Ärztliche Schweigepflicht kann aufgehoben werden
Geklagt hatte ein Angestellter, der in der Gepäckabfertigung am Flughafen Frankfurt arbeitete. In den Jahren 2019 und 2020 fiel er insgesamt 110 Tage wegen Krankheit an seiner Arbeitsstelle aus. Im August und September 2020 erkrankte er erneut mehrfach an insgesamt zehn Tagen und erhielt dafür von seinem Arbeitgeber, einer Firma, die Bodendienstleistungen am Flughafen erbringt, keine Lohnfortzahlung. „Sie gehe davon aus, dass bezüglich der Erkrankungen im streitgegenständlichen Zeitraum anrechenbare Vorerkrankungen vorgelegen hätten, die eine Verpflichtung zur weiteren Entgeltfortzahlung ausschlössen“, heißt es in der Urteilsbegründung.
Der Arbeitnehmer muss alle Erkrankungen offenlegen
Der Mann klagte dagegen und legte als Nachweis der neuen Erkrankungen mehrere Erstbescheinigungen vor und erklärte, welche ICD-10-Codes mit welchen korrespondierenden Diagnosen oder Symptomen in den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen aufgeführt gewesen seien. Bezüglich etwaiger Vorerkrankungen machte er Angaben zu Arbeitsunfähigkeitszeiten, die nach seiner Einschätzung auf denselben ICD-10-Codes beziehungsweise Diagnosen oder Symptomen beruhten. Aus Datenschutzgründen, so sein Argument, sei er nicht verpflichtet, sämtliche Erkrankungen aus der davorliegenden Zeit offenzulegen. Zu vorhergehenden Atemwegsinfekten müsse er sich nicht äußern, weil nicht „dieselbe Erkrankung“ vorliegen könne. Hiervon ausgehend sei für keine der Erkrankungen aus August und September 2020 der Sechs-Wochen-Zeitraum ausgeschöpft.
Das Bundesabeitsgericht wies seine Klage jedoch ab. Der Arbeitnehmer müsse alle seine Erkrankungen offenlegen, um zu klären, ob ein weiterer Anspruch auf Lohnfortzahlung besteht. Zu diesem Zweck müssten auch die ihn behandelnden ÄrztInnen von ihrer Schweigepflicht entbunden werden. Den Vorschlag, dass der Arbeitnehmer die Daten nur einem Sachverständigen gegenüber offenlegen solle, lehnte das Gericht ab.
Bundesarbeitsgericht Erfurt
Az.: 5 AZR 93/22
Urteil vom 18. Januar 2023