Bundesverfassungsgericht bestätigt

Die einrichtungsbezogene Impfpflicht ist zulässig

pr
Die Verfassungsbeschwerde von Beschäftigten im Gesundheitswesen gegen die einrichtungsbezogene Impfpflicht war erfolglos. Heute hat das Bundesverfassungsgericht die Klagen abgewiesen. Priorität habe der Schutz vulnerabler Gruppen.

Das Argument des Gerichts: Der Schutz vulnerabler Gruppe wiege schwerer als die Beeinträchtigungen von Grundrechten bei Mitarbeitenden im Gesundheits- und Pflegebereich. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde hatten sich die Kläger unmittelbar gegen § 20a, § 22a und § 73 Abs.a Nr.7e bis 7h des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) gewehrt. Sie rügten die Verletzung diverser Grund- und grundrechtsgleicher Rechte.

Zwar greife die Impfpflicht in die körperliche Unversehrtheit laut Grundgesetz ein. Der Eingriff sei jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Denn es liege ein zielgerichteter mittelbarer Eingriff in die körperliche Unversehrtheit vor, argumentiert das Gericht. Zwar setze die COVID-19-Impfung eine vorherige, nach ärztlicher Aufklärung erteilte Einwilligung voraus. Eine Entscheidung gegen die Impfung sei jedoch mit nachteiligen Konsequenzen verbunden, weshalb die an sich selbstbestimmt zu treffende Impfentscheidung von äußeren, faktischen und rechtlichen Zwängen bestimmt werde.

Alternativ bleibt die Aufgabe des ausgeübten Berufs

Wer ungeimpft bleiben will, muss bei Fortsetzung der Tätigkeit mit einer bußgeldbewehrten Nachweisanforderung und einem bußgeldbewehrten Betretungs- oder Tätigkeitsverbot in den in § 20a IfSG genannten Einrichtungen und Unternehmen rechnen. Alternativ bleibe nur die Aufgabe des ausgeübten Berufs, ein Wechsel des Arbeitsplatzes oder jedenfalls der bislang ausgeübten Tätigkeit, so die Verfassungsrichter.

Der Gesetzgeber verfolge den legitimen Zweck, vulnerable Menschen vor einer Infektion mit SARS-CoV-2 zu schützen, heißt es beim Bundesverfassungsgericht weiter. Gerade bei älteren und immunsupprimierten Personen bestehe auch ein erhöhtes Infektionsrisiko, da sie auf eine Impfung weniger gut ansprechen.

Die Annahme des Gesetzgebers, es bestehe eine erhebliche Gefahrenlage für gewichtige Schutzgüter, die gesetzgeberisches Handeln erforderlich mache, beruhe also auf „hinreichend tragfähigen Erkenntnissen”. Der Gesetzgeber habe zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Gesetzes von einer sich verschärfenden pandemischen Lage und einer damit einhergehenden besonderen Gefährdung älterer und vorerkrankter Menschen ausgehen können, erklärt das Gericht. Die Annahme einer besonderen Gefährdung dieser vulnerablen Menschen trage nach wie vor.

Risikogruppen haben sich nicht verändert

Weiter habe sich die den Gesetzgeber treffende Schutzverpflichtung gegenüber vulnerablen Personen Anfang Dezember 2021 verdichtet, argumentieren die Richter. Zu dieser Zeit sei die pandemische Lage durch eine besondere Infektionsdynamik geprägt gewesen, mit der eine zunehmende Infektionswahrscheinlichkeit einherging. Deshalb sei die staatliche Schutzpflicht gegenüber vulnerablen Personen auch besonders aktiviert gewesen, weil die Betroffenen nicht oder allenfalls eingeschränkt in der Lage waren, ihr Infektionsrisiko durch eine Impfung selbst zu reduzieren.

Auch die weitere Entwicklung des Pandemieverlaufs ist für das Gericht kein Grund, von der seiner Beurteilung abzuweichen. Es bestehe unter den angehörten Fachgesellschaften weitgehend Konsens, dass sich – unbeschadet eines milderen Krankheitsverlaufs unter der Omikronvariante – die Zusammensetzung der Risikogruppen und ihre grundsätzlich höhere Gefährdung nicht verändert habe, führen die Richter an.

Die einrichtungsbezogene Impfpflicht war im Dezember 2021 beschlossen worden, um vulnerable Personen (etwa in Alten- oder Pflegeheimen) besser zu schützen. Seit dem 16. März 2022 müssen Beschäftigte in Kliniken, Pflegeheimen oder Arztpraxen einen vollständigen Corona-Impfschutz oder eine Genesung nachweisen. Die Argumente der Verfassungsrichter aus dem jetzigen Hauptverfahren ähneln denen seiner Eilentscheidung aus dem Februar. Dort wurde abgelehnt, die Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes vorläufig außer Kraft zu setzen.

BundesverfassungsgerichtAz. 1 BvR 2649/21,Beschluss vom 27. April 2022

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