Humanitäre Lage in der Ukraine

Ärzte befürchten „beispiellose Gesundheitskrise“

LL
Gesellschaft
Ein Jahr nach Kriegsausbruch in der Ukraine ist die Bevölkerung von einer Gesundheitskrise „beispiellosen Ausmaßes“ bedroht, warnt die Organisation Ärzte der Welt.

„Die Schäden an Krankenhäusern und Gesundheitseinrichtungen haben dazu geführt, dass die Versorgung der Bevölkerung oft mangelhaft ist“, sagt Pepe Fernández, der Präsident der spanischen Sektion von Ärzte der Welt. Hinzu kämen Knappheit an Medikamenten und medizinischen Materialien, die zerstörte Infrastruktur und ein Mangel an sicheren Routen für Lieferungen von Hilfsgütern an Kliniken und Arztpraxen. Regelmäßig fallen Stromversorgung, Heizungen und medizinische Geräte aus, heißt es in der Lagebewertung. Dadurch besonders schwer betroffen seien vulnerable Personengruppen wie chronisch Kranke, ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen, an Krebs Erkrankte oder Schwangere. Außerdem beschreibt Ärzte der Welt ein zunehmendes Problem mit „unsichtbaren Wunden“.

Psychische Gesundheit eines der größten Probleme

Die enorme psychische Belastung der Menschen in den attackierten Gebieten sei neben den körperlichen Verletzungen des Krieges inzwischen ein Hauptproblem geworden, berichtet die Organisation. „Psychische Gesundheit ist eines der größten Probleme in der Ukraine, vor allem für Menschen, die bereits mehrfach vertrieben worden sind“, sagt Ukraine-Koordinator Bashar Kailani und gibt ein Beispiel. Zahlreiche Menschen, die im Januar von dem Raketenangriff auf ein Wohnhaus in der Stadt Dnipro betroffen waren, waren zuvor bereits aus der ostukrainischen Oblast Donezk vertrieben worden. „Die Überlebenden des Angriffs mussten mitansehen, wie Menschen, die mit ihnen geflohen waren, ihr Leben verloren. Dabei hatten sie sich gerade einigermaßen sicher gefühlt.“

Ärzte der Welt versorgt mit mobilen Teams Vertriebene und andere Menschen, die sonst keinen ausreichenden Zugang zu Gesundheitsversorgung haben. Zu diesen Teams gehören auch PsychologInnen. Daneben bietet die Organisation psychologische Gruppensitzungen an und schult KrankenpflegerInnen, Hebammen, Sozialarbeitende und andere Fachkräfte zu mentaler Gesundheit, ob dem Problem zu begegnen. Außerdem gibt es eine Telefonhotline für psychische Gesundheit.

Ärzte der Welt ist die Bezeichnung des seit 2000 bestehenden deutschen Zweiges der 1980 gegründeten international tätigen humanitären Hilfsorganisation Médecins du Monde (MdM). Diese sieht ihre Hauptaufgabe in der Unterstützung der Bevölkerung in Krisen- wie zum Beispiel Kriegsgebieten. Die Dokumentation von und Information über Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts ist dabei ausdrücklich wichtiger Teil der Arbeit. In diesem Punkt unterscheidet sich die Tätigkeit von MdM von der strikten Neutralität des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) sowie der gegenwärtigen Praxis der Médecins Sans Frontières (Ärzte ohne Grenzen). Ärzte der Welt unterstützt nach eigenen Angaben aktuell mehr als 120 Gesundheitseinrichtungen und 90 Gemeinschaftsunterkünfte in der Ukraine. So konnte bislang 29.000 Menschen medizinisch und mehr als 800.000 Personen durch Sachspenden geholfen werden.

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