Beamte in die GKV? Die Pläne stoßen auf geteiltes Echo
Zwar könnten Beamte zu Beginn ihrer Laufbahn frei zwischen PKV und GKV entscheiden, so die Linksfraktion in der Begründung zu ihrem Antrag. Tatsächlich seien sie aber "faktisch gezwungen, die PKV zu wählen, da ihnen sonst unverhältnismäßige finanzielle Nachteile" erwüchsen. Hintergrund dessen sei, dass die den Beamten zustehenden Beihilfeansprüche nicht für Beiträge an die GKV geltend gemacht werden könnten. Sind sie in der GKV, müssten sie den vollen Beitragssatz allein tragen.
Für eine Öffnung der GKV für Beamte sprach sich Prof. Karl-Jürgen Bieback von der Universität Hamburg aus. Da ein nicht geringer Teil der Beamten Mitglied in der GKV sei, obwohl die Beamten die Beiträge selbst tragen müssten und die Beihilfe kaum noch beanspruchen könnten, sei aus Sicht eine Öffnung notwendig. Diese könne der Dienstherr über ein Modell selbst regeln, das gegenwärtig bereits in Hamburg ("Hamburger Modell") umgesetzt werde. Bei allen anderen Modellen gehe das nur in Kooperation von Bund und Ländern. Die Öffnung würde unter dem Aspekt der Fürsorgepflicht des Dienstherrn die Vorsorge der Beamten gegen Krankheit verbessern. Sozialrechtlich sollte sichergestellt werden, dass die Beamten dann Pflichtmitglieder der GKV sind, sagte Bieback.
Mehr Wahlfreiheit und Selbstbestimmung in der Krankenversicherung sieht Stefan Etgeton, Bertelsmann-Stiftung. Derzeit sei die Wahl einer gesetzlichen Vollversicherung mit erheblichen finanziellen Mehrbelastungen und dem weitgehenden Verzicht auf Beihilfeleistungen verbunden. Darum mache bundesweit nur etwa ein Zehntel der Beamten von der Möglichkeit Gebrauch, sich gesetzlich zu versichern. Gerade für Beamte in den unteren Besoldungsgruppen kann die Wahl einer gesetzlichen Krankenversicherung durch die dort einkommensbezogen erhobenen Beiträge ein Weg sein, sich vor einer Überlastung durch Krankenversicherungsbeiträge insbesondere im Alter zu schützen, argumentierte Edgeton weiter.
Die Wahloption wäre als sozialer Fortschritt zu sehen.Außerdem würde so die Attraktivität des Bundes als Dienstherr gesteigert. Was die Folgen eine Neujustierung für die öffentlichen Haushalte angeht, so seien zwar kurzfristig Mehrkosten zu erwarten. Mittelfristig würde sich dies aber im Saldo positiv auswirken, zeigte er sich überzeugt.
Skeptisch zeigte sich Prof. Christian Hagist von der WHU - Otto Beisheim School of Management. Die Effekte einer solchen Reform wären nach seiner Auffassung eher gering. Es könnten auch Nachteile für die GKV entstehen. Während sich Beamte bisher fast immer für die PKV entschieden haben, würde der vorliegende Antrag neue Anreize für Gruppen mit niedrigem Einkommen, hoher Morbidität und/oder mitversicherten Familienmitgliedern schaffen, sich gesetzlich zu versichern, argumentierte Hagist weiter. Dagegen würden sich Haushalte mit hohem Einkommen und Kinderlose weiterhin überwiegend in der PKV besserstellen. Somit könnte die bisher recht homogene privat versicherte Beamtengruppe von einer verstärkten Risikostreuung erfasst werden.Die Beihilfekosten des Staates und die Beiträge bei der PKV würden vermutlich sinken, so Hagist.
Sehr kritisch äußerte sich Friedhelm Schäfer vom DBB Beamtenbund und Tarifunion. Die Idee der pauschalen Beihilfe sollte weder in Bund noch in den Ländern weiterverfolgt werden, weil dies zu Rechtsunsicherheiten, zu Irritationen und zu einem höheren Mittelbedarf führe, statt zu Berufsattraktivität und Gerechtigkeit.
Das Ziel, für wenige Einzelfälle positive Auswirkungen zu realisieren statt die Mittel für Verbesserungen für alle Beamten und Versorgungsempfänger zu verwenden, dürfe nicht durch eine Maßnahme vorangetrieben werden, die letztendlich große Probleme für alle provoziert und geeignet ist, eine schleichende Erosion etablierter Systeme – nämlich der Beihilfe, der freien Heilfürsorge und letztendlich des Berufsbeamtentums – einzuleiten. Aus guten Gründen habe der dbb 2017 eindeutig beschlossen, das System der pauschalen Beihilfe („Hamburger Modell“) oder die Pläne hin zu Einheitsversicherungen abzulehnen. Schäfer: „Letztendlich muss es gelten, beide Systeme in ihrer Leistungsfähigkeit und in ihrer sozialen Gerechtigkeit zu erhalten und weiterzuentwickeln.“
Olaf Schwede vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) bewertete das anders. Es sei richtig, die bestehende Benachteiligung von Beamten, die sich schon bisher freiwillig in der GKV versichert haben, zu beenden, sagte er. Die Gewährung einer pauschalen Beihilfe sei ein Beitrag zur Gleichbehandlung. Nötig sei aber eine gesetzliche Regelung statt, wie geplant, eine Regelung im Rahmen der Bundesbeihilfeverordnung. Schwede machte weiterhin deutlich, dass auch bei einer bundesweiten Einführung des "Hamburger Modells" keine Belastung für die GKV zu erwarten sei. Im Vergleich zu normalen Versicherten seien schließlich auch Beamte in niedrigen Besoldungsgruppen potentiell gute Beitragszahler. So bestehe beispielsweise kein Risiko von Beitragsausfällen. Selbst bei längeren Erkrankungen würden weiter Beiträge gezahlt, da die Beamten weiterhin Besoldung erhielten, sagte der DGB-Vertreter.
Mit Verweis auf die Ablehnung der Initiative der Linksfraktion durch den Beamtenbund betonte Prof. Gregor Thüsing von der Universität Bonn: "Dieser Vorschlag ist mit Einschränkungen nicht sinnvoll, denn es sprechen keine hinreichend gewichtigen Gründe für eine Abkehr vom bislang gewählten Modell des Beihilfensystems gerade im Wege der Erleichterung des Zugangs zur gesetzlichen Krankenversicherung für Beamtinnen und Beamte." Es handele sich um eine geplante Regelung, die keiner fordere und die keiner haben müsse.
Es fehle also an "guten Gründen", dieses verfassungsrechtlich zumindest umstrittene Vorhaben umzusetzen. Um Beamte mit geringen Einkommen und Familien finanziell zu entlasten seien andere Wege möglich, wie etwa die Anhebung der unteren Vergütungsgruppen sowie die Erhöhung der Familienzuschläge, die es im Beamtentum gebe. Für das Projekt Bürgerversicherung sollte man die Beamtenschaft jedoch nicht vereinnahmen, erklärte Thüsing.