Verbände zum Referentenentwurf

Ärzte fordern sicheren Rechtsrahmen für die Triage

pr
Vor einer Anhörung zum Referentenentwurf über ein Triage-Gesetz bringen sich Verbände in Stellung. Ärzte mahnen bei einem möglichen Mangel an pandemiebedingten Behandlungskapazitäten einen sicheren Rechtsrahmen an.

Kritisch zu dem Referentenentwurf des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) zu einem Triage-Gesetz äußert der Marburger Bund (MB). Im Falle pandemiebedingt nicht ausreichender intensivmedizinischer Behandlungskapazitäten müssten Ärztinnen und Ärzte auf einen sicheren Rechtsrahmen vertrauen können, fordert der Verband in seiner Stellungnahme. Der Entwurf werde diesem Anspruch nicht gerecht.

MB befürwortet auch eine Ex-Post-Triage

Der MB befürwortet in seiner Stellungnahme auch eine Ex-Post-Triage. Diese war in einem ersten Gesetzesentwurf von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zwar zunächst vorgesehen, wurde dann in dem jetzt vorliegenden Entwurf aus ethischen Gründen aber wieder verworfen.

Der MB argumentiert dabei so: In extremen Zeiten einer Pandemie könne der Fall eintreten, dass alle Betten belegt sind, weil die Zahl Erkrankter schnell und stark zunimmt. Ein Ausschluss der Ex-post-Triage könne dazu führen, dass neue Patienten mit ebenfalls schwerwiegenden Erkrankungen, aber höherer Überlebenschance nicht intensivmedizinisch behandelt werden können.

Dieser ‚first come first serve‘-Grundsatz wäre weder ethisch begründbar noch mit der Realität in deutschen Krankenhäusern vereinbar, so der Verband. Es müsse die Möglichkeit geben, beispielsweise einen Patienten, der auch nach langer Beatmungszeit nur noch geringe Überlebenschancen hat, palliativ zu behandeln, wenn ein neu hinzukommender mit besseren Chancen dessen Bett dringend zur nur kurzfristigen intensivmedizinischen Behandlung benötigt.

BÄK: Vulnerable Patienten dürfen weder benachteiligt noch bevorzugt werden

Die Bundesärztekammer (BÄK) fordert in ihrer Stellungnahme deutlichen Nachbesserungsbedarf am Gesetzesentwurf. Die Vorrangigkeit ausreichender Behandlungskapazitäten sei lediglich im Begründungstext kurz aufgegriffen worden. Es bleibe offen, wem die Entscheidung obliegt, ob die gesetzlichen Vorgaben Anwendung finden und wie die Information darüber zu den Krankenhäusern mit Intensivstation übermittelt wird.

Bereits im Normtext müsse zum Ausdruck gebracht werden, dass sich die Regelung ausschließlich auf die pandemiebedingte spezielle Ausnahmesituation beschränkt, die Gegenstand der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts war, betont die BÄK. Allokations- und Priorisierungsentscheidungen seien im Interesse der Rechtssicherheit aller Beteiligten klar zu umschreiben.

Durch den expliziten Ausschluss der Ex-post-Triage käme das Gesetz nur zur Anwendung, wenn zwei Patienten zeitgleich eine intensivmedizinische Behandlung benötigen. Dabei wäre unerheblich, worin die intensivmedizinische Behandlung begründet ist - das heißt, ob sie ihre Ursache beispielsweise in einer Infektionsbehandlung, einer postoperativen Überwachung, einem Unfall, einem Herzinfarkt oder einem Schlaganfall hat. Aus ärztlicher Sicht sei jedoch zwingend, dass insbesondere Menschen mit Behinderungen oder ältere Menschen bei der Entscheidung über die Zuteilung intensivmedizinischer Ressourcen weder benachteiligt noch bevorzugt werden, so die BÄK.

In ihrer gemeinsamen Stellungnahme fordern die Diakonie Deutschland, der Deutsche Evangelische Krankenhausverband und der Bundesverband evangelischer Behindertenhilfe, Menschen mit Behinderungen im Falle einer Pandemie-bedingten Triage nicht zu benachteiligen. Die im Gesetz vorgenommene Klarstellung und die Festlegung der Zuteilungskriterien bei einer Triage werden von den Verbänden als positiv bewertet: Der Gesetzentwurf mache deutlich, dass eine Entscheidung über nicht ausreichende intensivmedizinische Ressourcen nur aufgrund der aktuellen Überlebenswahrscheinlichkeit der betroffenen Patienten vorgenommen werden dürfe.

Ein Notbehelf in einem ethischen Dilemma

Die Gebrechlichkeit, das Alter, das Vorliegen einer Behinderung, die verbleibende Lebenserwartung und die vermeintliche Lebensqualität der Patienten dürften für eine Beurteilung explizit nicht herangezogen werden. Damit folge der Entwurf allein der Maxime, bei knappen Ressourcen so viele Leben wie möglich zu retten, heißt es zustimmend bei den Verbänden. Trotzdem blieben Fragen offen. Der Vorschlag bleibe ein Notbehelf in einem ethischen Dilemma, in dem man nur die Möglichkeit habe, sich für das am wenigsten schlechte Verfahren zu entscheiden.

Dem Vernehmen nach soll das parlamentarische Verfahren zum Gesetz ab September nach der Sommerpause beginnen.

Beschluss des Bundesverfassungsgerichts

Mit dem Thema Triage in der Pandemie hat sich auch der Deutsche Ethikrat bereits mehrfach auseinandergesetzt. So gab es im Jahr 2020 in einer Ad-hoc-Empfehlung eine erste Bewertung zu dem Thema. Im März 2021 erfolgte im Forum Bioethik eine Standortbestimmung zu grundlegenden ethischen und rechtlichen Konflikten, die sich in Triage-Situationen stellen.

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