„Die Gemeinschaftspraxis ist wie eine Ehe!”
Ist die eigene Praxis noch ein Zukunftsmodell? Prof. Dr. Christoph Benz, Präsident der Bundeszahnärztekammer (BZÄK), ermutigte die jungen Zahnärzte dazu, ihre eigene individuelle Entscheidung zu treffen. Beides, sowohl die Selbstständigkeit als auch das Angestelltenverhältnis, hätten Vor- und Nachteile.
Benz versuchte dabei, das aktuelle Narrativ geradezurücken, das Highender, also Spezialisten in Hightech-Praxen, den Familien-Generalisten gegenüberstellt. Die Struktur der Praxen sei im Wandel, ja. Aber dass die Stadt dem Land vorgezogen würde, der Trend zu großen Praxen ginge und somit die kleinen langsam ausstürben – das stimme so nicht ganz. Klar sei aber, dass immer mehr Frauen in den Beruf kommen, viele Teilzeit aufgrund der Familien-Planung fordern oder sich Nine-to-Five-Arbeitzeiten für die Work-Life-Balance wünschen.
Viel über Zähne gelernt, aber wenig über die Praxisführung
„Im Studium haben wir viel über Zähne gelernt, aber wenig über die Praxisführung“, resümierte Dr. Kathleen Menzel in ihrem Vortrag „Fehler bei der Praxisgründung und wie man sie vermeidet“. Die Entscheidung für eine Gründung hänge natürlich vor allem von der Persönlichkeit ab, vom richtigen Zeitpunkt, vom Ort und auch der Familienplanung. Dann folge auch aber schon die Frage: Gründe ich alleine, mit einem Partner oder sogar mit mehreren.
Während man in der Einzelpraxis zum Einzelkämpfer mutieren könnte, rede einem aber eben auch keiner rein. In der Gemeinschaftspraxis trage man nicht die alleinige Verantwortung, müsse sich aber auch bewusst sein, dass man oft Kompromisse eingehen muss. „Die Gemeinschaftspraxis ist wie eine Ehe“, fügte die Zahnärztin schmunzelnd hinzu.
Im vergangenen Jahr gab es Menzel zufolge übrigens nur 36 Insolvenzen unter den gut 41.200 Zahnarztpraxen. Bei der Frage nach Wert und Größe der Praxis riet sie, Beratung einzuholen und bei der Liquiditätsplanung einen Puffer mit einzuplanen, etwa für Steuernachzahlungen oder einen schleppenden Start.
Gerade die Anfahrt beeinflusst den Fußabdruck
Nachhaltigkeit in der Zahnmedizin war das Thema von Zahnärztin Linnea Borglin. Die Schwedin, die in Deutschland lebt, schrieb bereits ihre Masterarbeit darüber. Der Gesundheitssektor in Deutschland verursacht bekanntlich rund fünf Prozent der gesamten Emissionen.
So reduziert man den Fußabdruck der Praxis
Sich das hohe Ressourcenaufkommen an Wasser, Strom und Verbrauchsmaterialien vor Augen zu führen, sei der erste Schritt, erklärte sie. Es gehe zum einen um die (täglichen) Verbrauchsmaterialien, die zum Teil aus nachhaltigeren Materialien hergestellt werden könnten. Zum anderen aber auch um die Emissionen, die direkt oder indirekt in der Praxis und im Arbeitsalltag entstehen und sich beispielsweise aus Lieferketten ergeben. So mache die Anfahrt der Patienten in die Praxis einen großen Teil des ökologischen Fußabdrucks aus. Borglin verwies hier auch auf die Lebenszyklusanalyse von Materialien zur Erkenntnis der Produktemissionen.
Die Arbeitsgruppe des FDI habe inzwischen drei grundlegende Punkte für die Nachhaltigkeitssensibilisierung formuliert: Erstens das Bewusstsein erlangen, auch hinsichtlich der Berufsverantwortung. Zweiten einen Leitfaden für mehr Nachhaltigkeit in der Praxis anwenden und drittens eine Literaturübersicht schaffen und somit Ergebnisse aus der Forschung erhalten.
Was beschäftigt angestellte Zahnärztinnen und Zahnärzte?
Die Ergebnisse der Umfrage zur Zufriedenheit angestellter Zahnärztinnen und Zahnärzte der AS Akademie für freiberufliche Selbstverwaltung stellte im Anschluss Julie Fotiadis-Wentker vor. Die Neuköllner Zahnärztin ist selbst seit 2000 niedergelassen und 2. Vorsitzende des Verbandes der Zahnärztinnen und Zahnärzte von Berlin.
An der Studie nahmen über 1.100 Zahnärzte und Zahnärztinnen teil, die größtenteils in Einzel- oder Mehrbehandlerpraxen angestellt sind. Ihre Erfahrungen reichen von positiven Erfahrungen, wie „kollegialer Austausch mit mehreren Zahnärzten und flexible Arbeitszeiten wegen länger Öffnungszeiten.“ und „Freiheit in Planung und Umsetzung der Therapie“ bis zu negativen, wie „viel Bürokratie und Abrechnung, wenig Transparenz bezüglich meiner Zahlen““ oder „Gehaltsverhandlungen nervig. Erfüllung von vertraglichen Leistungen werden nicht eingehalten“. Es gebe Handlungsbedarf, resümierte Fotiadis-Wentker.
Die Studie zeigte auch, wie sich die Relationen verschoben haben: Standen 2011 rund 54.000 niedergelassenen Zahnärzten noch 11.000 angestellte gegenüber, sind 2020 dann 49.000 versus 20.000. Dazu komme die immer größer werdende Gruppe von älteren Zahnärzten, die nach der Selbstständigkeit ins Angestelltenverhältnis wechselt.
70 Prozent fühlen sich nicht gut auf die Praxisgründung vorbereitet
Fotiadis-Wentker: „Einige tun dies, nachdem sie ihre Praxis verkauft haben, weil ihnen der Beruf große Freude bereitet. Aber leider gibt es aber auch immer mehr Kolleginnen und Kollegen, die weiter arbeiten müssen, weil sie ihre Praxis nicht verkaufen konnten.”
Auf eine eigene Praxisgründung fühlen sich der Umfrage zufolge über 70 Prozent nicht gut vorbereitet. „Die Defizite liegen im Bereich der Abrechnung GOZ, Hygiene und Praxisführung, zeigt unsere Umfrage“, erklärte Fotiadis-Wentker. Das Ergebnis wird den Referenten für Beruflichen Nachwuchs, Familie und Praxismanagement auf einer Koordinierungskonferenz im Dezember vorgestellt.
Der Zukunftskongress wurde veranstaltet von der Bundeszahnärztekammer, dem Verband der ZahnÄrztinnen - Dentista und dem Bundesverband der zahnmedizinischen Alumni. Moderiert wurde die Veranstaltung von Lea Laubenthal,zahnärztliches Mitglied des Vorstandes und zweite Vizepräsidentin der Ärztekammer des Saarlandes.