Digitaler Abdruck

Immer mehr Möglichkeiten

ab
Instrumente & Geräte
Mehr Präzision, mehr Wirtschaftlichkeit, Ausweitung der zahnärztlichen Behandlungsfelder und enorme Patientencompliance – die Vorteile der digitalen Abformung sind offenkundig. Eine neue Scannergeneration optimiert den Workflow weiter. Vor allem die Kommunikation mit dem Patienten verbessert sich durch spezielle Visulalisierungstools enorm. Die Umstellung von analog auf digital schreitet voran. Nach welchen Kriterien soll der Anwender „seinen“ Scanner wählen? Eine Standortbestimmung.

Noch vor vier Jahren klagten Zahnärzte, man müsse die Labore fast dazu zwingen, die Scanner-Empfangssoftware zu kaufen, obwohl das Gros der Zahntechniker schon digital aufgestellt war. Hat sich das Zusammenspiel „Zahnarzt/Labor“ inzwischen verbessert?

Baresel:

Definitiv. Ein Grund dafür ist sicherlich, dass Empfangssoftware mit zirka 1000 Euro nicht mehr so teuer ist. Ab und an kommt zwar noch eine Pauschale dazu. Aber die Kosten sind überschaubar. Fakt jedenfalls ist: Die Bereitschaft der Labore, sich auf den Empfang und die Weiterverarbeitung der STL-Daten einzustellen, steigt.

Marzok:

Die meisten Hersteller kooperieren mit den Softwareanbietern, Align zum Beispiel mit Exocad, 3Shape und DentalWings. Das kommt uns Zahntechnikern zugute. Der Workflow funktioniert reibungslos.

Greifen somit endlich mehr als die viel zitierten sieben Prozent der deutschen Zahnärzte zum Intraoralscanner?

Baresel:

Der Scanner wird immer beliebter, keine Frage. Über kurz oder lang ist der digitale Abdruck ohnehin für jede Praxis ein Muss, allein schon, um den Ansprüchen der Patienten gerecht zu werden. Davon bin ich überzeugt. Rein technisch betrachtet, gibt es bei der Umstellung von analog zu digital heute auch kaum noch Hürden.

Woran hapert es noch?

Baresel:

Die große Kunst besteht darin, sein Team adäquat zu schulen. Denn der digitale Workflow läuft komplett anders als der analoge. Das müssen die Mitarbeiter begreifen. Sie müssen lernen, wie die Scanner arbeiten, wie sie programmiert werden, welche Infos sie brauchen. Man möchte ja im digitalen Workflow dem Zahntechniker keine analogen Zettel nachreichen.

Wie „hart“ muss dafür trainiert werden?

Hanke:

Von hartem Trainieren möchte ich gar nicht sprechen. Ich habe mir 2015 vor der Kaufentscheidung für den neuen iTero Element alle anderen Scannersysteme demonstrieren lassen. Meiner Ansicht nach ist die Software des iTero quasi selbsterklärend und dank des Touch‧screens sehr einfach zu bedienen. Das erleichtert sowohl die Umstellung von analog auf digital als auch das Delegieren des Scanvorgangs an das Personal extrem. Außerdem ist der iTero sehr schnell.

Baresel:

Dennoch wird der allererste Scan nicht perfekt gelingen. Man muss einfach üben. Man schaut auf den Monitor, statt wie gehabt in den Mund des Patienten. Je langsamer man scannt, desto schlechter das Ergebnis – auch daran muss man sich erst einmal gewöhnen.

Das klingt in der Tat gewöhnungsbedürftig, woran liegt das?

Baresel:

Beim langsamen Scannen werden enorme Mengen Daten generiert, die der Scanner versucht zu matchen. Das übersteigt schnell die Kapazitäten, denn die Datenmengen sind gigantisch.

Das dürfte sich mit der neuesten Generation iTero Element 2 aber verbessert haben …

Baresel:

Richtig, iTero Element 2 steht für mehr Leistung und eine deutlich schnellere Scanverarbeitungszeit im Vergleich zum iTero Element. Dennoch gilt es, die Scangrundregeln zu beherrschen. Man darf zum Beispiel das Handstück nicht von der falschen Seite oder im falschen Winkel – sprich schräg statt senkrecht – aufsetzen. Unbedingt ist der vorgegebene Scanpfad einzuhalten. Beim iTero und den meisten anderen Scannern muss zunächst die gesamte Okklusalfläche, dann die orale und abschließend bukkale Fläche gescannt werden. Die iTero-Software bietet die Möglichkeit, die Sitzposition – vor oder hinter dem Patienten – individuell zu wählen. Das hat mir persönlich sehr geholfen, denn ich scanne lieber „von hinten“, das ist die stabilste Position. Dazu muss der Scanner in der Lage sein, das Realbild entsprechend zu spiegeln. Auch der integrierte Bewegungssensor ist sehr hilfreich. Damit lässt sich die iTero-Kamera exakt positionieren, bevor man mit dem eigentlichen Scan beginnt. Das garantiert, dass ich keine überflüssigen Daten sammle, weil ich zum Beispiel mit meinem Scanner zu nah an der Wange war. Das Scannen ist insgesamt deutlich schneller zu erlernen als das konventionelle Abformen. Noch einfacher und komplett delegierbar sind übrigens kiefer‧orthopädische Scans, speziell mit dem iTero. Die nehmen höchstens drei Minuten in Anspruch.

Hanke:

Wir – ein großes Zahnärzteteam – haben uns 2011 für iTero entschieden. Damals war für mich allein die Puderfreiheit ausschlaggebend. Meine Implantate inseriere ich seither im voll digitalisierten Workflow, egal wie viele Implantate pro Kiefer es zu setzen gilt. Nach und nach haben auch unsere jüngeren Kollegen die Vorteile des Intraoralscans erkannt und schätzen gelernt. Seit 2015 – mit der neuesten Generation des iTero Element – scannen nach meiner Einschätzung 80 Prozent meiner Kollegen.

In welchen Fällen muss es überhaupt noch analog sein? Was kann bislang noch kein Scanner?

Baresel:

Wenn es um die Funktion geht, zum Beispiel bei der Präparation von Teleskopen. Auch die Funktionsabformung für die Totalprothese erfolgt bei uns konventionell. Es würde zwar auch digital funktionieren, aber nicht komplett. Es braucht eine funktionelle Ausformung. Und die kann derzeit noch kein Scanner leisten. Denn um die Funktion in die Prothese zu bekommen, müssen die Ränder bewegt werden. Und ob ich das dann am Anfang mit einer analogen Abformung mache oder die finale Aufstellung noch einmal unterfüttere – ein analoger Schritt für die Funktion ist noch immer dabei.

Frau Dr. Sehnert, wann formen Sie noch analog ab?

Sehnert:

Kaum, unsere Patienten sind sehr dankbar für die innovative Technik in Form eines digitalen Abdrucks und einer Dokumentation mithilfe von Intraoral‧scannern. Sie erwarten diesen Service und fordern das auch ein. Der konventionelle Abdruck und die damit verbundenen Unannehmlichkeiten stoßen auf klare Ablehnung.

Hanke:

Auch unsere Patienten sind begeistert von dieser sauberen und modernen Technik und genießen es, nicht minutenlang in diese klebrige Abformmasse beißen zu müssen.

Die digitale Abformung stärkt demnach die Patientenbindung?

Sehnert:

Richtig, das beginnt schon beim Anamnese- und Aufklärungsgespräch. Mit den iTero Outcome Simulatoren lassen sich für alle Indikationen, von der Kieferorthopädie über die Prothetik bis hin zu Parodontalerkrankungen und Implantationen, schnell und modern die Behandlungsergebnisse individuell und vorhersagbar nicht nur für den Behandler, sondern auch für den Patienten am Monitor planen. Ästhetische Gesichtspunkte werden dabei von Beginn an mit einbezogen.

Hanke:

Das funktioniert deutlich anschaulicher und schneller als mit Fotos. Bereits in der Planungsphase kann der Behandler gemeinsam mit dem Patienten schwierige Bissverhältnisse etc. am Monitor besprechen.

Sehnert:

Der Patient selbst hat die Möglichkeit, sein Wunschlächeln Step by Step gemeinsam mit uns zu planen und zu gestalten. Die Zahl der Invisalign-Fälle steigt in unserer Praxis kontinuierlich, seit ich mit dem iTero Element 2 arbeite.

Kontrovers diskutiert wird derzeit noch immer der Ganzkieferscan …

Baresel:

… was für mich nicht nachvollziehbar ist. Ganzkiefersans sind heute sehr präzise. Man muss selbstverständlich stets den Scanpfad einhalten, also den vom Hersteller vorgegebenen Scanweg. Denn wir wissen letztlich nicht genau, wie die Scanner arbeiten, wie die Algorithmen die Bilder zusammenfügen. Deshalb muss man sich strikt an die vorgegebene Scananweisung halten.

Sehnert:

In unserer Praxis funktionieren Ganzkieferscans unkompliziert, schnell und erfolgreich. Die auf dieser Grundlage erstellten Behandlungsapparaturen – Aligner, Retainer und Bohrschablonen für die geführte Implantologie – sind stets passgenau. Unser Fremdlabor matcht die STL- und DICOM-Daten, Übertragungsfehler wie beim analogen Abdruck entfallen.

Vorausgesetzt, ein gelungener Scan findet den Weg ins Labor ...

Marzok:

Das ist heute die Regel. Bugs und Überlagerungen beim digitalen Abdruck sind bei modernen Scannergenerationen kein Thema mehr. Meiner Ansicht nach liefert der iTero Element die besten digitalen Abdrücke, gefolgt von dem 3Shape-Scanner. Die Zahl der Neuanfertigungen einer prothetischen Arbeit aufgrund schlechter Passung ist im Vergleich zu den analogen Abdrücken in unserem Labor deutlich gesunken.

iTero Scanpfad

Step 1: Okklusalstellen des Unterkiefers von rechts nach links scannen

Step 2: Zur lingualen Seite schwenken und den ganzen Kiefer von rechts nach links scannen

Step 3: Am endständigen Molaren zur bukkalen Seite schwenken und diese bis zur Mitte scannen

Step 4: Beginnend am rechten endständigen Molaren bukkal bis zur Mitte scannen

Step 5: Diese Sequenz für den Oberkiefer wiederholen

Step 6: Biss registrieren durch wellenförmiges Scannen vom Molaren bis zum Eckzahn

Und das gilt auch für die Ganzkieferscans?

Marzok: Wir wissen sehr wohl: je größer der Kieferscan, desto mehr Abweichungen. Das wirkt sich bei uns bisher aber nicht aus. Wir haben keine negativen Erfahrungen damit gemacht. Erhalten wir Ganzkieferscans, zum Beispiel eine Situation auf sechs Implantaten, dann behilft man sich damit, dass bestimmte Teile im Mund verklebt werden. Das nimmt mögliche Spannungen und Ungenauigkeiten auch wieder raus.

Kommen wir zum Faktor Zeit: Frau Dr. Sehnert, wie schnell scannen Sie den ganzen Kiefer?

Sehnert:

Das richtet sich sowohl nach den Indikationen als auch nach den jeweiligen Situationen. Ganzkieferscans für die Dokumentation, Erstbefundung und Verlaufskontrolle lassen sich in 1,5 Minuten realisieren, ein „normaler“ Ganzkiefer‧scan in drei Minuten. Gibt es Besonderheiten, beispielsweise metallische Kronen, Lücken oder Verschachtelungen, kalkuliere ich für den „geführten Scan“ mehr als drei Minuten ein.

Noch einmal zur Präzision: Beim Ganzkieferscan werden mehr Einzelbilder erzeugt als beim Quadrantenscan. Ist die Fehleranfälligkeit damit höher als für digitale Abformungen von eher kleinen Zahnbereichen, beispielsweise Quadranten?

Baresel:

Ganzkieferscans sind heute gang und gäbe. Die Fehleranfälligkeit ist deutlich geringer als die der konventionellen Abformungen, die digitalisiert werden. Denn wir haben beim Ganzkieferscan weniger Verwindungen des Kiefers.

Aber Intraoralscanner können keine schädelbezügliche Position in den analogen Artikulator überführen. Ist das ein Problem – speziell für den Ganzkieferscan?

Baresel:

Man kann natürlich alle analogen schädelgelenkbezüglichen Analysen genauso wie digitale Messungen der Unterkieferbewegung konservativ artikulieren. Wenn verblendet wird, gehen wir so auch vor. Aber, und das möchte ich betonen: Der Artikulator ist ein Auslaufprodukt, er ist ein Hilfsmittel der analogen Zahnmedizin. Wir sollten uns davon verabschieden, einen Artikulator digital nachzubauen.

Ist Verblenden nicht out?

Marzok:

Mehr und mehr, denn die monolithisch gefrästen Keramiken aus Lithiumdisilikat-Glaskeramik oder Zirkoniumoxid wirken so natürlich, dass sich ein Verblenden heute immer häufiger erübrigt. Zudem entfällt das Chippingproblem bei monolithischen Versorgungen.

Dann braucht es de facto auch kaum noch analoge Modelle?

Marzok:

Nur bei sehr aufwendigen Bissregistrierungen, bei denen man zur Sicherheit die Funktion im konventionellen Artikulator checken möchte. Um einen Konstruktionsbiss herzustellen, sollte man nach wie vor eine analoge Methode mit Modellen wählen. Und natürlich bei Totalprothesen, wie Dr. Baresel schon betonte.

Ansonsten läuft alles digital?

Marzok:

Ja, passen zum Beispiel die Aligner-Schienen im Offset, gibt es später keine Spannungen, anders als bei konventionellen Unterkieferabformungen. Da spannten die Schienen häufig in der Front. Um die Passung der Aligner-Schiene auf den Zähnen braucht man sich nach dem digitalen Abdruck mit iTero keine Gedanken mehr zu machen. Auch die Okklusion funktioniert – wenn alles lege artis läuft – so gut, dass der Zahnarzt kaum einschleifen muss. Das gilt auch für komplette Quadrantensanierungen.

Welche Rolle spielt die Scanstrategie, vor allem mit Blick auf größere Restaurationen und den Ganzkieferscan?

Baresel:

Eine erhebliche. Ich favorisiere die Scanstrategie des iTero. So lassen sich große prothetische Restaurationen scannen, ohne stückeln, ausschneiden und korrigieren zu müssen.

Wie genau gehen Sie vor?

Baresel:

Die präparierten Zähne werden zunächst einzeln in hoher Auflösung gescannt. Danach werden diese einzelnen Scans in einen Gesamtscan eingerechnet, der die gesamte Kiefersituation inklusive der Präparationen darstellt. Dies bietet den Vorteil, dass man beim Scanvorgang – gerade bei der Präparation mehrerer Pfeiler – sich jedem einzelnen Pfeiler widmen kann und somit die notwendigen Retraktionsmittel erst kurz vor dem Scan entfernen muss.

Andere Scanner können das nicht?

Baresel:

Nein, viele beschränken sich auf die Möglichkeit eines Scans der Gesamtsituation. Wie bei der klassischen Abformung lassen sich mehrere präparierte Zähne kaum gleichzeitig trocken und blutungsfrei halten. Deshalb ist es im Anschluss erforderlich, den Scan durch Ausschneiden und eventuelles Nachscannen der Fehlstellen an den Präparationsgrenzen zu korrigieren. Nicht immer ist die alternativ genannte Möglichkeit eines Scans vor der Präparation mit anschließendem Ausschneiden der präparierten Zähne und dem folgenden Einrechnen der später gescannten Pfeilerzähne ausreichend. Liegen zu viele präparierte Zähne nebeneinander, kann das Einrechnen dieser Präparationen in einen Scan kann zu Ungenauigkeiten führen, da dem Scanner Orientierungswerte beim Matchingprozess fehlen. Somit wiese der Zahnersatz zwar einen guten Randschluss auf, die Restauration könnte allerdings in Okklusion und Approximalkontakten fehlerhaft sein. Der iTero Element eignet sich dagegen aufgrund seiner speziellen Scanstrategie gut zum Scannen von Zahnersatz mit vielen Pfeilerzähnen.

Stichwort Verlaufskontrolle – wie weit ist das im digitalen Workflow gediehen?

Baresel:

Das kann der iTero und sonst wohl noch kein anderer Scanner. Die sogenannte iTero TimeLapse-Technologie zeigt Patienten, wie ihre Zähne sich mit der Zeit bewegen bzw. verändern. Mit dem bloßen Auge sind solche Veränderungen meist nicht zu erkennen.

Gilt das nur für Invisalign-Indikationen?

Baresel:

Nein, die TimeLapse-Technologie ermöglicht es grundsätzlich, die Scans einzelner Patienten zu unterschiedlichen Zeiten zu vergleichen. Am Scanner wählt der Behandler aus, in welchen Situationen er bei welchen Patienten den Verlauf checken möchte. Der iTero legt automatisch die ausgewählten Scans übereinander und zeigt, an welchen Stellen sich was in welchem Ausmaß verändert hat. Für das Patientenmonitoring ist diese Funktion sensationell.

In welchen Fällen nutzen Sie diese Verlaufskontrollen?

Baresel:

Vor allem bei CMD-Patienten und Bruxern, denn es lässt sich exakt erkennen, wie sich die Abrasionen entwickeln und wie sich die Okklusionseinstellung verändert.

Was man nicht sieht, wird nicht gescannt, wie gehen Sie in solchen Fällen in Ihrer Praxis vor?

Hanke:

Wir greifen zu den altbekannten Hilfsmitteln – Faden und Retraktionspaste.

Baresel:

Lässt sich die Präparationsgrenze nicht darstellen, lässt sie sich auch nicht abformen, weder digital noch analog. Man kann nur scannen, was man sehen kann.

Sehnert:

Ein subgingivaler Scan ist in meiner Praxis ohnehin sehr selten notwendig. Sollte eine klinische Situation dies erfordern, sind heutige Scanner – insbesondere der iTero – in der Lage, subgingivale Situationen präzise aufzunehmen, vorausgesetzt, die Schleimhaut‧situation ist stabil und nicht kollabiert. Sollte das nicht der Fall sein, greifen auch wir zum Sulkusfaden oder zur Paste, um eine gut für den Scanner darstellbare Situation zu schaffen.

Baresel:

Weil wir heute deutlich reduzierter präparieren, brauchen wir in zirka 60 Prozent der Fälle nur noch die Retraktionspaste, keine Fäden. Für komplexere Fälle haben wir eine spezielle Technik entwickelt, mit Doppel-Nuller-Retraktionsfäden plus Paste. Das funktioniert wunderbar. In unserer Praxis haben wir eine entsprechende Studie durchgeführt, die in Kürze publiziert wird.

Kommen wir zu dem ewig jungen Thema „offene Systeme“ …

Baresel:

… offene Systeme – das ist so eine allgemeine Phrase in der digitalen Welt. Das ruft jeder so dahin. Was heißt überhaupt offen?

Dass die STL-Daten zur freien Verfügung stehen …

Baresel:

… das halte ich für ganz nett, aber heute für zweitrangig. Denn STL-Daten dürfen nicht übers Netz verschickt werden, es sei denn, sie sind verschlüsselt. Doch darüber muss das Labor dann informiert werden. Es entschlüsselt die Daten und importiert sie in seine Systeme. Ein enormer Aufwand, zeitlich in gut frequentierten Praxen gar nicht zu leisten.

Was heißt für Sie „offen“?Baresel:

Offene Systeme müssen gewährleisten, dass die Daten problemlos und sicher ans Labor gelangen, das den Datensatz dann ohne Extrakosten und ohne zusätzlichen zahnärztlichen Aufwand verarbeitet. Wir benötigen abgestimmte Schnittstellen, damit die einmal eingegebenen Informationen während des Workflows nicht verloren gehen oder immer wieder programmiert werden müssen. Die entsprechende Cloud muss bereitstehen, denn meine Angestellten haben etwas anderes zu tun, als Erläuterungs-E-Mails an die Zahntechniker zu schreiben.

Ist das nicht Standard heute?

Baresel:

Es wird immer mehr Standard, denn die Anbieter haben gelernt, dass der Markt das verlangt.

Sehnert: Die iTero Cloud hat in unserer Praxis die Kommunikationswege und die fehlerfreie Weitergabe der Daten an Fremdlabore enorm beschleunigt.

Das Delegieren der digitalen Abdrücke an das Personal ist das wirtschaftliche A und O des Scannens. Diese Ansicht vertritt zum Beispiel Prof. Dr. Bernd Wöstmann, Gießen. Wie sehen Sie das?

Hanke:

In unserem Haus konzentrieren die Zahnärzte sich nur noch auf das Scannen der präparierten Pfeiler. Den Rest – inklusive einfacher Implantatscans – übernehmen die Zahnmedizinischen Fachangestellten.

Sehnert:

Das Delegieren ist bei uns im QM-System der Zahnarztpraxis hinterlegt, auch für den Scan. Eine Erstdokumentation, eine Verlaufskontrolle und/oder Scans für die Patientenaufklärung erfolgen zumeist in der Prophylaxeabteilung durch die Zahnmedizinische Prophylaxeassistentin im Rahmen der halbjähr‧lichen oder vierteljährlichen Kontrolluntersuchung des Patienten. Die digitale Impression, Dokumentation oder Befundung im Zusammenhang mit restaurativen Arbeiten, chirurgischen oder kieferorthopädischen Maßnahmen übernimmt die ausgebildete CEREC-Assistenz. Sie führt zudem alle Scans zur Weitergabe an Fremdlabore durch.

Bei Ihnen läuft das etwas anders, Herr Dr. Baresel.

Baresel:

Richtig, Schienen, Scans für Aligner, kieferorthopädische Scans, all das übernehmen meine Angestellten. Sobald es aber um Implantate oder Präparationen geht, scanne ich immer selbst.

Warum?

Baresel:

Ganz einfach: Ich brauche für einen Scan einer einzelnen Präparation nicht länger als drei Minuten 50 Sekunden, maximal vier Minuten. Da lohnt es sich nicht, den „Stuhl“ zu verlassen. Denn ich lege die Restauration, scanne den Gegenkiefer, entferne nach dem Scannen des Gegenkiefers die Retraktion, scanne den Stumpf, scanne die Restbezahnung noch einmal, scanne den Biss, das war’s, Nach knapp vier Minuten ist das Ganze abgeschlossen. Dazu kommt: Nur ich weiß, wie die Präparation ausschaut, nur ich sollte das Zahnfleisch verdrängen – denn gerade dabei können massive Schädigungen entstehen – nur ich darf ein Elektrotom oder einen Laser in die Hand nehmen. Das ist berufsrechtlich so vorgeschrieben. Zudem sieht man ab und an beim Ansetzen des Scanners noch kleine Präparationsungenauigkeiten, die einem zuvor sogar mit der Lupenbrille entgangen sind. Diese kann ich bei Bedarf sofort korrigieren. Und es ist nach meiner Auffassung nicht nur meine Aufgabe zu kontrollieren, sondern einen anständigen Scan abzuliefern. Das kann ich selbst am besten, denn ich habe inzwischen mehr als 3000 Scans gemacht.

Ein Blick in die Zukunft: Welche weiteren Tools wünschen Sie sich von der Industrie?

Baresel:

Ich begrüße, dass es bald die iTero Chairside Option geben wird. Gerade in der Herstellung adäquater Provisorien ist dies ein Qualitätssprung. Wünschenswert wäre auch, dass die Kieferrelationsbestimmung in den Scanner integriert wird. Den Scanner nur als digitale Abdruckmaschine einzusetzen, ist zu wenig. Darauf basierende neue Praxiskonzepte müssen sich lohnen.

Die Experten:

Dr. Ingo Baresel

ist niedergelassen in der Gemeinschaftspraxis Dres. Baresel in Cadolzburg. 2014 gründete er mit seinem Bruder und seinem Vater die Gesellschaft für digitale orale Abformung (DGDOA). Kontakt: Ingo.Baresel@t-online.de

Dr. Michael Hanke

studierte Zahnmedizin in Mainz und ist seit 2005 in der Avadent Clinic (rund 20 Zahnmediziner) in Bad Homburg tätig. Er hat sich auf Implantatprothetik und die Funktionslehre spezialisiert. Kontakt: m.hanke@avadent.de

ZÄ Michaela Andrea Sehnert

studierte Zahnmedizin in Greifswald und Leipzig und ist niedergelassen in eigener Praxis in Halle/Saale. Kontakt: sehnert@gesundesweiss.de

ZTM Stephan Marzok

ist zusammen mit ZTM Ralf Kräher-Grube Geschäftsführer der Cuspidus Zahntechnik GmbH in Hamburg, die seit Jahren auf den digitalen Workflow setzt. Kontakt: mail@cuspidus.de

Die Umstellung von analoger auf digitale Abformung schreitet voran. Nach welchen Kriterien sollen Anwender digitaler Abformungstechniken „ihren“ Scanner wählen? Eine Standortbestimmung.

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