Bruxismus und Zahnverschleiß
Aus neurologischer Sicht stellt Bruxismus eine Pathologie der Kaumuskelbewegungen (Rhythmic Masticatory Muscle Activity (RMMA)) bei ansonst Gesunden dar, verdeutlichte Leibniz-Preisträger Prof. Chrisitan Büchel aus Hamburg in seinem Festvortrag.
Die Erwartung moduliert den Schmerz
Oft bestehe eine Komorbididät mit Restless Legs oder Morbus Parkinson. Insgesamt 40 Prozent der Betroffenen klagen laut Büchel über orofaziale Schmerzen. Studien und MRT-Messungen haben aber gezeigt, dass man diese Schmerzen zu 20 bis 30 Prozent allein durch die Beeinflussung der Schmerzerwartung seitens der Patienten reduzieren kann. Büchel: "Die Erwartung moduliert den Schmerz."
Verlust der Zahnhartsubstanz bis um das 30-Fache
Dass der Verlust von Zahnhartsubstanzen verschiedene Ursachen haben kann, stellte Tagungsleiter PD Dr. M. Oliver Ahlers, Hamburg, in seinem Vortrag heraus. Insbesondere bei einem Zusammenspiel von Attritionen und Erosionen gehe die Zahnhartsubstanz bis um das 30-Fache zurück. Wichtig sei daher, Patienten mit unphysiologischem Zahnverschleiß zu identifizieren und nach Möglichkeit präventiv einzugreifen beziehungsweise konservierend zu beobachten.
Vollkeramische Kronen und kleinere Brücken sind heute klinisch bewährte Therapiemittel. Indikationsbezogen sind Lithium-Disilikat und Zirkoniumdioxid - häufig in monolithischer Form - die Materialien der ersten Wahl. Auch Prof. Dr. Matthias Kern aus Kiel betonte in seinem Vortrag zum Thema "Klinische Bewährung vollkeramischer Kronen und (Adhäsiv-)Brücken", dass die Metallkeramik immer noch den Goldstandard darstellt.
Entscheidend für die Bruchfestigkeit seien Ätztechnik und Klebeschritte, die sich je nach Keramik unterscheiden. "Wenn Sie im Dentin kleben, müssen Sie die erforderlichen Schichtstärken einhalten", appellierte er an die Gäste.
Monolithische Zirkonoxidkeramik: ein Reibeisen im Mund
Beispielhaft stellte er die in den USA gehypte monolithische Zirkonoxidkeramik vor, die Kern zufolge zu erheblich mehr Abrasionen und okklusalem Verschleiß beim Antagonisten führt. "Diese unverblendete Keramik wird in den USA eingesetzt ohne zu polieren. Das heißt, nach einiger Zeit haben die Patienten ein Reibeisen im Mund!"
Anforderungen für Okklusionsschienen
Dr. Theresia Asselmeyer, Hannover, lotete die Grenzen der diagnosebezogenen Schienentherapie bei Bruxismus-Patienten aus. Dabei beleuchtete sie insbesondere den Einfluss der Okklusion, die laut Studienlage im Einzelfall relevant sein kann. Anhand von Fallbeispielen demonstrierte sie schrittweise den Aufbau der Okklusion, die Eckzahnführung sowie den Einsatz von Äquilibrierungs- (Reflexschiene, Aqualizer, Zentrikschiene) und Positionierungsschienen (Dekompression, Potrusion, Vertikalisation).
Wie sie herausarbeitete, müssen an Okklusionsschienen folgende Anforderugnen gestellt werden: Zum einen müssen sie ausreichende Retentionen und eine passgenauen Sitz haben, zum anderen durch allseitige und gleichmäßige Kontakte zum Gegenkiefer für die Stabilisierung der Okklusion sorgen.
Dr. Peter Wetselaar aus Amsterdam überprüfte klinisch die nach aktueller Forschungslage bekannten Risikofaktoren für Bruxismus: Craniomandibuläre Dysfunktionen (ja), parodontale Probleme (nein), endodontische Komplikationen (vielleicht), Zahnfrakturen (ja), Schäden an direkten und indirekten Restaurationen (vielleicht), Schäden an Implantat-Suprakonstruktionen (ja), Verlust von Implantaten (nein) sowie Zahnabnutzung beziehungsweise Zahnverschleiß (ja, teilweise).
Als Therapie-Weg stellte Wetselaar die aus fünf Schritten bestehende "Multiple P-Therapy" vor:
Pep Talks (Beratung)
Plates (Aufbisshilfe, Schienen)
Pills (Medikamente)
Psychology
Physiotherapy
Im ersten Schritt ist zu klären, ob es sich nur um normale Muskelaktivität handelt oder ob der diagnostizierte Bruxismus so schwerwiegend ist, das er behandelt werden muss. Außerdem sollte der Patient darüber informiert werden, dass er Rauchen, Drogen- und übermäßigen Alkoholkonsum einstellen muss. Ebenso wichtig: eine gute Schlafhygiene.
Wetselaar "Eine Aufbissschiene ändert die Aktivität beim Schlafbruxismus meist nicht dauerhaft!" Auch Neurotransmitter aus dem Dopamin-Serotonin-System helfen nicht dauerhaft und sollten nur kurzzeitig und bei schweren Fällen eingesetzt werden. Die Effekte von Stressmanagement seien enttäuschend und daher lediglich eine Ergänzung. Das sogenannte Grindcare-Gerät reduziere dagegen nachweislich Bruxismus-Aktivitäten, Muskelschmerzen sowie in der Folge morgendliche Kopfschmerzen. Myofeedback senke den Wachbruxismus.
Die Take Homes Messages
Wetselaars "Take Homes Messages":
Bruxismus ist zentral reguliert.
Bruxismus ist Verhalten mit positiven und negativen Folgen!
Überdenken Sie die Bewertung von Bruxismus!
Denken Sie an die Mehrfach-P-Therapie!