasta mit 1.000 ppm Fluorid zu verwenden, also auf eine lokale Fluoridanwendung umsteigen. Wichtig dabei ist die korrekte Anwendung und Dosierung, nämlich eine reiskorngroße Menge. Es kann hilfreich sein, die Menge anhand eines Reiskorns zu verdeutlichen“, so Djelassi. Sie empfiehlt: „Klären Sie über das Fluorose-Risiko auf und darüber, dass dieses Risiko im Vergleich zum kariespräventiven Nutzen von Fluorid als sehr gering einzuschätzen ist.“
Zimmer ermutigt, zu informieren und auf Augenhöhe mit den Eltern aufzutreten. „Geben Sie Eltern für die richtige Fluoriddosierung Informationen an die Hand – etwa in Form einer Tabelle, wie sie die Fachgesellschaften und die Bundeszahnärztekammer bereitstellen oder einen Hinweis auf den von CP GABA gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Präventivzahnmedizin (DGPZM) entwickelten Online-Fluoridrechner“, rät der Experte.
Überprüfung der individuellen Fluoridversorgung
Der neue Fluoridrechner ist intuitiv zu bedienen: Über die Beantwortung weniger Fragen werden tägliche Gewohnheiten erfasst und individuelle Empfehlungen für den optimalen Kariesschutz ausgesprochen. Patient:innen können den kurzen Test für sich selbst oder ihr Kind durchlaufen. Sie erhalten Empfehlungen der DGPZM und Informationen rund um das Thema Fluoride. In der Kommunikation mit Patient:innen kann der Fluoridrechner das Praxisteam bei der Vermittlung von Informationen zur Rolle von Fluoriden in der Kariesprävention unterstützen. CP GABA stellt in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Kinderzahnmedizin (DGKiZ) die wichtigsten Informationen rund um das Thema Fluoride auch in Form des Ratgebers „Karies-Vorsorge bei Kindern mit Fluorid“ als Kommunikationsmaterial für den Praxis-Alltag unter www.cpgabaprofessional.de zum Download bereit.
Zusätzliche Fluoridierung
Die zusätzliche Fluoridierung in der zahnärztlichen Praxis kann über Lacke, Schäume oder Gele erfolgen. Der Duraphat Fluoridlack (ab sofort medelmex Duraphat Dentalsuspension) kann ab dem ersten Milchzahn angewendet werden. elmex fluid sowie elmex gelée eignen sich für die Kariesprävention bei Kindern ab einem Alter von drei Jahren. Um die frühkindliche Karies einzudämmen, beschloss der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) im Januar 2024, dass das Auftragen von Fluoridlack zweimal pro Kalenderjahr für alle Kinder bis zum sechsten Geburtstag eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung werden soll, unabhängig vom Kariesrisiko. Die neue Richtlinie zur Früherkennung ist im April 2024 in Kraft getreten [7].
[1] Jordan AR, Micheelis W. Fünfte Deutsche Mundgesundheitsstudie (DMS V) Köln: Institut der Deutschen Zahnärzte (IDZ); 2016.
[2] DAJ (Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege) Studie 2018.
[3] Jordan AR, Meyer-Lueckel H, Kuhr K, Sasunna D, Bekes K, Schiffner U. Caries experience and care in Germany: results of the 6th German Oral Health Study (DMS • 6). Quintessence Int. 2025 Mar 17;56(11):S30-S39. doi: 10.3290/j.qi.b5986212. PMID: 40091720.
[4] Ganß C, Giese-Kraft K, Jung K, Kerzel P. Fluorid- oder doch besser Hydroxylapatit? Prophylaxe Impuls 27 6-15; 2023.
[5] Do LG et al. Early Childhood Exposures to Fluorides and Cognitive Neurodevelopment: A Population-Based Longitudinal Study. J Dent Res. 2024.
[6] Momeni A et al. Caries Res 2007;41:437-444. DOI: 10.1159/000107929.
[7] Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Früherkennungsuntersuchungen auf Zahn-,Mund- und Kieferkrankheiten (zahnärztliche Früherkennung gemäß § 26 Absatz 1 Satz 5 und Absatz 2 Satz 5 SGB V) (FU-RL), [Online] Bundesanzeiger AT 23.04.2024 B1.[zitiert im April 2025] https://www.g-ba.de/downloads/62-492-3428/FU-RL-2024-01-18_iK_2024-04-24.pdf