49 Prozent wollen weniger arbeiten
Mit rund 46 Millionen Erwerbstätigen hat der Arbeitsmarkt in Deutschland seinen Zenit erreicht – bis 2035 werden ihn pro Werktag mindestens rund 1.000 Beschäftigte altersbedingt verlassen. Gleichzeitig liegt die durchschnittliche wöchentliche Wochenarbeitszeit in Deutschland mit 34,4 Stunden unter dem europäischen Durchschnitt von 36,9 Stunden, schreibt das Job-Netzwerk Xing, in dessen Auftrag das Marktforschungsunternehmen Appinio Beschäftigte in Deutschland und Österreich befragte.
Ergebnis: Obwohl viele Unternehmen Schwierigkeiten haben, ausreichend Arbeits- und Fachkräfte zu finden, sehen generationsübergreifend fast sechs von zehn deutschen Arbeitnehmenden (58 Prozent) keine Notwendigkeit zur Mehrarbeit, um dem drohenden wirtschaftlichen Abschwung entgegenzuwirken. „Meinungsführend sind hier die älteren Generationen Babyboomer und X, die schon länger im Arbeitsleben stehen: Sie sagen zu jeweils 63 Prozent, dass Mehrarbeit nicht nötig sei, während die Millenials (55 Prozent) und GenZ (53 Prozent) die Notwendigkeit deutlich höher einschätzen.“ Diese Meinung schlage sich jedoch nicht auf die eigene Leistungsbereitschaft nieder: Denn fast genauso viele GenZler (53 Prozent) sagen, dass sie gerne weniger Stunden als derzeit arbeiten würden; bei den Millenials sind es die Hälfte (50 Prozent).
Besonders die Generation Z ist unzufrieden
Generationenübergreifend möchten 49 Prozent ihre Arbeitszeit reduzieren. Die Ausnahme bildeten die Babyboomer, bei ihnen sinkt der Anteil auf 37 Prozent. Die Mehrheit von ihnen (57 Prozent) sei darüber hinaus auch weitaus zufriedener mit dem Status quo als die anderen Altersgruppen (Generation X: 42 Prozent; Millenials: 39 Prozent, GenZ: 34 Prozent, generationsübergreifend: 40 Prozent).
„Hier zeigt sich eine klare Schere zwischen den Generationen: Während die überdurchschnittlich leistungsbereiten Babyboomer das Gefühl haben, ihren Teil getan zu haben, aber auch generell weniger Notwendigkeit für eine Anhebung der Arbeitszeit sehen, sind sich die Jüngeren eines drohenden Wohlstandsverlustes deutlich bewusster. Während sie theoretisch anerkennen, dass Mehrarbeit hier als Gegenmittel greift, würden sie es vorziehen, diese nicht selbst leisten zu müssen“, sagt Thomas Kindler, Managing Director von XING.
Beschäftigte spüren den Fachkräftemangel...
Dabei spüren laut Umfrage viele Beschäftigte den Fachkräftemangel schon jetzt am eigenen Leib: Mehr als 40 Prozent geben an, dass ihr Unternehmen Schwierigkeiten habe, passendes Personal zu finden, 30 Prozent berichten von einer erhöhten Arbeitsbelastung und fast genauso viele von schlechter Stimmung und Motivationsproblemen. Laut einem Viertel (24 Prozent) leidet auch die Qualität der Arbeit, von einem erhöhten Stresslevel und Burn-out-Gefahr berichten ebenfalls 24 Prozent.
Nur neun Prozent der Befragten würden gerne mehr arbeiten. Bei denen, die geringfügig oder in Teilzeit beschäftigt sind, erhöht sich der Anteil auf 15 Prozent. Auf die Frage hin, welche Anreize es geben müsste, damit sie freiwillig mehr arbeiten, nennen die befragten Beschäftigten vor allem finanzielle Benefits:
48 Prozent: Bonuszahlungen und Prämien,
40 Prozent: ein höheres Gehalt,
40 Prozent: zusätzliche Urlaubstage sowie
33 Prozent: steuerliche Anreize.
Für mehr Urlaubstage würden die Befragten auch einen Teil ihres Gehalts opfern: 34 Prozent würden sich so mehr Freizeit erkaufen, 21 Prozent können sich vorstellen, für eine bessere Work-Life-Balance finanzielle Einbußen in Kauf zu nehmen.
Grundsätzlich ist rund die Hälfte (52 Prozent) der Beschäftigten mit ihrer Work-Life-Balance zufrieden oder sehr zufrieden. Das gilt für 55 Prozent der Männer und 49 Prozent der Frauen. Als größte Hürden werden dabei gesundheitliche Probleme und Stress (36 Prozent) genannt. Über diese klagen deutlich mehr Frauen (41 Prozent) als Männer (31 Prozent). Dicht darauf folgen fehlende Flexibilität in der Arbeitszeitgestaltung (35 Prozent) und daraus resultierend zu wenig Zeit für Hobbys und Freizeit (35 Prozent).
Laut Kindler zeigen die Ergebnisse, „dass Beschäftigte in Deutschland weniger denn je bereit sind, ihr Privatleben ihrem Job unterzuordnen, es sei denn, die Bedingungen stimmen.“ Unternehmen hätten jedoch wirksame Mittel in der Hand, um den Fachkräftemangel abzufedern. Anreize für Mehrarbeit wie attraktive Vergütungen und Arbeitszeitmodelle mit möglichst viel Flexibilität zahlten auf die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen ein. Kindler: „Hier ist ein Umdenken gefragt – und das besser heute als morgen.“
Die Online-Umfrage im Juli 2024 unter 2.000 volljährigen Angestellten in Deutschland sowie in Österreich (N = 1.000) und der deutschsprachigen Schweiz (N = 500) im Auftrag von XING durchgeführt. Für den XING Arbeitsmarktreport 2024 befragte Appinio im Juli 2024 insgesamt 3.500 Angestellte im Alter von 18 bis 65 Jahren national repräsentativ für das Alter und Geschlecht der jeweiligen Bevölkerung sowie 600 volljährige Personaler und Recruiter in Deutschland, Österreich und der deutschsprachigen Schweiz im Rahmen einer Online-Umfrage.