Eröffnung zum Hauptstadtkongress

Botschaften für eine Welt im Umbruch

pr
Drei Krisen - Corona, Krieg und Klima –bestimmen die Diskussionen auf dem diesjährigen Hauptstadtkongress, der gestern in Berlin eröffnet wurde. Doch was macht der Dauerkrisenmodus mit dem Gesundheitswesen? Resilienz und klare Strategien seien erforderlich, so der Tenor.

„Wir haben momentan drei Krisen zu bewältigen: Die Corona-Krise, die Klima-Krise und den Krieg in der Ukraine”, sagte Kongresspräsident Prof. Dr. Karl Einhäupl zum Auftakt des dreitägigen Hauptstadtkongresses gestern im Berliner Hub 27. Das größte Treffen der Gesundheitsbranche fand – nach zwei Jahren Pandemie – mit rund 4.000 Anmeldungen erstmals wieder in Präsenz statt. Alle drei Krisen forderten das Gesundheitssystem auf besondere Weise heraus, sagte er. Für die Corona-Krise setze er künftig auf „klare Strategien”, um eine erneute Ausbreitung gut managen zu können. „Denn”, so seine Prognose, „aufgrund zahlreicher Mutationen des Virus werden wir einen schwierigen Herbst erleben.”

Die Gesundheitssysteme besser auf Gefahren vorbereiten

„Wie schaffen wir es, der künftigen Genration eine hochwertige Gesundheitsversorgung zu erhalten?”, fragte Lauterbach. Er war wegen der gleichzeitig stattfindenden Gesundheitsministerkonferenz (GMK) in Magdeburg per Videobotschaft zugeschaltet. Der Minister nannte drei Punkte: Gemeinsam agieren, langfristig Strukturen verbessern und als Lehre aus der Pandemie die Gesundheitssysteme besser auf Gesundheitsgefahren vorbereiten. Wissenschaftliche Erkenntnisse müssten stärker in der Politik gehört werden, forderte er. Der Corona-Expertenrat der Bundesregierung sei dafür ein Beispiel.

Lauterbach kündigte weiter an, die Krankenhausversorgung künftig bedarfsgerechter zu gestalten, indem Leistungen womöglich stärker ambulant eingebracht werden sollen. Außerdem werde eine praxistaugliche elektronische Patientenakte (mit einer Opt-out-Lösung für die Patienten) fester Bestandteil einer neuen Digitalisierungsstrategie sein. Ferner gehe es auch um langfristig attraktive Arbeitsbedingungen in den Gesundheitsberufen, vor allem in der Pflege. Für die GKV-Finanzierung kündigte der Minister ein Maßnahmenpaket der Ampelkoalition an.

In Bezug auf den Krieg in der Ukraine sagte Lauterbach, dass Deutschland dem Land von Anfang an auch auf Gesundheitsebene Unterstützung biete. So würde bereits durch die Lieferung hochwertiger Prothesen und beim Aufbau von Traumazentren Hilfe geleistet. Zudem würden Schwerstverletzte in deutschen Krankenhäusern versorgt.

Emotionale Videobotschaft aus der Ukraine

Der ukrainische Gesundheitsminister Viktor Liashko appellierte in einer emotionalen Videobotschaft: „Wir brauchen die Unterstützung und die Partnerschaft Deutschlands.” Mehr als 700 medizinische Einrichtungen seien bis heute in der Ukraine angegriffen worden, 115 davon komplett zerstört. In vielen Gebieten gebe es keinen Zugang zu medizinischer Versorgung. Deutschland sei bereits sehr engagiert und könne der Ukraine weiterhelfen, etwa durch Material oder durch Zugang zu Technologie, so Liashko weiter.

Staatliche Resilienz stehe durch die drei Krisen Corona, Krieg und Klima auf dem Prüfstand, erklärte Brigadegeneral Dr. Christian Freuding, Leiter des Lagezentrums Ukraine im Bundesministerium der Verteidigung in seiner Videobotschaft. Nie in der Geschichte der Bundesrepublik sei diese Frage so sehr mit der Frage nach einsatzbereiten und kriegstauglichen Streitkräften verbunden wie in jetzt, wo der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine die Friedensordnung in Europa zerstöre. Die gezielte Zerstörung der Gesundheitsinfrastruktur gerate hier zur Waffe, sagte er. Allerdings seien in Deutschland auch Strukturen staatlicher Resilienz in den vergangenen 30 Jahren reduziert und vielleicht sogar vernachlässigt worden, so der Brigadegeneral. Man habe auf die Tragfähigkeit der Friedensordnung gesetzt. Das gelte für die Streitkräftestrukturen wie auch für die Strukturen des zivilen Katastrophenschutzes.

bedarf ist bei allgemeiner medizinischer Versorgung am gröẞten

Krieg, Klima und Krankheiten hängen eng zusammen – das machte die Ärztin Dr. Amy Neumann-Volmer, Vorstandsvorsitzende der Sektion Deutschland von Ärzte ohne Grenzen (MSF), deutlich. Mit Beginn des Krieges habe die Organisation ihre bereits vorhandenen Aktivitäten im Land jetzt auf den Notfallmodus umgestellt. Erfahrene Teams hätten medizinisches Material ins Land geliefert und Eisenbahnwaggons zu mobilen Versorgungseinrichtungen umgerüstet. Doch der größte Hilfsbedarf liege nicht im Bereich der Kriegschirurgie, sondern betreffe die allgemeine medizinische Versorgung. Vor allem chronisch kranke Menschen, die nicht fliehen können oder wollen, seien auf Hilfe angewiesen, sagte die Ärztin. Auch der Bedarf an psychologischer Betreuung sei sehr groß.

Der Ukrainekrieg habe inzwischen auch Auswirkungen auf die – fast schon in Vergessenheit geratenen – Krisenregionen der Welt wie den Sudan, den Kongo oder die Zentralafrikanische Republik, Afghanistan oder Somalia. Durch die Mischung aus Armut, Klimaauswirkungen, Hunger und Krankheit würde vielen Menschen dort die Lebensgrundlage entzogen – der Ukrainekrieg würde dies noch verstärken. So habe der Tschad gerade den Ernährungsnotstand ausgerufen, weil die Weizenlieferungen aus der Ukraine und Russland nicht kommen.

„Wir werden weiterhin mit Epidemien zu tun haben“

Über das Leben im (Dauer-)Krisenmodus sprach Prof. Dr. Dr. Urban Wiesing, Leiter des Instituts für Ethik und Geschichte der Medizin am Universitätsklinikum Tübingen. Sein Fazit: „Es scheint unser Schicksal zu sein, dass der Mensch mit Herausforderungen konfrontiert wird. Wir werden weiterhin mit Epidemien zu tun haben. Kriege hingegen sind menschgemacht und somit abschaffbar, das ist der Unterschied.”

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