"Die Genderperspektive muss mit rein!"
„Wir fordern mehr Maßnahmen, um die Frauen betreffenden Defizite auszugleichen“, erklärte Dr. Christiane Groß, Präsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes e.V. (DÄB). Der DÄB hatte den Online-Kongress vom 29. und 30. Mai federführend organisiert.
Gerade bei der Digitalisierung drohen Versäumnisse
„Insbesondere bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens und bei den Digitalen Gesundheitsanwendungen muss schnell etwas geschehen, damit Versäumnisse in diesem Bereich nicht negativ auf die Behandlung von Patientinnen und Patienten durchschlagen“, forderte Groß weiter. Da sich die Digitalisierung zum Teil auch selbstlernend weiterentwickelt und im Gesundheitswesen immer mehr Menschen betreffe, sei die fehlende Genderperspektive besonders schwerwiegend.
Die Pandemie habe zwar den Digitalisierungsprozess beschleunigt, allerdings seien schon einige Maßnahmen beschlossen und Algorithmen entworfen worden, ohne Frauen adäquat einzubeziehen, hieß es in den Diskussionen auf dem Kongress weiter.
Corona zeigt: geschlechterspezifische Faktoren sind relevant
Prof. Sylvia Thun, Direktorin des Berlin Institut of Health (BIH) von der Berliner Charité nannte in ihrem Vortrag das Beispiel der COVID-19-Impfstoffe: Hier habe Corona über die seltenen Impfstoff-Nebenwirkungen deutlich gemacht, dass geschlechterspezifische Faktoren relevant sein können. Davon abgesehen gebe es Bereiche im Gesundheitswesen, in denen solche Aspekte eine noch viel größere Rolle spielten als bei Impfstoffen.
2020 habe zum Beispiel eine Studie erstmals belegt, dass der Gender-BIAS bei Anwendungen Künstlicher Intelligenz in der Gesundheitsversorgung nicht nur hypothetisch ein Problem sei, sondern sich tatsächlich feststellen lasse.
Eine ausreichende weibliche Perspektive senkt das Risiko
Die Ärztinnen plädierten dafür, mehr Frauen in die Entwicklung einzubeziehen und mehr Frauen in Positionen zu bringen, die in Digitalisierungsfragen entscheiden. Groß: „Eine ausreichende weibliche Perspektive senkt das Risiko, wichtige Genderaspekte zu übersehen."
Selbstverständlich, so Groß weiter, müssten geschlechterrelevante Daten deutlich mehr als bisher in der Entwicklung einbezogen werden – und es müsse Transparenz darüber herrschen, inwiefern diese Daten auch berücksichtigt sind: „Nur so lassen sich zum Beispiel bei der Zulassung und auch bei der Anwendung von Digitalen Gesundheitsanwendungen sinnvolle Entscheidungen treffen."
Studie zur Geschlechterunterschieden bei Künstlicher Intelligenz
Studie zur Geschlechterunterschieden bei Künstlicher Intelligenz
David Cirillio et al., „Sex and gender differences and biases in artificial intelligence for biomedicine and healthcare“, https://www.nature.com/articles/s41746-020-0288-5, doi.org/10.1038/s41746-020-0288-5)