Bayern: Sechsmal mehr Kinder infiziert als gemeldet
Bei diesem neuen Ansatz gilt das Testergebnis erst dann als Antikörper-positiv, wenn sowohl gegen die Rezeptor-Bindungsdomäne als auch gegen Nukleokapsid-Proteine des Virus positiv getestet wurde. Dieser zweistufige und zweifach-positive Ansatz führt zu besonders genauen Ergebnissen mit einer Spezifität von 100 Prozent und einer Sensitivität von mehr als 95 Prozent, teilt das Helmholtz Zentrum München mit.
Da die Forscher bereits eine große bayernweit angelegte Bevölkerungsstudie namens „Fr1da“ zur Früherkennung von präsymptomatischem Typ-1-Diabetes bei Kindern durchgeführt hatten, konnten sie schnell und einfach die bestehende Test-Infrastruktur um den neuen Ansatz für SARS-CoV-2-Antikörper erweitern.
Übertragungsrate ist höher als in Studien beschrieben
Zwischen Januar 2020 und Juli 2020 untersuchten sie dazu knapp 12.000 Blutproben von Kindern in Bayern im Alter zwischen 1 und 18 Jahren (Teilnehmende der Fr1da-Studie) auf SARS-CoV-2-Antikörper.
Ergebnis: Zwischen April und Juli wiesen im Schnitt 0,87 Prozent der Kinder Antikörper auf (zweifach-positiv). Im Vergleich zu den vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Ernährung gemeldeten Fällen bayerischer Kinder (zwischen 0 und 18 Jahren), die zwischen April und Juli positiv auf das Virus getestet wurden, fiel die Antikörperhäufigkeit damit sechsmal höher aus.
Die Ergebnisse machten keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern sichtbar. Knapp die Hälfte (47 Prozent) der Kinder mit Antikörpern waren asymptomatisch. Rund ein Drittel (35 Prozent) der Kinder, die mit einem auf das Virus positiv getestetem Familienmitglied zusammenlebten, wiesen Antikörper auf. Dies deutet auf eine höhere Übertragungsrate hin als in bisherigen Studien beschrieben. Zudem zeigten die Ergebnisse innerhalb Bayerns deutliche geografische Unterschiede („Hot-Spots“). Am meisten positive Antikörpertests gab es im Süden Bayerns.
COVID-19 und Typ-1-Diabetes: bei Kindern nicht assoziiert
Darüber hinaus wurden die Kinder auch auf Typ-1-Diabetes-Autoantikörper getestet. Diese dienen als Früherkennungsmerkmal für präsymptomatischen Typ-1-Diabetes. Die Wissenschaftler konnten keine Zunahme dieser Antikörper feststellen. Dies lässt darauf schließen, dass COVID-19 und Typ-1-Diabetes bei Kindern nicht miteinander assoziiert sind.
„Unsere Studie liefert wichtige Ergebnisse, die die Diskrepanz zwischen gemeldeten Virusinfektionen und Antikörperaufkommen offenlegen“, sagt Markus Hippich, Erstautor der Studie und Postdoc am Helmholtz Zentrum München. „Da viele Personen, bei Kindern knapp die Hälfte, keine COVID-19-typischen Symptome entwickeln, werden sie nicht getestet. Um verlässliche Daten über die Ausbreitung des Virus zu bekommen, reicht es also nicht aus, nur auf das Virus selbst zu testen.“
Studienleiterin Prof. Anette-G. Ziegler ergänzt: „Nationale Programme, die mit hoher Spezifität und Sensitivität auf Antikörper testen, könnten den Ländern zuverlässige Daten liefern, um sich auf die Zukunft vorzubereiten. Sie könnten ihnen dabei helfen, die Ausbreitung des Virus einzudämmen und die Auswirkungen regionaler und landesweiter COVID-19-Maßnahmen zu überprüfen.“
Ergebnisse könnten Immunitätslage bei Kinder offenlegen
Die Autoren weisen darauf hin, dass Antikörper gegen SARS-CoV-2 erst nach einer bis vier Wochen nachweisbar sind und die Messwerte deshalb nicht dafür genutzt werden können, um Aussagen über das aktuelle Infektionsgeschehen zu treffen. Bisher gebe es keine Belege dafür, dass SARS-CoV-2-Antikörper zu einer Immunität gegen das Virus führen. Falls dies jedoch belegt werden sollte, könnten die Ergebnisse wichtige Informationen zur Immunitätslage der Kinder liefern.