Suchtjahrbuch zu Tabak- und Alkoholkonsum

Deutschland bleibt Hochkonsumland

LL
Gesellschaft
Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) hat ihr neues Suchtjahrbuch vorgestellt: Danach ist der Konsum von Alkohol und Tabakwaren leicht zurückgegangen. Inwieweit die Pandemie das Suchtverhalten beeinflusst hat, lässt sich noch nicht sagen.

Im Jahr 2020 rauchten in Deutschland immer noch 24 Prozent der Frauen und 34 Prozent der Männer ab 18 Jahren. An den Folgen starben 2018 laut DHS 127.000 Personen. Somit bleibt in der Tabakprävention und der Tabakkontrollpolitik „noch viel zu tun“, kommentiert DHS-Geschäftsführerin Christina Rummel die Daten. „Die bisher umgesetzten Maßnahmen haben insbesondere bei jungen Menschen zu einem Rückgang des Rauchens geführt. Das ist erfreulich – aber bei Weitem nicht genug.“ Den Tabakkonsum nachhaltig zu verringern, bleibe ein wichtiges Ziel der Gesundheitspolitik.

Leichter Rückgang bei Zigaretten, starker Anstieg bei Wasserpfeifen-Tabak

Der Konsum von Fertigzigaretten sank im Jahr 2021 um 2,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Damit liegt der Pro-Kopf-Verbrauch bei 863 Zigaretten (2020: 888 Zigaretten). Das ist der niedrigste Wert seit der Wiedervereinigung. Rückläufig war auch der Feinschnitt-Konsum mit einem Minus von 5,6 Prozent. Das entspricht für 2021 etwa 37,3 Milliarden selbstgedrehten Zigaretten.

Der Verbrauch von Zigarren beziehungsweise Zigarillos verzeichnete hingegen ein Plus von 1,4 Prozent im Jahr 2021. Beim (Wasser-)Pfeifentabak setzt sich der Trend fort: Der Konsum nahm um plus 40 Prozent deutlich zu. Zu begründen sei dies mit der anhaltenden Beliebtheit des speziellen Wasserpfeifentabaks, der vor allem von Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Shishas geraucht wird.

Der Tabakkonsum verursacht hohe gesamtwirtschaftliche Kosten. Insgesamt erhöhten sich im Jahr 2021 die Konsumausgaben für Tabakprodukte um zwei Prozent auf 29,4 Milliarden Euro. Die Einnahmen aus der Tabaksteuer stiegen um 0,5 Prozent auf 14,7 Milliarden Euro. Die gesamtwirtschaftlichen Kosten, die auf das Rauchen zurückgehen, belaufen sich Schätzungen zufolge in Deutschland auf 97,24 Milliarden Euro für das Jahr 2018. Dabei betrugen die direkten Kosten beispielsweise für die Behandlung tabakbedingter Krankheiten 30,32 Milliarden Euro, die indirekten Kosten, etwa für Produktivitätsausfälle, beliefen sich auf 66,92 Milliarden Euro.

auch Alkoholkonsum sinkt leicht, Deutschland bleibt aber Hochkonsumland

Deutschland bleibt im internationalen Vergleich weiterhin ein Hochkonsumland für Alkohol - obwohl hierzulande der Verbrauch an alkoholischen Getränken längerfristig sank: Von 14,4 Litern Reinalkohol im Jahr 1970 auf 10,2 Liter im Jahr 2019 pro Bundesbürger ab 15 Jahren. Der Verbrauch liegt über dem OECD-Durchschnitt.

62.000 alkoholbedingte Todesfälle gab es in Deutschland: 19.000 Frauen und 43.000 Männer. Das entspricht 4 Prozent aller Todesfälle unter Frauen und 9,9 Prozent aller Todesfälle unter Männern. Diese Zahlen stammen aus dem Jahr 2016.

Ob Deutschland in der Pandemie süchtiger geworden ist, ist noch unklar

Die Pandemie hat die psychische Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland stark beeinträchtigt. „Wir wissen aus anderen Krisensituationen, dass Menschen vermehrt Suchtmittel und süchtiges Verhalten nutzen – mit dem Wunsch, Belastungen in schwierigen Zeiten auszugleichen. Daraus lässt sich allerdings nicht schlussfolgern, die Einwohnerinnen und Einwohner von Deutschland wären durch die Corona-Krise süchtiger geworden. Dazu ist die Datenlage aktuell noch zu dünn“, sagt Christine Kreider, Referentin für Prävention bei der DHS.

Die Gelegenheiten, um außer Haus Alkohol zu trinken, waren in den vergangenen beiden Jahren spürbar eingeschränkt. Die Zahl der Alkoholunfälle ging im Jahr 2020 besonders stark zurück: minus 6,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dies lässt sich auf das veränderte Mobilitätsverhalten während der Pandemie zurückführen.

Wer vorher schon suchtgefährdet war, ist es in der Pandemie besonders

Grundsätzlich ist aus der Perspektive der Suchthilfe zu beobachten: Die Corona-Pandemie ist vor allem für jene Menschen eine große Belastung, die bereits zuvor psychosozialen oder gesundheitlichen Problemen ausgesetzt waren. Prävention, Frühintervention, Beratung, Behandlung und Sucht-Selbsthilfe braucht es daher nun umso mehr, um Suchtgefährdete und Abhängigkeitserkrankte zu unterstützen, betont die DHS im Zuge der Suchtjahrbuch-Veröffentlichung.

Aktuell ist es jedoch kaum möglich, Aussagen über einen möglichen Anstieg von Abhängigkeitserkrankungen zu treffen. „Abhängigkeitserkrankungen entstehen zumeist schleichend über einen längeren Zeitraum. In den Statistiken bilden sie sich daher erst zeitverzögert ab. Fest steht allerdings schon jetzt: Wir müssen uns mehr denn je um besonders verletzliche Bevölkerungsgruppen kümmern, wie beispielsweise Kinder aus Suchtfamilien“, so Kreider.

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