Bundesgesundheitsministerium legt Faktenpapier vor

„Die Vorwürfe der Ärzte sind nicht nachvollziehbar“

pr
Wird die ambulante ärztliche Versorgung kaputtgespart? Nein, meint das Bundesgesundheitsministerium (BMG) und reagiert mit einem Faktencheck auf die Protestkampagne der Ärzte. Diese sei mit Halbwahrheiten durchsetzt.

„Wird die ambulante ärztliche Versorgung „kaputtgespart“? Wie hat sich das Einkommen der Praxen wirklich entwickelt? Sind die Praxen „unterfinanziert“? Wieviel verdienen Praxisinhaber im Durchschnitt?" In einem fünfseitigen Faktenpapier präsentiert das BMG „ausgewählte Daten & Fakten ambulanten ärztlichen Versorgung".

„Der angekündigte konzertierte Kampagnenversuch der Ärzteverbände ist mit dermaßen vielen Halbwahrheiten durchsetzt, dass wir Ihnen für eine ausgewogene Berichterstattung gerne ein Faktenpapier zur ambulanten Versorgung zur Verfügung stellen“, schreibt Pressesprecher Hanno Kautz. Tenor: Die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung sei auch angesichts steigender Praxiskosten gewährleistet. Am 2. Oktober laden die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) zu einer bundesweiten Aktion gegen die Politik von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach ein. Praxen stünden vor dem Kollaps, warnen die Ärzte. Am 18. August findet dazu eine Krisensitzung in Berlin statt.

„Praxis in Not“ – zum Protesttag am 2. Oktober

Der Virchowbund hat mit neun weiteren Verbänden die Kampagne „Praxis in Not“ gestartet. Ziel sei, auf die sich verschärfenden wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen der Haus- und Facharztpraxen in Deutschland hinzuweisen, teilt der Verband mit. „Wir haben einen enorm gestiegenen Kostendruck durch Inflation, steigende Mieten und Energiepreise. Gleichzeitig stecken wir mitten im Fachkräftemangel,“ erläuterte der Bundesvorsitzende des Virchowbundes, Dr. Dirk Heinrich. „Trotz berechtigter Tarifsteigerungen bei unseren Medizinischen Fachangestellten können wir mit unseren Gehältern oft nicht mit Krankenhäusern und Krankenkassen konkurrieren.“ Mit der Streichung der Neupatientenregelung würden Einbußen von teilweise bis zu 10 Prozent für die Praxen sichtbar.

"Zusammen mit einer insuffizienten Digitalisierungsstrategie der Bundesregierung, die die Praxen mit den Digitalisierungsvorhaben weitestgehend alleine lässt", verzeichne der Virchowbund seit einiger Zeit bereits einen Anstieg an vorzeitigen Praxisabgaben, Verkauf an Praxisketten und Investoren sowie eine innere Emigration aus dem Arztberuf.

Mit der Kampagne werden den Praxen Hilfestellungen und Materialien an die Hand gegeben, um regionale und fachspezifische Protestveranstaltungen zu organisieren. Ein erster bundesweiter Protesttag soll am 2. Oktober stattfinden.

Die Vorwürfe der Ärzte seien auf Basis der Ausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für die ambulante ärztliche Versorgung sowie der Angaben des Statistischen Bundesamtes nicht nachvollziehbar, führt das Ministerium in seinem Papier an. Grundsätzlich sei die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung auch angesichts steigender Praxiskosten gewährleistet. Die für Praxen relevanten Kostenentwicklungen (zum Beispiel die Inflation) seien Gegenstand der jährlichen Honorarverhandlungen zwischen den Vertretern der Ärzteschaft und der Krankenkassen zur Anpassung des Orientierungswertes (Preiskomponente). Eine Obergrenze bestehe dabei nicht. Daneben werde auch der notwendige Anstieg der abrechnungsfähigen Behandlungsleistungen vereinbart.

„Der Kampagnenversuch der Ärzteverbände ist mit dermaßen vielen Halbwahrheiten durchsetzt"

Die GKV-Ausgaben für den Bereich der ambulanten ärztlichen Versorgung seien in den letzten Jahren enorm gestiegen. Während die Krankenkassen im Jahr 2013 hierfür noch insgesamt rund 32 Milliarden Euro ausgegeben hätten, seien es 2022 rund 46,1 Milliarden Euro gewesen. Das sei ein Anstieg von mehr als 44 Prozent und damit zum Beispiel ein höherer Anstieg als im Bereich Krankenhaus (weniger als 36 Prozent), heißt es in dem Papier weiter.

Mit Verweis auf das Statistische Bundesamt führt das BMG aus, dass 2019 der jährliche durchschnittliche Reinertrag einer Arztpraxis 296.000 Euro (Kostenstrukturerhebung) betragen habe. Im Jahr 2015 habe der Reinertrag bei 258.000 Euro gelegen. Der Reinertrag sei aber nicht mit dem Gewinn beziehungsweise dem Einkommen der Ärzte gleichzusetzen. Im Jahr 2021 seien auf die Arztpraxen Ausgaben (von GKV und PKV) in Höhe von fast 63 Milliarden Euro entfallen. Pro Arztpraxis entspreche dies durchschnittlichen Ausgaben in Höhe von rund 626.000 Euro (Gesundheitsausgabenrechnung).

Das Ministerium führt weiter an, dass im Vergleich zum Jahr 2019 die Ausgaben (GKV und PKV) damit um fast fünf Milliarden Euro beziehungsweise pro Arztpraxis um rund 60.000 Euro gestiegen seien. Zu dem Anstieg hätten Corona-Testungen und -Impfungen maßgeblich beigetragen. Das Statistische Bundesamt schätzt demzufolge für 2022 einen weiteren Anstieg der Gesundheitsausgaben um 5,1 Prozent.

Auch auf die Digitalisierung in den Arztpraxen geht das BMG ein. Es führt an, dass Ärzte seit Juli 2023 eine monatliche Pauschale erhalten, um die Installation und den Betrieb der TI zu finanzieren. Diese Pauschale decke im Regelfall alle Kosten für die Komponenten und Dienste der TI ab, heißt es. Die TI-Pauschale sei überdies transparent und biete jedem Arzt die Flexibilität, das Angebot am Markt zu wählen, das für seine Bedürfnisse am passendsten sei. Für die restliche EDV (insbesondere Primärsysteme) seien die Praxisinhaber - wie in der Vergangenheit auch - selbst verantwortlich.

Weiterhin verweist das Papier auf positive Erfahrungen mit dem Kommunikationsdienst im Medizinwesen (KIM) und mit dem E-Rezept, dessen Nutzung zugenommen habe. Mit der Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) werde mit der Opt-out-Lösung eine noch nutzerfreundlichere Anwendung eingeführt. Für die Ärzte werde der Befüllungsvorgang radikal vereinfacht, indem dieser weitestgehend automatisiert umgesetzt werde und auf Daten des E-Rezepts zurückgegriffen werden.

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