Studie aus den USA

Ammoniumchlorid: der Geschmack von Salzlakritz

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Zahnmedizin
Eine aktuelle Studie legt nahe, dass neben süß, salzig, sauer, bitter und umami auch Ammoniumchlorid als Grundgeschmack wahrgenommen werden könnte.

Forschende aus den USA haben Hinweise auf einen sechsten Grundgeschmack gefunden. Die Neurowissenschaftlerin Emily Liman und ihr Team fanden heraus, dass die Zunge auf Ammoniumchlorid über denselben Proteinrezeptor reagiert, der auch den sauren Geschmack signalisiert. Ammoniumchlorid ist zum Beispiel in Salzlakritz enthalten.

Wissenschaftler haben seit Jahrzehnten erkannt, dass die Zunge stark auf Ammoniumchlorid reagiert. Trotz umfangreicher Forschungsarbeiten war es jedoch nicht möglich, die spezifischen Zungenrezeptoren zu identifizieren, die darauf reagieren. Liman und das Forschungsteam identifizierten zunächst das Protein, das für die Erkennung des sauren Geschmacks verantwortlich ist. Dieses Protein mit der Bezeichnung OTOP1 sitzt in Zellmembranen und bildet einen Kanal für Wasserstoffionen, die in die Zelle eindringen. Die Wasserstoffionen aus diesen sauren Substanzen gelangen über den OTOP1-Kanal in die Geschmacksrezeptorzellen.

Sie fanden heraus, dass Ammoniumchlorid die Konzentration von Wasserstoffionen in einer Zelle durch OTOP1 beeinflussen kann. „Wir haben gesehen, dass Ammoniumchlorid ein wirklich starker Aktivator des OTOP1-Kanals ist“, so Liman. „Es aktiviert ihn genauso gut oder besser als Säuren.“ Ammoniumchlorid setzt geringe Mengen Ammoniak frei, das sich in der Zelle bewegt und den pH-Wert anhebt, wodurch die Zelle alkalischer wird, was weniger Wasserstoffionen bedeutet. Der pH-Unterschied führt schließlich zu einem Protoneneinstrom durch den OTOP1-Kanal.

Ammoniumchlorid aktiviert OTOP1-Kanal

Um das Ergebnis zu bestätigen, wendeten sie eine Technik an, die die elektrische Leitfähigkeit misst und simuliert, wie Nerven ein Signal leiten. Die Geschmacksknospen von Wildtyp-Mäusen zeigten nach der Zugabe von Ammoniumchlorid einen starken Anstieg der Aktionspotenziale, während die Geschmacksknospen von Mäusen, denen OTOP1 fehlt, nicht auf das Salz reagierten. Dies bestätigte ihre Hypothese, dass OTOP1 auf das Salz reagiert und ein elektrisches Signal in den Geschmacksknospenzellen erzeugt. In einem weiteren Schritt wurde untersucht, wie die Mäuse reagieren, wenn sie die Wahl haben, entweder normales Wasser oder mit Ammoniumchlorid versetztes Wasser zu trinken. Dafür wurden die Bitterzellen ausgeschaltet, die auch für den Geschmack von Ammoniumchlorid verantwortlich sind.

Mäuse mit einem funktionierenden OTOP1-Protein fanden den Geschmack von Ammoniumchlorid unangenehm und tranken die Lösung nicht, während Mäuse ohne das OTOP1-Protein das mit Ammoniumchlorid versetzte Wasser selbst bei sehr hohen Konzentrationen tranken. So konnte gezeigt werden, dass der OTOP1-Kanal für die Verhaltensreaktion auf Ammonium wesentlich ist, erklärt Liman. Darüber hinaus stellten die Wissenschaftler fest, dass der OTOP1-Kanal bei einigen Tierarten empfindlicher auf Ammoniumchlorid zu reagieren scheint als bei anderen Arten. Und auch die menschlichen OTOP1-Kanäle reagierten empfindlich auf Ammoniumchlorid.

Hühner reagieren empfindlicher als Zebrafische

Worin besteht aber der Vorteil, Ammoniumchlorid zu schmecken, und warum ist er evolutionär so konserviert? Liman spekuliert, dass sich die Fähigkeit, Ammoniumchlorid zu schmecken, entwickelt haben könnte, um Organismen zu helfen, den Verzehr schädlicher biologischer Substanzen mit hohen Ammoniumkonzentrationen zu vermeiden. „Ammonium kommt in Abfallprodukten vor – man denke nur an Düngemittel – und ist in gewisser Weise giftig“, erklärt sie, „daher ist es logisch, dass wir Geschmacksmechanismen entwickelt haben, um es zu erkennen. Das OTOP1 von Hühnern reagiert viel empfindlicher auf Ammonium als das von Zebrafischen“.

Liman spekuliert, dass diese Unterschiede möglicherweise auf Unterschiede in den ökologischen Nischen der verschiedenen Tiere zurückzuführen sind. „Fische kommen vielleicht einfach nur mit wenig Ammonium im Wasser in Berührung, während Hühnerställe mit Ammonium gefüllt sind, das gemieden und nicht gefressen werden darf“. Da diese eine Aminosäure über verschiedene Spezies hinweg konserviert ist, muss es außerdem einen Selektionsdruck gegeben haben, um sie beizubehalten, sagt sie. Mit anderen Worten: Die Fähigkeit des OTOP1-Kanals, auf Ammonium zu reagieren, muss für das Überleben der Tiere wichtig gewesen sein.

Sie gibt jedoch zu bedenken, dass es sich hierbei um eine sehr frühe Forschungsarbeit handelt und weitere Studien erforderlich sind, um die Unterschiede zwischen den Arten in Bezug auf die Empfindlichkeit gegenüber Ammonium zu verstehen und um herauszufinden, warum die OTOP1-Kanäle einiger Arten empfindlich und anderer weniger empfindlich auf Ammonium reagieren. In Zukunft wollen die Forscher diese Studien ausweiten, um herauszufinden, ob die Empfindlichkeit gegenüber Ammonium auch bei anderen Mitgliedern der OTOP-Protonenfamilie erhalten bleibt, die in anderen Teilen des Körpers, einschließlich des Verdauungstrakts, vorkommen. Und wer weiß? Vielleicht wird sich Ammoniumchlorid zu den anderen fünf Grundgeschmacksrichtungen gesellen und die offizielle Zahl auf sechs erhöhen.

Liang Z, Wilson CE, Teng B, Kinnamon SC, Liman ER. The proton channel OTOP1 is a sensor for the taste of ammonium chloride. Nat Commun. 2023 Oct 5;14(1):6194. doi: 10.1038/s41467-023-41637-4. PMID: 37798269.

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