Eckpunktepapier zu Lieferengpässen bei Arzneimitteln

Die Kassen müssen mehr bezahlen

pr
Um Lieferengpässe bei Arzneimitteln künftig zu vermeiden, will das Bundesgesundheitsministerium den Herstellern höhere Gewinnspannen einräumen und die Produktion in Europa fördern.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will die Lieferengpässe im Arzneimittelbereich bei Generika jetzt gezielt angehen. Das geht aus einem Eckpunktepapier für ein Lieferengpassgesetz hervor, das er gestern vorgelegt hat. Versorgungsengpässe sollen entschieden bekämpft und Maßnahmen ergriffen werden, um Lieferketten und Versorgungssicherheit zu stärken, heißt es in dem Papier. Hierfür seien strukturelle Maßnahmen im Generika-Bereich erforderlich, insbesondere Maßnahmen zur Diversifizierung der Lieferketten, zur Einführung von Standortkriterien bei der Versorgung und zur frühzeitigen Erkennung und Vermeidung von Versorgungsengpässen. Ein Schwerpunkt der Maßnahmen soll die Verbesserung der Versorgung mit Kinderarzneimitteln sein.

Die öffentlichen Debatten rund um schwere Versorgungsprobleme in der Pädiatrie und wachsenden Engpässe bei Arzneimitteln (vor allem in der Krebstherapie) hatten sich zuletzt zugespitzt. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat derzeit für mehr als 300 Arzneimittel Lieferprobleme ausgewiesen. Globalisierung und Kostendruck hatten sich vor allem bei Generika bemerkbar gemacht, da sich deren Herstellung auf Drittstaaten außerhalb Europas, vor allem Indien und China, konzentriert. Hinzu kommt die prekäre Versorgungslage in den Kinderkliniken und Engpässe vor allem bei Paracetamol- und Ibuprofen-haltigen Fiebersäften für Kinder.

Lauterbach will Regeln für patentfreien Arzneimittelmarkt ändern

„Wir haben es mit der Ökonomisierung auch in der Arzneimittelversorgung mit patentfreien Medikamenten übertrieben”, erklärte Lauterbach gestern in Berlin dazu. „Besonders bei Kinderarzneimitteln spüren wir die Konsequenzen gerade besonders hart. Dass man in Deutschland nur schwer einen Fiebersaft für sein Kind bekommt, der im Ausland noch erhältlich ist, ist inakzeptabel.” Lauterbach will deswegen die Preisgestaltung von Kinderarzneien radikal ändern. Wenn auf teurere Medikamente ausgewichen werden müsse, sollten die Krankenkassen deutlich mehr Kosten übernehmen, erklärte er. So solle ein größeres Angebot zur Verfügung stehen. Für den patentfreien Arzneimittelmarkt sollten die Rahmenbedingungen geändert werden. Dazu sollten Rabatt- sowie Festbetragsregeln gelockert und zuverlässigere europäische Hersteller bei Vertragsabschluss bevorzugt werden. Rabattierte Arzneimittel müssten den Plänen zufolge künftig ausreichend bevorratet werden.

Bei Lieferengpässen sollten Apothekern dabei unterstützt werden, ihren Kunden Alternativen anzubieten, wenn Medikamente nicht auf Lager sind, erklärte Lauterbach zu den Eckpunkten weiter. Ist ein Medikament nicht vorrätig, dürften sie künftig ein wirkstoffgleiches Arzneimittel abgeben oder aus Tabletten Säfte machen. Müssen sie dafür mit dem Arzt Rücksprache halten, werde dies zusätzlich honoriert.

Die Reaktionen auf Lauterbachs Pläne fallen gemischt aus. Für die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) geht die Gesetzesinitiative in die richtige Richtung. Es sei ein richtiger Ansatz, unter anderem die Preisregeln für Kinderarzneimittel zu lockern und Festbeträge sowie Rabattverträge abzuschaffen. Die geplante Anhebung des Preisniveaus dürfe aber nicht zu einem verschärften Regressrisiko für die niedergelassenen Kollegen führen.

Gemischtes Echo: Lob von der KBV – Kritik von den Apothekern

Für den GKV-Spitzenverband gehen die Gesetzespläne nicht weit genug. Es sei zwar gut, dass diese Punkte nun vom Bundesgesundheitsministerium angegangen würden, erklärte die Vorstandsvorsitzende Dr. Doris Pfeiffer. Die Krankenkassen drängten seit langem darauf, in Ausschreibungen weitere Kriterien, wie zum Beispiel Verfügbarkeit und Diversität der Produktionsstandorte und Lieferwege mit aufnehmen zu dürfen. Sie forderte: „Statt kurzfristiger Weihnachtsgeschenke für die Pharmaindustrie brauchen wir einen Medikamentengipfel, bei dem von der Politik über die Apothekerschaft bis zu der Pharmaindustrie und den Krankenkassen alle wichtigen Akteure an einem Tisch sitzen.”

Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, begrüßte zwar grundsätzlich, dass sich die Politik nun endlich der katastrophalen Zustände bei den Lieferengpässen mit lebenswichtigen Arzneimitteln annimmt. „Über die Apotheken, die seit Monaten mit großem Engagement und Aufwand die Lieferengpässe managen und somit die Menschen zuverlässig versorgen, gießt das Ministerium aber nun offenbar Hohn und Spott aus”, kritisierte sie scharf. „Jede Apotheke soll laut Ministerium genau 50 Cent für jedes erfolgreich gefundene Austauscharzneimittel bekommen – aber nur, wenn es vorher als versorgungskritisch eingestuft wurde und mit der Arztpraxis Rücksprache gehalten wurde. Das ist wirklich eine Frechheit!” Damit werde die Bürokratie noch erhöht und der teils stundenlange Arbeitsaufwand nicht einmal ansatzweise bezuschusst, monierte sie.

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