Die Reaktionen auf Spahns Referentenentwurf
Montgomery: "Mehr Ärzte sind Voraussetzung für schnellere Termine und mehr Sprechstunden"
"Wir sehen durchaus diskussionswürdige Ansätze im TSVG", erklärte Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer, am Mittwochmorgen. Grundlegende Voraussetzungen für nachhaltige Verbesserungen aber blieben seiner Meinung nach aus - wie eine ausreichend hohe Anzahl von Ärzten, um eine gute medizinische Versorgung sicherstellen zu können.
Montgomery: "Wie soll die medizinische Versorgung verbessert werden können, wenn die Zahl der Arztstunden im Verhältnis zum Behandlungsbedarf stetig sinkt? Wenn immer mehr Ärzte nicht bereit sind, kostenlose Überstunden zu leisten? Wenn wegen Familienbetreuung immer mehr Ärztinnen und Ärzte in Teilzeit gehen? Die Umsetzung des Masterplans Medizinstudium 2020 jedenfalls lässt nach wie vor auf sich warten. Mehr Ärzte aber sind Voraussetzung, wenn die Maßnahmen des TSVG greifen und nachhaltig wirken sollen."
vdek: "Offene Sprechstunden dürfen nicht höher vergütet werden als Terminsprechstunden"
Dass gesetzlich Krankenversicherte künftig schneller Termine bei ihrem niedergelassenen Haus- oder Facharzt bekommen und die Sprechzeiten ausgebaut werden sollen, begrüßen die Ersatzkassen ausdrücklich.
"Den Ansatz, die Arztpraxen finanziell zu fördern, die tatsächlich neue Patienten aufnehmen, unterstützen wir", sagte Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen (vdek) noch am Dienstagabend. Andere finanzielle Maßnahmen müssten jedoch kritisch auf ihre Auswirkungen hin geprüft werden: "Wenn offene Sprechstunden zukünftig höher vergütet würden als Terminsprechstunden, kann dies zu Fehlanreizen führen, mit der Folge, dass die Versicherten gegebenenfalls stundenlang in der Arztpraxis warten müssen."
Hartmannbund sieht richtige Ansätze - und die Tücke im Detail
Nach Einschätzung des Vorsitzenden des Hartmannbundes, Dr. Klaus Reinhardt, ist Spahn "grundsätzlich auf dem richtigen Weg". "Der Minister attestiert der Ärzteschaft, dass ihr für zusätzliche Leistungen auch mehr Geld zusteht. Dies ist zunächst einmal eine wichtige und bemerkenswerte Botschaft, da lässt sich ansetzen", sagte Reinhardt. Aber die Tücke liege im Detail. "Wir müssen genau hinschauen, ob all das, was man im Ministerium für sinnvoll hält, auch einem Machbarkeitstest im ärztlichen Alltag standhält", betonte Reinhardt.
So werde zum Beispiel der akute Mangel an qualifiziertem Personal den 24-Stunden-Betrieb einer kombinierten Terminservice-/ Notfalldienststelle auf absehbare Zeit schwierig machen. Auch die Tauglichkeit des Instruments punktueller extrabudgetärer Zuschläge zur Sicherstellung in unterversorgten Gebieten oder etwa zur Generierung zusätzlicher Kapazitäten zur Patientenversorgung müsse man angesichts der herrschenden Rahmenbedingungen einer kritischen Prüfung unterziehen – zum Beispiel auch mit Blick auf die Effizienz sogenannter freier Sprechstunden.
Deutscher Hausärzteverband: "Vorgaben von oben helfen den Kollegen vor Ort sicher nicht!"
"Natürlich ist es heute schon so, dass Hausärzte Patienten, die Hilfe brauchen, auch ohne Termin behandeln. Wenn diese Leistungen zukünftig endlich vernünftig bezahlt werden sollen, dann wäre das ein Schritt in die richtige Richtung!", stellte der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, bereits vergangene Woche klar. Der Deutsche Hausärzteverband bezog, wie die KBV, ebenfalls vor Veröffentlichung des Referentenentwurfs Stellung zu Spahns Plänen der "offenen Sprechstunden".
Weigeldt erklärte: "Was wir klar ablehnen würden, wären verpflichtende Regelungen, die den Ärztinnen und Ärzten vorschreiben, wie sie konkret ihren Praxisalltag zu organisieren haben. Vorgaben von oben helfen den Kolleginnen und Kollegen vor Ort sicher nicht! Zudem wären solche zusätzlichen Regulierungen mit dem freien Arztberuf nicht vereinbar. Daher muss die Entscheidung, in welcher Form offene Sprechstunden angeboten werden, der Ärztin oder dem Arzt überlassen werden."
Zur Wahrheit gehöre auch, dass die Zeit des einzelnen Hausarztes sich nicht dadurch vermehren würde, dass er offene Sprechstunden anbietet. "Damit wird sich das Problem des steigenden Bedarfs nicht lösen lassen. Dafür braucht es schlichtweg mehr Hausärztinnen und Hausärzte. Das wird ohne eine massive Förderung der hausärztlichen Versorgung nicht gelingen", betonte Weigeldt.