Vertreterversammlung in Düsseldorf

Das sind die Forderungen der KZBV an die neue Regierung

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Der Vorstand der KZBV hat auf der 11. Vertreterversammlung in Düsseldorf klare Botschaften an die neue Bundesregierung gesendet. Deutliche Kritik gab es an der bisherigen Umsetzung der Telematikinfrastruktur.

Dr. Wolfgang Eßer, Vorsitzender des Vorstandes der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV), schaute in seinem Bericht vor der Vertreterversammlung vor allem auf die künftige Bundesregierung. Erst in den nächsten Monaten werde sich zeigen, wie die Zusammenarbeit mit der Ampelkoalition laufen werde. Von großer Bedeutung werde künftig auch die Zusammenarbeit mit dem Bundesrat sein, wo die Union die Mehrheit hat. Mit Sorgen blickt Eßer auf die Finanzierung des Gesundheitswesens. „Und gerade das Finanzierungsloch bei den Kassen lässt mich mit Blick auf die Politik vier harte Jahre für uns erwarten“, warnte der KZBV-Vorsitzende.

Mit Blick auf das Papier der AG Gesundheit und Pflege der Ampelkoalition begrüßte Eßer die Absage an eine Bürgerversicherung. Der Erhalt der PKV sei für die KZBV immer eine der primären Forderungen gewesen. „Wir begrüßen auch, - das ist die zweite gute Botschaft aus dem AG-Papier -, dass SPD, Grüne und FDP Prävention und Vorsorge als wichtiges Thema aufgegriffen haben und beispielhaft auch Maßnahmen zur Alterszahngesundheit ankündigen.“ Ein weiterer wichtiger Punkt in dem Papier sei die Zielsetzung einer „bedarfsgerechten Gesundheitsversorgung in der Stadt und auf dem Land“.

Eßer ging dann auf drei Punkte ein, die nicht im AG-Papier auftauchen: Freiberuflichkeit, fortschreitende Kommerzialisierung durch I-MVZ und die Niederlassungsförderung. „Überhaupt sind viele Vorhaben im AG-Papier nur vage skizziert. Gespannt warten wir darauf, wie der Koalitionsvertrag für den Bereich Gesundheit aussieht“, erklärte er.

Im Anschluss fasste Eßer die zentralen Forderungen der KZBV an die neue Bunderegierung in einem 7-Punkte-Paket zusammen:

Freiberuflichkeit und Selbstverwaltung stärken

Laut Eßer eines der zentralen Anliegen der KZBV. Er forderte von der Politik ein klares Bekenntnis zur Freiberuflichkeit und zur Selbstverwaltung.
  • Prävention und Versorgung vulnerabler Gruppen voranbringen

    In keinem Bereich der Versorgung sei mehr aktive Gesundheit durch Prävention geschaffen worden als in der Zahnmedizin, betonte der KZBV-Chef und verwies in diesem Zusammenhang auf die neue PAR-Richtlinien. Gleichzeitig lud er die BZÄK und die Wissenschaft ein, zusammen ein evidenzbasiertes Präventionskonzept für Parodontalerkrankungen zu erarbeiten.
  • Digitalisierung

    Eßer forderte von der neuen Regierung einen kompletten Strategiewechsel bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens. „Motivation statt Sanktion, Sicherheit vor Schnelligkeit und Mehrwert statt Mehrarbeit“ sei die Devise.
  • Sicherstellung der Versorgung – I-MVZ eindämmen

    Die Vergewerblichung durch private Investoren müsse dringend eingedämmt werden, um die flächendeckende hochwertige zahnmedizinischen Versorgung nicht zu gefährden.
  • Niederlassungsförderung

    Es müsse in absehbarer Zeit gelingen, die Niederlassungsbereitschaft gerade der jungen Zahnärztinnen und Zahnärzte anzukurbeln, mahnte Eßer und forderte das Ende der Budgetierung, in der er den „Motivationskiller No. 1“ sieht.
  • Bürokratiewahnsinn beenden und mehr Zeit für die Patientenversorgung schaffen

    Eßer kündigte einen konkreten Entbürokratisierungskatalog an, den man der Politik vorlegen werde.
  • Schutz von Umwelt und Klima:

    Umweltschutz und Nachhaltigkeit sollen künftig stärker in den Blick genommen werden, erklärte Eßer.
  • Einigkeit beschworen

    Darüber hinaus beschwor Eßer in seiner Rede immer wieder die Einigkeit der zahnmedizinischen Standesorganisationen als grundlegenden Erfolgsgaranten für künftige gesundheitspolitische Diskussionen mit der neuen Bundesregierung. „Wir sind immer dann besonders stark gewesen, wenn wir uns als Spitzenorganisationen inhaltlich und programmatisch konsentiert haben und danach mit einer Stimme nach außen sprechend aufgetreten sind“, betonte Eßer.

    Nur knapp 300.000 GKV-Versicherte nutzen die ePA

    Martin Hendges, stellvertretender Vorsitzender des KZBV-Vorstandes, stellte in seinem Bericht hinsichtlich der Neuregelungen zur Unterkieferprotrusionsschiene (UKPS) klar: „Die Eingliederung darf nur durch den Zahnarzt erfolgen.“ Die neue BEMA-Position tritt am 1. Januar 2022 in Kraft. Dabei handelt es sich um einen eigenen Leistungsanspruch, der Leistungsanspruch des Versicherten wird durch den EBM geregelt.

    Die BEMA-Vergütungen zur elektronischen Patientenakte (ePA), zum elektronischen Medikationsplan (eMP) und zum Notfalldatensatz (NFD) sind laut Hendges ebenfalls ausverhandelt, sie gelten auch ab 2022. „Allerdings besitzen bisher nur knapp 300.000 GKV-Versicherte eine ePA, und davon ist bisher keiner in einer Arzt- oder Zahnarztpraxis aufgetaucht“, berichtete Hendges. „Geht es nach dem BMG, soll die Erstbefüllung der ePA aber bis Ende des Jahres abgeschlossen sein. Das macht natürlich wenig Sinn, weil es noch gar keine Anwendung gibt.“ Die KZBV fordere daher, diese Frist zu verlängern.  

    Dass die KZBV mit dem Zahnärzte-Praxis Panel (ZäPP) jetzt auch auf valide Daten zurückgreifen kann, erweist sich Hendges zufolge aktuell bei den Verhandlungen mit den Krankenkassen als großer Vorteil: „Mit 1.0043 überschreitet der Punktwert im Bereich ZE erstmals die 1 Euro-Grenze.“

    Bei der Corona-Sonderauswertung des ZäPP zeigt sich laut Hendges: Mehr als ein Viertel der Zahnarztpraxen verzeichnet Corona-bedingt Rückgänge bei den Einnahmen im zweistelligen Prozentbereich. Bei über 50 Prozent gingen Einnahmen und Betriebsausgaben zurück. Ein großer Teil sei aber überhaupt nicht betroffen. „Um einen zehnprozentigen Rückgang der Einnahmen zu kompensieren, müssen die Betriebsausgaben einer durchschnittlichen Praxis insgesamt um etwa 17 Prozent sinken beziehungsweise die variablen Betriebsausgaben um circa 35 Prozent fallen“, rechnete Hendges vor.

    Ernüchternde Bilanz der TI

    Dr. Karl-Georg Pochhammer, stellvertretender Vorsitzender des KZBV-Vorstandes, zog in seinem Bericht eine ernüchternde Bilanz der bisherigen Umsetzung der Telematikinfrastruktur (TI). Das große Dilemma der TI sei, dass sie auch vier Jahre nach Beginn des Rollouts in erster Linie ein Versprechen geblieben sei, die gesundheitliche Versorgung der Menschen in Deutschland zu verbessern.

    „Dass alles Entscheidende dabei ist der Nutzen. Wenn die Anwendung den Alltag erleichtert, wollen die Menschen sie haben. So einfach ist das“, fasste Pochhammer zusammen und fügte hinzu: „Ich denke, ich spreche für viele, wenn ich sage, dass wir die Digitalisierung in diesem Jahr als besonders schwer empfunden haben: ePA, KIM, eAU und E-Rezept – die Taktung, mit der neue Anwendungen ins Feld geführt worden sind, hat tief in den Alltag der Praxen eingegriffen. Einen Alltag, der durch die Pandemie ohnehin schon auf dem Kopf steht.“

    Dabei hätten die Zahnarztpraxen im Vergleich mit den anderen Berufsgruppen die höchste Anschlussquote an die TI und seien die Nummer 1 bei der Ausstattung mit den eHealth-Anwendungen der TI. Die sei aktuell auch bei der Anbindung an KIM zu sehen. „In der Gesamtschau zeigt sich, dass die Disziplin der Zahnarztpraxen in Sachen Telematikinfrastruktur beispiellos ist. Das ist eine Tatsache, die wir uns nicht kleinreden lassen dürfen“, betonte Pochhammer und verwies darauf, dass ausgerechnet in der Pandemie die Schlagzahl der Einführung der neuer TI-Anwendungen noch erhöht worden sei.

    „Die Bereitschaft der Zahnärzte ist da. Aber diese Bereitschaft ist nicht bedingungslos. Sie fußt auf Plausibilität und ist mit der Erwartung verknüpft, dass die TI die Praxisabläufe unterstützt und die Versorgung verbessert. Das gelingt zu selten, obwohl die Anwendungen das Potenzial dazu hätten“, erklärte Pochhammer. 

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