STIKO-Chef Thomas Mertens

„Die Impfung ist kein Lakritzbonbon!”

pr
Gesellschaft
Anfang nächster Woche wird sich die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut (RKI) wohl zur Corona-Impfung von Kinder und Jugendliche äußern. Erwartet wird eine eingeschränkte Empfehlung für Kinder mit Vorerkrankungen.

Vorgestern verwies der STIKO-Vorsitzende Thomas Mertens darauf, dass sich das Gremium nach dem Studium aller verfügbaren Daten zu den Kinderimpfungen äußern werde. Es gehe nicht darum, Meinungen zu diskutieren, sondern nur darum, alle Daten zu prüfen und daraus Schlüsse für Empfehlungen zu ziehen.

Mertens:Die Impfung ist ein medizinischer Eingriff

„Was haben die Kinder für einen Vorteil von einer Empfehlung? Diese Frage muss, so gut das eben möglich ist, gelöst werden", erklärte Mertens in einem NDR-Podcast. „Den Kindern bietet man ja kein Lakritzbonbon an, sondern es ist ein medizinischer Eingriff und der muss entsprechend indiziert sein,“ sagte er an die Politik gerichtet.

Mertens erklärte, m an werde sicherlich eine Empfehlung aussprechen, Kinder mit definierten Vorerkrankungen auch gegen Sars-CoV-2 zu impfen. Es gebe jedoch keine Hinweise darauf, dass in dieser Altersgruppe das Risiko, an Covid-19 zu erkranken, über das einer Influenza-Erkrankung hinausgehe.

Mertens betonte ferner, dass auch noch Daten über mögliche Spätfolgen einer Covid-19-Impfung bei Kindern und Jugendlichen fehlten - oder darüber, ob beispielsweise eine Impfung eine Autoimmunreaktion anstoßen könnte. Für die Einschätzung des Risikoprofils bei Kinderimpfungen gegen Covid-19 gebe es nach wie vor zu wenige ausgewertete Daten, obwohl in den USA bereits mehr als zwei Millionen Kinder über zwölf Jahre geimpft wurden. Die Daten der Zulassungsstudie von BioNTech/Pfizer mit rund 2.000 Kindern und Jugendlichen sei sehr klein.

BÄK: Kinder-Impfung sollte individuelle Entscheidung sein

Der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Dr. Klaus Reinhardt, sprach sich unterdessen dafür aus, dass die Impfung von Kindern ab zwölf Jahren vorerst eine individuelle Entscheidung bleiben sollte. Er sehe aktuell keinen Grund, Kinder flächendeckend zu impfen, erklärte er im Inforadio des rbb. Aufgrund der überwiegend leichten Krankheitsverläufe bei Kindern und Jugendlichen müsse man den Nutzen einer Impfung gegen das Risiko bisher unbekannter Nebenwirkungen abwiegen.

Bund und Länder hatten beschlossen, dass Kinder ab zwölf Jahren ab dem 7. Juni bis spätestens zum Ende des Sommers ein Impfangebot mit BioNTech erhalten sollen. Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) hat inzwischen den Impfstoff für diese Gruppe in Europa zugelassen.

Medizinische Fachgesellschaften stützen die Bedeutung der STIKO:„Wissenschaftlich, unabhängig und frei“

In der Diskussion um die Corona-Impfungen für Jugendliche haben haben die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften ( https://www.awmf.org/awmf-online-das-portal-der-wissenschaftlichen-medizin/awmf-aktuell.html _blank ) und 28 Fachgesellschaften die Bedeutung der STIKO für wissenschaftlich fundierte und der Evidenz verpflichtete Impfempfehlungen hervorgehoben und ihr ausdrückliches Vertrauen ausgesprochen.

Die STIKO habe nach dem Infektionsschutzgesetz die Aufgabe, Empfehlungen zu Schutzimpfungen herauszugeben, betonten sie in einer Stellungnahme. Die Empfehlungen seien eine wichtige Vorbereitung von politischen Entscheidungsfindungen bei der Pandemiebekämpfung in Deutschland. Danach erfolge ein strukturierter Prozess der Risikobewertung auf den derzeit besten verfügbaren Erkenntnissen - und hieraus abgeleitet - die Verabschiedung konkreter wissenschaftlicher Empfehlungen auf einer gesetzlich verankerten Basis.

„Wir unterstützen nachdrücklich die Arbeit der STIKO und ihren Auftrag, auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse unabhängig und frei von Beeinflussung Risikoabschätzungen und Empfehlungen zu erarbeiten“, heißt es in der Stellungnahme. „Die STIKO Mitglieder bringen eine vielfältige klinische und wissenschaftliche Expertise mit und müssen weiter unabhängig und objektiv agieren können.“

Der aktuelle Anlass der Vorbereitung einer Impfstrategie für Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahre zeige exemplarisch, dass ein solches, der Wissenschaft und Evidenz verpflichtetes Expertengremium dringend notwendig sei.

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