Die BER-Zahnärzte
„Europas modernster Flughafen“ sollte er sein, ein Desaster ist er geworden. Zwischen dem ersten Spatenstich im September 2006 und der Einweihung in nicht seriös vorhersagbarer Zukunft liegt eine Geschichte aus Planungsfehlern, Baumängeln und Kostenexplosionen, Firmeninsolvenzen und Personalwechseln, juristischen Auseinandersetzungen und vielen luftigen Prognosen zum Eröffnungstermin. Das größte Projekt der Hauptstadtregion hat es zum eigenen Untersuchungsausschuss gebracht und wird, in Anlehnung an das Wappentier Berlins, als Problem-BER verspottet. Doch während die milliardenschwere Realsatire in die nächste Runde geht, bleibt eine optimistisch. „Wir starten schon jetzt mit einem Lächeln“, lautet der Slogan der Airportpraxis am BER, die Constanze Schönberg gemeinsam mit ihrem Mann Hans J. Schönberg seit inzwischen drei Jahren betreibt.
Immer ein freier Parkplatz
„Wir haben hier gut zu tun und sind sehr froh und dankbar, wie die Praxis angenommen wird“, sagt Zahnärztin Constanze Schönberg. Wie kann das sein in diesem Geister-Flughafen auf dem brandenburgischen Land? Ganz einfach: Das Hauptklientel der Airportpraxis sind diejenigen, die täglich auf der Großbaustelle arbeiten – Planer, Ingenieure, Bauarbeiter, Sicherheitspersonal … „Auch aus dem unmittelbaren Umland kommen immer mehr Neupatienten zu uns. Für sie geht es schneller, über die leere Autobahn zum Flughafen zu fahren, als sich durch den Stadtverkehr zu quälen. Wir sind die einzige Zahnarztpraxis mit eigenem Autobahnzubringer“, erklärt Schönberg. Und reichlich freie Parkplätze gibt es auch.
Flughafen als Kleinstadt
Doch der Plan war natürlich anders. Als sich das Zahnärzte-Ehepaar auf den Standort im zukünftigen Medical Center des Flughafens bewarb, ging man von einem 20-Stunden-Betrieb für die BER-Mitarbeiter aus: „Sie müssen sich das wie eine Kleinstadt vorstellen. 20.000 Leute und eine Zahnarztpraxis.“ Dieser Non-Stop-Betrieb bleibt vorerst utopisch.„Von der wirtschaftlichen Seite her ist es ungünstig, da wollen wir uns nichts vormachen“, so Constanze Schönberg. „Und es hätte sicherlich in der ersten Zeit nicht funktioniert, wenn wir nicht noch andere Praxen hätten.“ Die Schönbergs sind mit insgesamt vier Praxen in einer Berufsausübungsgemeinschaft zusammen geschlossen. Doch langsam beginnt auch der Airport-Standort, sich selbst zu tragen. „Wir haben ein stetes, wenn auch sehr langsames Wachstum.“ Inzwischen praktizieren drei Zahnärzte in der Flughafenpraxis. Zwei der vier Behandlungszimmer sind augenblicklich in Betrieb, hinzu kommt ein OP. „Mittlerweile läuft die Prophylaxe sehr gut und wir denken darüber nach, einen dritten Raum einzurichten.“
Modernste Praxiseinrichtung
Vorteile hatte der zunächst recht „entspannte“ Betrieb allerdings auch. „Wir haben hier viel ausprobiert und zeitintensivere Arbeiten in Angriff nehmen können, die sonst im Alltag einer voll durchstrukturierten Praxis kaum noch machbar sind. Dadurch konnten wir auch für die anderen Praxen viel Positives herausziehen.“ Das betrifft etwa das Abhalten von Patientenveranstaltungen. Auch widmen sich die Zahnärzte in der Airportpraxis größeren implantologischen Aufgaben und dem Einstieg in die All-on-4-Technik. Intraorale Scanner wurden etabliert, die Praxis komplett digitalisiert und mit den übrigen Standorten vernetzt. Besondere Bauauflagen brachte der Flughafenbetrieb kaum mit sich. „Wir mussten einen speziellen Fußbodenbelag verwenden“, berichtet Zahnärztin Schönberg. Und aufgrund spezieller Thermodecken dürfen Lampen nicht an der Decke angebracht werden, sondern nur an der Wand.
„Ich habe nie deswegen geweint“
Ob die BER-Zahnärzte ihre Entscheidung trotzdem schon einmal bereut haben? „Ich habe nie deswegen geweint“, so Constanze Schönberg. „Ich dachte auch nie ernsthaft, dass es ein Fehler war. Als der Eröffnungstermin zum ersten Mal verschoben wurde, war ich froh, denn unsere Praxis war noch nicht komplett eingerichtet. Beim zweiten verstrichenen Termin habe ich zu meinem Mann gesagt: Wer im öffentlichen Dienst zweimal verschiebt, der tut das auch drei- oder viermal. Wir hätten damals aussteigen können – diese Klausel gab es im Vertrag. Aber uns ging es darum, einen Standort zu bekommen, der einzigartig ist. Noch einen neuen Flughafen wird es in Berlin nicht geben.“Auf die Frage nach ihrer persönlichen Prognose zur tatsächlichen BER-Einweihung lacht die Zahnärztin. „Ich bin immer Optimistin. Ich bin jetzt 51 Jahre alt. Und ich denke, dass ich die Eröffnung erlebe, bis ich 60 werde. Falls nicht, bleibt es eben etwas entspannter.“