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Approbation ohne Kenntnisprüfung

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Eine russische Zahnärztin hat Anspruch auf die deutsche Approbation - ohne Kenntnisprüfung, urteilte das Oberverwaltungsgericht (OVG) NRW. Denn anders als früher ist - bei gleichwertigem Ausbildungsstand - die Ausbildungsdauer aufgrund europarechtlicher Vorgaben kein maßgebliches Kriterium mehr.

In Russland studiert und gearbeitet

In dem vorliegenden Fall absolvierte die 1962 in Russland geborene Klägerin von 1982 bis 1987 ein Studium der Stomatologie (Zahnmedizin) am staatlichen Institut für Medizin Smolensk, das sie als Ärztin für Stomatologie abschloss. Mit der Internatur an der Zahnärztlichen Poliklinik der Stadt Brjansk erwarb sie 1988 die Qualifikation „Zahnarzt-Therapeut".

Ab August 1988 arbeitete sie als angestellte Zahnärztin in der stomatologischen Gebietspoliklinik Brjansk. Von November 1992 bis März 1994 war sie angestellte Zahnärztin in Kleinunternehmen. Von April 1994 bis Juni 1997 war sie selbstständig in einer eigenen Praxis tätig.

In Deutschland fortgebildet und Sprachkurse absolviert

Nach ihrer Einreise in die Bundesrepublik nahm die Klägerin an mehreren Sprachkursen teil, besuchte diverse Fortbildungen und absolvierte ein Praktikum. Auf Grundlage der ihr am 18. Februar 2008 erteilten Berufserlaubnis nach § 13 ZHG war sie in der Zeit von Anfang Mai 2008 bis Ende April 2009 als Zahnärztin in einer  Zahnarztpraxis tätig. Im Anschluss daran hospitierte sie dort weiter bis zum 31. März 2013. Bereits unter dem 13. Juli 2009 beantragte sie bei der Bezirksregierung Köln die Erteilung der Approbation als Zahnärztin.

Den Antrag wies die Approbationsbehörde jedoch aufgrund einer fehlenden Gleichwertigkeit aus der unterschiedlichen Ausbildungsdauer zurück.Laut des von der Bezirksregierung Köln eingeholten Gutachtens sei die Ausbildung der Klägerin nicht gleichwertig, da weiterhin Defizite in den Bereichen Werkstoffkunde, Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten, Zahnärztliche Prothetik, Embryologie und Röntgenologie bestünden. Sie müsse daher zum Nachweis der erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten die sogenannte Kenntnisprüfung absolvieren.

Die Klägerin vertrat die Auffassung, ihr sei wegen der Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes die Approbation als Zahnärztin  zu erteilen.

OVG NRW:  Approbation ist zwingend zu erteilen - ohne Kenntnisprüfung

Das Oberverwaltungsgericht NRW bejahte nun in zweiter Instanz ihren Anspruch auf Erteilung der Approbation nach § 2 Abs. 3.Die Richter führten dabei aus, dass Antragstellern mit einem Ausbildungsnachweis aus einem „Drittland“ bei gleichwertigem Ausbildungsstand die Approbation ohne Kenntnisprüfung zwingend zu erteilen ist. Die Ausbildungsdauer sei als maßgebliches Kriterium bewusst aus der Regelung gestrichen worden.Mit Blick auf die umfangreiche berufliche Erfahrung der Klägerin sei kein Grund ersichtlich, aus dem eine Gleichwertigkeit des Ausbildungsstands im Vergleich zu approbierten Zahnärzten mit absolvierter Ausbildung in Deutschland verneint werden könne.

Warum der Klägerin der Anspruch auf Erteilung einer Approbation als Zahnärztin nach § 113 Abs. 5 VwGO) zusteht, begründen die Richter wie folgt:.

  • Gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 ZHG ist Antragstellern, die über einen Ausbildungsnachweis für die Ausübung des zahnärztlichen Berufs verfügen, der in einem Drittland ausgestellt ist, die Approbation zu erteilen, wenn die Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes gegeben ist, also wenn die Ausbildung keine wesentlichen Unterschiede gegenüber der hiesigen Ausbildung aufweist, die in diesem Gesetz und in der Rechtsverordnung nach § 3 Abs. 1 geregelt ist.

  • Wesentliche Unterschiede liegen vor, wenn 1. die Ausbildung hinsichtlich der beruflichen Tätigkeit Fächer umfasst, die sich sehr von der deutschen Ausbildung unterscheiden, oder 2. der Beruf des Zahnarztes eine oder mehrere reglementierte Tätigkeiten umfasst, die in dem Staat, der den Ausbildungsnachweis ausgestellt hat, nicht Bestandteil des Berufs des Zahnarztes sind, und die deutsche Ausbildung Fächer umfasst, die sich wesentlich von denen unterscheiden, die von dem Ausbildungsnachweis der Antragsteller abgedeckt werden.

  • Wesentliche Unterschiede können ganz oder teilweise durch Kenntnisse und Fähigkeiten ausgeglichen werden, die die Antragsteller im Rahmen ihrer zahnärztlichen Berufspraxis in Voll- oder Teilzeit oder durch lebenslanges Lernen erworben haben, sofern diese von einer dafür in dem Staat zuständigen Stelle formell als gültig anerkannt wurden; dabei ist nicht entscheidend, in welchem Staat diese Kenntnisse und Fähigkeiten erworben worden sind.

  • Die Regelung berücksichtigt, dass der Begriff der „wesentlichen Unterschiede“ neu definiert und insbesondere die Ausbildungsdauer nicht mehr als Kriterium vorgesehen ist.Der Verzicht auf die Ausbildungsdauer als Kriterium bezieht sich sowohl auf die Ausbildung als solche als auch auf das einzelne Fach (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 3 ZHG a.F.: Wesentliche Unterschiede liegen vor, wenn 1. die von den Antragstellern nachgewieseneAusbildungsdauermindestens ein Jahr unter der in diesem Gesetz geregelten Ausbildungsdauer liegt, § 2 Abs. 2 Satz 4 ZHG a.F: Fächer unterscheiden sich wesentlich, wenn deren Kenntnis eine wesentliche Voraussetzung für die Ausübung des Berufs ist und die Ausbildung der Antragsteller gegenüber der deutschen Ausbildung bedeutende Abweichungen hinsichtlichDaueroder Inhalt aufweist).

  • Die Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes ist deshalb anhand des Inhalts der Ausbildung, mithin der Ausbildungsgegenstände, zu bemessen. Hierbei kommt auch der Wirksamkeit ihrer Vermittlung Bedeutung zu. Für letztere kann die Ausbildungsdauer weiterhin ein bedeutendes, wenn auch nicht das einzige Indiz sein.

  • Die gesetzliche Neuregelung gilt für Ausländer, die - wie die Klägerin - ihre zahnärztliche Ausbildung in einem Drittland absolviert haben und ihre erstmalige Anerkennung im Bundesgebiet beantragen.

Im Falle der Klägerin kamen die Richter zu der Überzeugung, dass sie ein etwaig bestehendes ausbildungsrelevantes Defizit im Fach Zahnersatzkunde durch Berufserfahrung und „lebenslanges Lernen“ ausgeräumt hat. Damit sei "von einem gleichwertigen Ausbildungsstand auszugehen", es bestehe auch im Übrigen "kein Anlass zur Annahme, es fehle an den für die Erteilung der Approbation im Übrigen erforderlichen Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 1 ZHG", weshalb die Approbation zu erteilen sei. Eine Revision ist nicht zuzulassen.

Oberverwaltungsgericht NRWAz.: 13 A 897/15 Entscheidungsdatum:Urteil vom 11. Juli 2016

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