BIPAM zwischen Zustimmung und Kritik
Die geplante neue Bundesbehörde mit dem Namen BIPAM soll sich für die Vermeidung nicht übertragbarer Erkrankungen wie Krebs, Demenz oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen einsetzen und geeignete Präventionsmaßnahmen entwickeln. Außerdem soll es den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) sowie Stakeholder aus Politik, Wissenschaft und Praxis besser miteinander vernetzen.
Nicht nur das individuelle Verhalten zählt
Vom Koalitionspartner Bündnis 90/Die Grünen kam grundsätzlich Zustimmung für die Gründung der neuen Bundesbehörde. Dabei sei essenziell, dass sie nicht nur das individuelle Gesundheitsverhalten adressiere, sondern insbesondere auch die Änderung der Lebensverhältnisse in den Fokus nehme, damit alle Bürgerinnen und Bürger gesund aufwachsen, leben und alt werden könnten. „Dem Bundesinstitut sollte zudem eine zentrale Rolle zukommen, um die Menschen vor den gesundheitlichen Folgen der Klimakrise zu schützen. Ein Beispiel sind Hitzewellen“, betonte Johannes Wagner, Mitglied im Gesundheitsausschuss des Bundestags.
Der Grünen-Politiker fügte hinzu, dass das BIPAM die Verfügbarkeit von Gesundheitsdaten verbessern solle: „Dazu ist es nicht nötig, Daten zentral zu hamstern, sondern Schnittstellen zu schaffen und Daten besser nutzbar zu machen, um sinnvolle Maßnahmen für die Öffentliche Gesundheit abzuleiten.“ Das müsse beim Aufbau des Bundesinstituts berücksichtigt werden.
Bloß kein „Besserwisser-Institut“ schaffen
Am Mittwoch hatte Lauterbach einige Personalien bekanntgegeben und Prof. Lars Schaade als neuen Leiter des Robert Koch-Instituts (RKI) bestätigt. Andrew Ullmann, gesundheitspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, merkte dazu an, dass für so eine wichtige Position üblicherweise eine Ausschreibung stattfinde. „Das wäre wahrscheinlich der bessere Weg gewesen“, so Ullmann.
Das BIPAM sieht er fachlich als „richtigen Ansatz“, um die Lücke in der Prävention der nicht übertragbaren Krankheiten zu schließen. Allerdings müsse man sich innerhalb der Koalition bei der konkreten Ausgestaltung noch einigen. „Wir müssen darauf achten, dass eine gewisse Unabhängigkeit der nachgeordneten Behörden gegeben ist und dass keine zusätzlichen Kosten entstehen. Zudem müssen wir darauf achten, dass konkrete Gesundheitsvorsorge vor Ort gemacht wird und damit hauptsächlich bei den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten. Das BIPAM darf auf keinen Fall ein Besserwisser-Institut werden, das an der Realität der Bürgerinnen und Bürger vorbeigeht und die Ärztinnen und Ärzte vor Ort nicht einbezieht”, so der FDP-Politiker.
Das neue Institut ist nicht agil genug
Der Bundesverband Managed Care (BMC) sieht Konstruktionsfehler beim neuen Präventions-Institut. Was man brauche, sei ein agiles Institut. „Die Zusammenarbeit mit Gesundheitsämtern, dem RKI, dem IQWiG oder Sozialleistungsträgern gelingt nicht aus einer schwerfälligen Bundesbehörde heraus, die weder flexibel aktuelle Fragen aufgreifen kann, noch einen Praxisbezug oder Verbindungen zur Versorgung aufweist“, sagte der BMC-Vorstandsvorsitzende Prof. Dr. Lutz Hager. Der Fokus auf Aufklärung in der Medizin lasse außerdem befürchten, dass gesundheitsrelevante Bereiche wie Pflege, Bildung, Ernährung oder Umweltfaktoren – Kernthemen von Public Health – ausgeblendet würden.
Den Faktor Umwelt und Klima mitdenken
Das Centre for Planetary Health Policy, ein Thinktank im Bereich wissenschaftliche Gesundheitsberatung, kritisierte ebenfalls die „offenbar vorrangig biomedizinische Ausrichtung“ des BIPAM. „Allen Akteurinnen und Akteuren im Bereich öffentlicher Gesundheit ist heute klar, dass es die Lebensbedingungen von Menschen sind, die ihre Gesundheit und ihr gesundheitsbezogenes Verhalten maßgeblich beeinflussen“, kommentierte Katharina Wabnitz, Expertin für Gesundheitsförderung und Prävention am Centre for Planetary Health Policy. „Ohne strukturelle Veränderungen der Lebensumstände kann Vermittlung von Gesundheitskompetenzen und Wissen zur Vermeidung und Reduktion von Krankheit nur bedingt beitragen. Das neue Institut sollte entsprechend unbedingt über reine Verhaltensprävention hinausgehen.“
Auch Thomas Moormann, Leiter Gesundheit und Pflege beim Verbraucherzentrale Bundesverband, wies darauf hin, dass über Gesundheit nicht nur das individuelle Verhalten eines Menschen entscheidet. Deutschland brauche keine „Schwerpunktsetzung auf individuelle Gesundheitsrisiken, medizinische und Verhaltensprävention“, schrieb er auf X, vormals Twitter. „Gesundheit entsteht überwiegend nicht im Gesundheitswesen, das zeigt uns nicht zuletzt die Klimakrise.“