Urteil des Bundesgerichtshofs Karlsruhe

BGH hebt Urteil zu tödlicher Zahnbehandlung unter Vollnarkose auf

Martin Wortmann
Praxis
Die Zahnsanierung eines 18-Jährigen unter Vollnarkose in Hamburg endete 2016 tödlich. Nach einem heute bekanntgegebenen Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom Vortag muss die beteiligte Zahnärztin nun doch noch mit einer Strafe rechnen.

Ihren Freispruch durch das Landgericht Hamburg hoben die Karlsruher Richter auf. Danach kann der zu einer Bewährungsstrafe verurteilte Anästhesist auf eine geringere Strafe hoffen.

Der damals 18-jährige Patient hatte große Angst vor einer Zahnbehandlung. Trotz mehrerer defekter Zähne und großer Schmerzen hatte er sich jahrelang nicht behandeln lassen. Lachgas und Hypnose lehnte er ab, nur auf eine Behandlung unter Vollnarkose ließ er sich im Mai 2016 ein. „Er wollte während der Behandlung schlafen, er wollte nichts mitbekommen“, so jedenfalls die Zahnärztin.

Allerdings hatte der Patient auch eine umfassende Voruntersuchung nicht zugelassen. So stellte sich erst während der Behandlung heraus, dass die zunächst auf acht Stunden angesetzte Narkosedauer nicht reicht. Nach achteinhalb Stunden fiel die Sauerstoffsättigung ab, nach gut neun Stunden setzten die Ärzte einen Notruf ab. Der 18-Jährige starb kurz danach im Krankenhaus an einem Lungenödem.

Im April 2024 sahen sich Zahnärztin und Anästhesist vor dem Landgericht Hamburg wieder. Die Staatsanwaltschaft warf ihnen dort gemeinschaftliche Körperverletzung mit Todesfolge vor. Der Patient sei nicht ausreichend aufgeklärt, die Narkose nicht sachgemäße durchführt und der Rettungsdienst zu spät alarmiert worden.

Das Landgericht muss nochmals verhandeln und prüfen

Das Landgericht Hamburg sah die Schuld hierfür allein bei dem Anästhesisten. Ihn verurteilte es im Juli 2024 wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die Zahnärztin sprach das Landgericht dagegen frei; sie habe auf die Fachkenntnis des Anästhesisten vertrauen dürfen.

Nach dem BGH-Urteil muss das Landgericht darüber nun nochmals verhandeln. Den Freispruch für die Zahnärztin hoben die Karlsruher Richter auf. Ihr habe klar sein müssen, dass die Dauer der Behandlung und damit auch der Narkose eigentlich gar nicht absehbar waren. Zudem habe das Landgericht nicht geprüft, ob sie den Anästhesisten ausreichend über den Fortgang der Behandlung und die voraussichtlich noch notwendige Narkosedauer informiert habe.

Für den Anästhesisten bestätigte der BGH den Schuldspruch, hob aber das Strafmaß auf. Grund ist, dass das Landgericht einen sogenannten Verbotsirrtum für möglich gehalten hatte. Das bedeutet, dass der Arzt sich über die bei einer so langen Narkose auch bei einem 18-Jährigen steigenden Risiken möglicherweise nicht bewusst war. Bei der Festsetzung der Strafe habe das Landgericht dies aber ohne weitere Erörterung nicht berücksichtigt. Daher muss das Landgericht auch dies nochmals neu prüfen.

Bundesgerichtshof
Az.: 5 StR 55/25
Urteil vom 13. August 2025

Landgericht Hamburg
Az.: 602 Ks 2/23
Urteil vom 12. Juli 2024

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