Neues Grundsatzprogramm von Bündnis 90/Die Grünen

Darum wollen die Grünen die Bürgerversicherung

pr
Mit der Verabschiedung des neuen Grundsatzprogramms ging am Wochenende der Parteitag von Bündnis 90/Die Grünen zu Ende. Ein Punkt ist die Gesundheitspolitik – zentral bleibt für sie hier die Bürgerversicherung.

Als erste Partei verlegten die Grünen ihren mehrtägigen Bundesparteitag ins Netz. Am letzten Wochenende beschlossen mehr als 800 Delegierte digital das neue Grundsatzprogramm, das die Leitlinien der Partei für die nächsten zehn Jahre aufzeigt und die Grundlage für das Wahlprogramm zur nächsten Bundestagswahl darstellt.

Für den Gesundheitsbereich sind unter anderem folgende Aspekte aus dem Kapitel „Gesundheit und Pflege“ wichtig:

1. Bürgerversicherung umsetzen

Die Herausforderungen der älter werdenden Gesellschaft und die Kosten des medizinischen Fortschritts sehen die Grünen am besten durch eine solidarische Finanzierung bewältigt. „Indem alle Bevölkerungsgruppen in Abhängigkeit ihres Einkommens und unter Einbeziehung aller Einkommensarten in die Finanzierung über eine Bürgerversicherung einbezogen werden, können die Belastungen fair und für alle tragfähig ausgestaltet werden“, heißt es in dem Programm.

Gesundheit und Pflege müsse allen Menschen gleich zur Verfügung stehen. Beim Zugang dürfe es keinen Unterschied nach Einkommen oder Versicherungsstatus geben. Im Falle von Pflegebedürftigkeit wollen die Grünen durch eine Reform der Pflegeversicherung sichergestellt haben, dass alle Menschen die Leistungen erhalten, die sie benötigen, Pflegebedürftigkeit dürfe kein Armutsrisiko mehr sein.

2. Trend zur Privatisierung in Krankenhäusern stoppen

Im Programm wird betont, dass Gesundheitsversorgung – egal ob bei der freiberuflichen Landärztin, dem Medizintechnikunternehmen oder in der staatlichen Uniklinik – dem Menschen und seiner Gesundheit zugute kommen muss. Die Planung und Finanzierung des Gesundheitswesens soll am Bedarf der Patienten ausgerichtet werden. Entscheidend sei, was medizinisch und menschlich geboten ist - und nicht die möglichst billige, schnelle oder profitable Behandlung, erklären die Grünen.

Insbesondere im Krankenhausbereich wollen die Grünen die Gemeinwohlorientierung stärken. Die Benachteiligung öffentlicher Träger gegenüber privaten soll beendet und der Trend hin zur Privatisierung umgekehrt werden. Klare politische Vorgaben zur Personalbemessung, Behandlungs- und Versorgungsqualität sollen sicherstellen, dass alle Träger gleichermaßen zum Nutzen der Patienten handeln. Dadurch werden Gewinnausschüttungen von Kliniken beschränkt, damit öffentliches und beitragsfinanziertes Geld im System bleibt.

3. Neues Finanzierungssystem für die Krankenhäuser einführen

Die Krankenhausfinanzierung müsse neu gedacht und auf Wohnort unabhängige Versorgungssicherheit und -qualität, auf eine gute Bezahlung für Beschäftigte, auf Vorsorge und auf Krisenfestigkeit ausgerichtet werden. Kliniken sollen nicht nur nach erbrachter Leistung, sondern nach ihrem gesellschaftlichen Auftrag finanziert werden.

Dafür braucht es nach Auffassung der Partei ein neues Finanzierungssystem für die Kliniken, das eine relevante strukturelle Finanzierung beinhaltet. Dazu gehöre es auch, die Investitionsfinanzierung durch Bund und Länder gemeinsam zu verbessern. Stationäre und ambulante Versorgung sollteen zusammen gedacht, geplant, finanziert und durchgeführt werden.

4. Grenzen zwischen ambulantem und stationärem Sektor überwinden

Durch ein Stufenmodell von der gesundheitlichen Grundversorgung bis hin zu Spezialangeboten soll die Versorgung im ländlichen und städtischen Raum gestärkt und zugleich qualitativ sichergestellt werden.

Ambulante und stationäre Versorgung sollten gemeinsam mit niedrigschwelligen Angeboten der Gesundheitsberatung geplant werden. Und Prävention und Gesundheitsförderung sollten in allen kommunalen Handlungsfeldern fest verankert werden.

5. Ärzte, Gesundheitsberufe und ÖGD sollen auf Augenhöhe agieren

Die Grünen wollen, dass Ärzte, Pflegekräfte und andere gesundheitsnahe Berufe sowie ein ausgebauter und gut ausgestatteter öffentlicher Gesundheitsdienst Hand in Hand und auf Augenhöhe zusammenarbeiten, beispielsweise in gemeinwohlorientierten Gesundheitszentren.

Für wichtig hält die Partei dabei eine umfassende Versorgungsplanung, Gesundheitsberichterstattung, eine Stärkung der Versorgungsforschung und die Aufwertung und Ausweitung der Kompetenzen in Gesundheits- und Pflegefachberufen. Pflegekräfte sollten mehr Steuerungsverantwortung für die Gestaltung der Pflege übernehmen können.

6. Digitalisierung nutzen und dabei den Datenschutz beachten

Die Grünen setzen auf die Chancen der Digitalisierung – sowohl beim Organisieren der Gesundheitsversorgung und im Pflegebereich als auch beim Verwalten von Gesundheitsdaten und der individuellen Prävention.

Die Partei misst dem Datenschutz dabei eine herausragende Rolle zu. Gerade deshalb sollte die Infrastruktur öffentlich verantwortet und reguliert werden. Gesundheitsdaten inklusive der Patientendaten können nach Auffassung der Partei nur unter Wahrung höchster Datenschutzstandards digital erfasst und anonymisiert der Forschung zur Verfügung gestellt werden. Eine Weitergabe dürfe nicht gegen den Willen von Patienten erfolgen. Ihre eigenen Gesundheitsdaten müssen Patienten möglichst barrierefrei und sicher zugänglich sein.

7. Patienten sollen mitbestimmen

Patienten sollten bei relevanten Entscheidungen im Gesundheitswesen mitbestimmen und in entsprechende Gremien eingebunden werden. Für die Grünen bedeutet Wahlfreiheit im Gesundheitswesen, dass Versicherte die Möglichkeit haben, sich im Krankheitsfall zwischen unterschiedlichen qualitätsgesicherten Angeboten und Therapien zu entscheiden. Sie sprechen sich für Therapievielfalt und das Selbstbestimmungsrecht der Patienten aus.

Die Grünen gehen in ihrem Programm auch auf das Thema Komplementärmedizin ein. Viele Menschen nutzten Komplementärmedizin, welche eine relevante Rolle in der heutigen Gesundheitsversorgung spiele, heißt es in dem Papier. Die Forschung zur Wirksamkeit zum Beispiel von Naturheilverfahren sollte unterstützt werden. Die Förderung der Gesundheitskompetenz der Patienten und eine unabhängige Gesundheitsberatung sollten zu einem festen Bestandteil des Gesundheitssystems werden.

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