Telematikinfrastruktur

Bremst die Selbstverwaltung die Digitalisierung aus?

Susanne Theisen
Politik
Um diese Frage kreiste der „KBV-Mittagstalk“, bei dem sich Vertreterinnen der Ärzteschaft und der Industrie gegenüberstanden. War es ein Fehler, die analogen Prozesse in den Praxen einfach nur zu digitalisieren?

Beim ersten Mittagstalk der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) seit 2019 zeigten sich die beiden Diskutantinnen, KBV-Vorstandsmitglied Dr. Sibylle Steiner und Melanie Wendling, Geschäftsführerin des Bundesverbandes Gesundheits-IT (bvitg), betont kooperativ. Man sei nicht zusammengekommen, um ein „Bashing“ der Gegenseite zu betreiben, hieß es einvernehmlich.

„Wir suchen Schuldige, aber keine Lösungen!“

Auf die Eingangsfrage, wer bei der Digitalisierung denn nun auf der Bremse stehe, antwortete Wendling: „Das ist vielleicht ein Teil des Problems. Wir suchen Schuldige, aber keine Lösungen.“ Sie führte die Probleme bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens darauf zurück, dass es bis 2022 kein klares Zielbild für den Prozess gegeben habe.

Aus Sicht der Ärzteschaft, entgegnete Steiner, sei das Zielbild klar. Man wolle technische Anwendungen mit Mehrwert für die Praxen, die vor allen Dingen Zeit einsparen. Das sei zurzeit nicht der Fall, im Gegenteil, die Praxisverwaltungssysteme (PVS) und Anwendungen liefen nicht reibungslos und kosteten dadurch sogar Zeit. „Dass es dadurch zu Frust und Unmut bei den Kolleginnen und Kollegen kommt, ist verständlich“, resümierte sie. Gleichzeitig räumte sie ein: „Rückblickend war es vielleicht ein Fehler, die analogen Prozesse in den Praxen einfach nur zu digitalisieren. Wir haben nicht damit begonnen zu schauen, was tatsächlich Anwendungen sind, die für die Praxen wichtig sind.“

Nachdrücklich kritisierte Steiner die im Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens (DigiG) vorgesehenen Sanktionen und Bußgelder. „Das hat uns in der Akzeptanz innerhalb der Selbstverwaltung zurückgeworfen und ist aus meiner Sicht nicht der richtige Ansatz“, sagte sie. „Stattdessen wäre es wichtig zu fragen: Ist eine neue Anwendung ausreichend getestet? Funktioniert sie reibungslos? Ist sie kostendeckend finanziert? Wenn das stimmt, wird die Digitalisierung in der Praxis auch Akzeptanz erreichen."

"Kein Wunder, dass das Ergebnis nicht hübsch aussieht!“

Das Thema Unzufriedenheit mit den aktuellen PVS-Systemen kommentierte Industrievertreterin Wendling so: „Die PVS-Systeme sind nicht aus einer guten Versorgungslogik gebaut worden, sondern aus einer Abrechnungslogik. Jetzt wollen wir auf einmal eine komplette Transformation, das ist schwierig.“ Als Entwickler der Systeme sehe man sich mit der Herausforderung konfrontiert, dass man immer weitere Anwendungen hinzufügen müsse. Es sei deshalb "kein Wunder, dass das Ergebnis nicht hübsch aussieht“.

Wendling monierte, dass im Gesamtprozess eine gesteuerte Diskussion der Stakeholder im Gesundheitswesen fehle. „Man redet in Einzelgruppen, aber nicht alle miteinander an einem Tisch“, rügte sie und wies auf ein weiteres Problem aus ihrer Sicht hin: „Was vor allen Dingen fehlt, ist jemand, der die Diskussion steuert. Es wäre deshalb sinnvoll gewesen, erst eine Governance-Struktur aufzusetzen und dann das DigiG.“

Steiner stimmte Wendling in diesem Punkt zu: „Ich denke auch, dass alle Beteiligten gemeinsam darüber sprechen sollten: Was sind die „Lessons Learned“, insbesondere aus den bisher umgesetzten Anwendungen elektronische Krankmeldung und elektronisches Rezept?"

Intensiv diskutiert wurde das Thema Performance der PVS-Systeme. Lesen Sie dazu mehr in der nächsten Ausgabe der Zahnärztlichen Mitteilungen.

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