Terminservice- und Versorgungsgesetz

Die Reaktionen auf Spahns Referentenentwurf

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Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat am Montag den Entwurf eines "Gesetzes für schnellere Termine und bessere Versorgung" vorgelegt - die Reaktionen sind divers. 100 Prozent zufrieden ist niemand.

"Wir sorgen dafür, dass gesetzlich Versicherte künftig schneller einen Arzttermin bekommen. Ärzte, die uns dabei helfen, die Versorgung zu verbessern, sollen höher und außerhalb des Budgets vergütet werden." - Mit diesem Versprechen hatte Gesundheitsminister Jens Spahn sein "Terminservice- und Versorgungsgesetz" (TSGV) der Öffentlichkeit vorgestellt.

Ziel sei, "allen gesetzlich Versicherten einen gleichwertigen Zugang zur ambulanten ärztlichen Versorgung zu ermöglichen, indem Wartezeiten auf Haus-, Kinder- und

termine verkürzt, das Sprechstundenangebot erweitert und die Vergütung vertragsärztlicher Leistungen verbessert werden", heißt es im Entwurf. Außerdem soll die Versorgung in ländlichen und strukturschwachen Regionen verbessert werden, indem "die Grundlagen der Bedarfsplanung weiterentwickelt und die Förder- und Sicherstellungsinstrumente der Kassenärztlichen Vereinigungen erweitert werden".

Zuletzt sollen "Leistungsansprüche der Versicherten in einzelnen Bereichen der ärztlichen und zahnärztlichen Versorgung erweitert werden" und die Möglichkeiten der Digitalisierung im Gesundheitswesen für die Patienten im Versorgungsalltag "stärker praktisch nutzbar" gemacht werden, insbesondere durch die elektronische Patientenakte. Zusammenfassend kann man wohl sagen: Spahn hat sich hohe Ziele gesetzt - aber nicht alle an der Umsetzung Beteiligten stehen voll und ganz hinter ihm.

Die KBV hatte sich bereits vor der Veröffentlichung des Referentenentwurfs gegen Spahns Pläne ausgesprochen, dass Vertragsärzte künftig verpflichtend offene Sprechstunden anbieten sollen. Eine Verbesserung der Versorgung sei dadurch nicht zu erwarten, sagte KBV-Chef Dr. Andreas Gassen. "Im Gegenteil. Chaos und längere Wartezeiten in den Praxen werden die Folgen sein."

Montgomery: "Mehr Ärzte sind Voraussetzung für schnellere Termine und mehr Sprechstunden"


"Wir sehen durchaus diskussionswürdige Ansätze im TSVG", erklärte Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer, am Mittwochmorgen. Grundlegende Voraussetzungen für nachhaltige Verbesserungen aber blieben seiner Meinung nach aus - wie eine ausreichend hohe Anzahl von Ärzten, um eine gute medizinische Versorgung sicherstellen zu können.
Montgomery: "Wie soll die medizinische Versorgung verbessert werden können, wenn die Zahl der Arztstunden im Verhältnis zum Behandlungsbedarf stetig sinkt? Wenn immer mehr Ärzte nicht bereit sind, kostenlose Überstunden zu leisten? Wenn wegen Familienbetreuung immer mehr Ärztinnen und Ärzte in Teilzeit gehen? Die Umsetzung des Masterplans Medizinstudium 2020 jedenfalls lässt nach wie vor auf sich warten. Mehr Ärzte aber sind Voraussetzung, wenn die Maßnahmen des TSVG greifen und nachhaltig wirken sollen."

vdek: "Offene Sprechstunden dürfen nicht höher vergütet werden als Terminsprechstunden"


Dass gesetzlich Krankenversicherte künftig schneller Termine bei ihrem niedergelassenen Haus- oder Facharzt bekommen und die Sprechzeiten ausgebaut werden sollen, begrüßen die Ersatzkassen ausdrücklich.
"Den Ansatz, die Arztpraxen finanziell zu fördern, die tatsächlich neue Patienten aufnehmen, unterstützen wir", sagte Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen (vdek) noch am Dienstagabend. Andere finanzielle Maßnahmen müssten jedoch kritisch auf ihre Auswirkungen hin geprüft werden: "Wenn offene Sprechstunden zukünftig höher vergütet würden als Terminsprechstunden, kann dies zu Fehlanreizen führen, mit der Folge, dass die Versicherten gegebenenfalls stundenlang in der Arztpraxis warten müssen."

Hartmannbund sieht richtige Ansätze - und die Tücke im Detail


Nach Einschätzung des Vorsitzenden des Hartmannbundes, Dr. Klaus Reinhardt, ist Spahn "grundsätzlich auf dem richtigen Weg". "Der Minister attestiert der Ärzteschaft, dass ihr für zusätzliche Leistungen auch mehr Geld zusteht. Dies ist zunächst einmal eine wichtige und bemerkenswerte Botschaft, da lässt sich ansetzen", sagte Reinhardt. Aber die Tücke liege im Detail. "Wir müssen genau hinschauen, ob all das, was man im Ministerium für sinnvoll hält, auch einem Machbarkeitstest im ärztlichen Alltag standhält", betonte Reinhardt.
So werde zum Beispiel der akute Mangel an qualifiziertem Personal den 24-Stunden-Betrieb einer kombinierten Terminservice-/ Notfalldienststelle auf absehbare Zeit schwierig machen. Auch die Tauglichkeit des Instruments punktueller extrabudgetärer Zuschläge zur Sicherstellung in unterversorgten Gebieten oder etwa zur Generierung zusätzlicher Kapazitäten zur Patientenversorgung müsse man angesichts der herrschenden Rahmenbedingungen einer kritischen Prüfung unterziehen – zum Beispiel auch mit Blick auf die Effizienz sogenannter freier Sprechstunden.

Deutscher Hausärzteverband: "Vorgaben von oben helfen den Kollegen vor Ort sicher nicht!"


"Natürlich ist es heute schon so, dass Hausärzte Patienten, die Hilfe brauchen, auch ohne Termin behandeln. Wenn diese Leistungen zukünftig endlich vernünftig bezahlt werden sollen, dann wäre das ein Schritt in die richtige Richtung!", stellte der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, bereits vergangene Woche klar. Der Deutsche Hausärzteverband bezog, wie die KBV, ebenfalls vor Veröffentlichung des Referentenentwurfs Stellung zu Spahns Plänen der "offenen Sprechstunden".
Weigeldt erklärte: "Was wir klar ablehnen würden, wären verpflichtende Regelungen, die den Ärztinnen und Ärzten vorschreiben, wie sie konkret ihren Praxisalltag zu organisieren haben. Vorgaben von oben helfen den Kolleginnen und Kollegen vor Ort sicher nicht! Zudem wären solche zusätzlichen Regulierungen mit dem freien Arztberuf nicht vereinbar. Daher muss die Entscheidung, in welcher Form offene Sprechstunden angeboten werden, der Ärztin oder dem Arzt überlassen werden."
Zur Wahrheit gehöre auch, dass die Zeit des einzelnen Hausarztes sich nicht dadurch vermehren würde, dass er offene Sprechstunden anbietet. "Damit wird sich das Problem des steigenden Bedarfs nicht lösen lassen. Dafür braucht es schlichtweg mehr Hausärztinnen und Hausärzte. Das wird ohne eine massive Förderung der hausärztlichen Versorgung nicht gelingen", betonte Weigeldt.

NAV-Virchow-Bund: "eine echte Chance für die Lösung von Problemen in der ambulanten medizinischen Versorgung"


"Mit diesem Gesetz erkennt die Bundesregierung an, dass die Budgetierung ärztlicher Leistungen eine wesentliche Ursache der Probleme ist", sagte der Bundesvorsitzende des Verbandes der niedergelassenen Ärzte Deutschlands (NAV-Virchow-Bund), Dr. Dirk Heinrich. Gleich an vier Stellen – bei neuen Patienten, wenn Patienten über die Terminservicestelle kommen, bei akuten Patienten und in der offenen Sprechstunde – werde die extrabudgetäre Vergütung der Grund- und Versichertenpauschalen als Anreiz gesetzt. Darüber hinaus werde für neue Patienten auch eine Erhöhung der extrabudgetären Vergütung eingeführt.



"Dieser Einstieg in die Entbudgetierung von ärztlichen Grundleistungen ist richtig", betonte Heinrich. "Dennoch wäre es konsequenter gewesen, alle Grundleistungen von Haus- und Fachärzten zu entbudgetieren. Dann hätte sich nämlich auch der schwerwiegende Eingriff in die ärztliche Selbstverwaltung, in die Vertragshoheit und in den ärztlichen Alltag durch die Erhöhung der Sprechzeiten von 20 auf 25 Stunden vermeiden lassen".
Entscheidend werde aber sein, wie konsequent und verpflichtend das Gesetz im Hinblick auf die Finanzierung formuliert ist. "Die Krankenkassen müssen dem politischen Willen folgen und dafür auch das erforderliche Geld zur Verfügung stellen. Denn zu oft haben sich die Kassen in der Vergangenheit aus ihrer Verpflichtung herausgemogelt, die Ärzte in den Verhandlungsrunden überstimmt und mit der Stimme des Schlichters mit Brosamen abgespeist. Das darf diesmal nicht passieren, wenn der Bundesgesundheitsminister Erfolg haben will", verdeutlichte Heinrich. Es sei "letztlich ein Irrwitz, dass die Kassen über die Budgetierung an einer Leistungsbegrenzung festhalten und auf der anderen Seite über zu wenig Leistung der Ärzte klagen", sagte Heinrich. "Daher wäre es nur logisch, die Budgetierung vollständig aufzuheben", forderte der Bundesvorsitzende

SpiFa reagiert "verhalten positiv"


Die Bundesregierung habe "endlich anerkennt, welchen wichtigen Beitrag die Fachärzte in Deutschland auch in der ambulanten Grundversorgung der Bevölkerung leisten", freut sich der Spitzenverband Fachärzte Deutschlands e.V. (SpiFa). Der Verband sieht sich in seiner Position bestätigt, dass auch den Fachärzten ein Stellenwert in der ambulanten Grundversorgung kranker Menschen in Deutschland gegeben wird.


"Wir appellieren nun an den GKV-Spitzenverband und die KBV gemeinsam, den vom Gesetzgeber angelegten Paradigmenwechsel für die in der Versorgung tätigen Fachärzte effektiv zur Geltung zu bringen", sagte Lars Lindemann, Hauptgeschäftsführer des SpiFa. "Wenn hier tatsächlich eine Totalblockade der Kassen droht, verkommen die guten Ansätze des TSVG zum Rohrkrepierer. Soweit darf es nicht kommen." Der SpiFa richtet an die KBV die Erwartung, in den Verhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband diesen Paradigmenwechsel hin zur Ausgestaltung und Beschreibung des fachärztlichen Versorgungsauftrages in der GKV jetzt konsequent durchzusetzen.

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