Ärztliche Berufsordnung kann Testierfreiheit nicht beschränken
Danach dürfen entsprechende Vereinbarungen allerdings nicht sittenwidrig sein. Gänzlich auf einem anderen Blatt stehen zudem berufsrechtliche Konsequenzen, über die der BGH nicht zu entscheiden hatte.
Ein Mann aus Westfalen hatte noch zu Lebzeiten mit seinem Hausarzt sowie einer ihn versorgenden Pflegekraft einen „Betreuungs-, Versorgungs- und Erbvertrag“ geschlossen. Darin verpflichtete sich der Arzt zur Beratung und Behandlung des Patienten, zu Hausbesuchen und Betreuungsleistungen im häuslichen Bereich und zudem zu telefonischer Erreichbarkeit. Im Gegenzug sollte der Arzt ein Grundstück erhalten. Sein weiteres Vermögen hinterließ der Mann testamentarisch der Pflegerin. Nach dem Tod des Mannes Anfang 2018 nahm die Pflegerin allerdings den gesamten Nachlass in ihren Besitz, auch das Grundstück. Der Hausarzt musste bald darauf Insolvenz anmelden.
Testament ist zulässig – aber der Vertrag vielleicht sittenwidrig...
In den Vorinstanzen scheiterte der Insolvenzverwalter mit seiner Klage auf Herausgabe und Übertragung des Grundstücks. Nach der Berufsordnung der Ärztekammer Westfalen-Lippe dürften Ärzte keine Zuwendung ihrer Patienten annehmen. Dagegen verstoße die Vereinbarung, das Vermächtnis sei daher unwirksam.
Der BGH hatte zunächst der Nichtzulassungsbeschwerde des Insolvenzverwalters stattgegeben. Auch seine Revision hatte nun Erfolg. Zur Begründung erklärten die Karlsruher Richter, dass die Berufsordnung nur das Verhalten der Ärzte regelt und regeln kann, nicht das der Patienten. Für diese gelte die Testierfreiheit. Diese sei im Grundgesetz verankert und könne daher nur vom Gesetzgeber begrenzt werden, nicht aber durch Regelungen eines Berufsverbandes.
Der BGH betonte weiter, dass eine Vereinbarung über ein Vermächtnis sittenwidrig seien kann. Das OLG Hamm hatte die Möglichkeit einer Sittenwidrigkeit noch nicht geprüft und soll dies nun noch nachholen. Laut Bürgerlichem Gesetzbuch ist ein Rechtsgeschäft insbesondere dann sittenwidrig und nichtig, wenn „jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen“.
... außerdem sind berufsrechtliche Sanktionen denkbar
Gänzlich offen sind berufsrechtliche Folgen für Ärzte, die ein solches Vermächtnis annehmen. Nach Überzeugung des BGH soll die Berufsordnung hier „die Unabhängigkeit des behandelnden Arztes sowie das Ansehen und die Integrität der Ärzteschaft“ sichern. „Dies kann durch berufsrechtliche Sanktionen von Seiten der Ärztekammer ausreichend sichergestellt werden“, erklärten die Karlsruher Richter.
Denkbar wäre auch, dass als Reaktion auf das Karlsruher Urteil der Gesetzgeber Vermächtnisse an Ärzte und Zahnärzte regelt. Ein entsprechendes, 2006 eingeführtes Verbot für Pflegekräfte gilt allerdings nur für Heime und ihre Mitarbeiter. In dem vom BGH entschiedenen Fall waren sowohl der Arzt als auch die Pflegekraft aufgrund privater Vereinbarungen im Haus der Erblasserin tätig.
Bundesgerichtshof
Az.: IV ZR 93/24
Urteil vom 2. Juli 2025