Blöde Albträume
Erst nahm im Reich der Mitte ein Roboterarm seine autonome Implantationstätigkeit auf, dann vermeldeten die Chinesen erste Erfolge bei der Entwicklung eines Impfstoffs gegen Karies und einer Ihrer besonders geschäftstüchtigen Kollegen begann mit dem europaweiten Vertrieb eines Schwarzkümmelgels, das Parodontitis heilen soll.
Ich war wirklich besorgt. Aber dann habe ich einen Gründer-Kongress besucht. „Immer locker bleiben, die Kohle kommt von ganz allein“, „Mach Dein Ding! Vertrau auf Deine Stärken, anstatt an Deinen Schwächen herumzudoktern“ und „Respect yourself“ lauteten die drei wichtigsten Botschaften, die mir und den übrigen Anwesenden zwei Tage in den Kopf gebimst wurden. Das tut gut. Um die Jungmediziner abzuholen und die Glaubwürdigkeit der Botschaften zu festigen, traten die Experten wahlweise in leuchtend bunten Turnschuhen mit farblich passendem Einstecktuch auf oder präsentierten ihre großflächigen Unterarm-Tattoos.
Nun gut, der Impfstoff funktionierte ja bisher nur im Mäuseversuch, denke ich, als ich nach einem Schlummifix ins Hotelbett sinke. Eine Stunde später schrecke ich aber schweißnass hoch, als ich eine extrem zahngesunde Ratte an meinem Fußende wähne. Was, denke ich, wenn der Eingriff in der Provinz Shaanxi gegen die Deklaration von Helsinki verstößt und die ach so freiwillige Patientin keine solche war?
Damit nicht 400 Millionen Chinesen mit Implantationsbedarf in einem weiteren Albtraum durch die umfunktionierten Produktionsstraßen von VW marschieren, krame ich in meinem Kopf nach einem positiven Anker und finde das einprägsamste Zitat des Tages, das ich von einem Nachbartisch aufschnappte. Die Protagonisten: ein Finanzberater, ein junger Zahnarzt und dessen Sorge um eine Kreditzinsbindung, die auch „wirklich lang genug“ ist. „Ach, zehn Jahre sind schon okay“, erklärt der Berater ohne einen spürbaren Anflug von Zweifel. Und weiter: „In Zeiten von Trump und Kim Jong würde ich nicht einmal auf zehn Jahre wetten. Vielleicht auf eins – oder zwei.“ Wirklich beruhigend.