Pressekonferenz der Bundesärztekammer

Digitalisierung als Stresstest für das Gesundheitswesen

pr
Die Corona-Krise hat in Sachen Digitalisierung zu einem Stresstest im Gesundheitswesen geführt. Die Bundesärztekammer (BÄK) zieht jetzt Zwischenbilanz. Sie fordert eine bessere digitale Ausstattung und den sicheren Ausbau von Videokonferenzen.

Digitale Angebote spielen bei der Pandemie-Bewältigung eine wichtige Rolle, wie die Corona-Krise bisher gezeigt hat: Immer mehr Arztpraxen bieten Online-Sprechstunden an, Ärzte tauschen in Videokonferenzen Wissen und Erfahrungen aus und die Corona-Warn-App soll helfen, die Ausbreitung von SARS-CoV-2 einzudämmen. Die BÄK zog heute auf einer Online-Pressekonferenz Zwischenbilanz – über die bisher genutzten Möglichkeiten der Digitalisierung, aber auch über weiteren Handlungsbedarf.

Ein Digitalisierungsschub zur Bekämpfung der Pandemie

„Wir wissen nicht, was im Herbst und Winter sein wird, aber einen Shutdown werden wir uns nicht mehr leisten können,“ leitete Ärztepräsident Dr. Klaus Reinhardt das Thema vor den Journalisten ein. „Wir brauchen jetzt den entscheidenden Digitalisierungsschub zur weiteren Bekämpfung der Pandemie“, sagte er. „In den letzten Monaten sind viele digitale Angebote entwickelt worden, aber es bleiben Schwachstellen. Wir zeigen in unserem Positionspapier Lösungen und Perspektiven für die digitale Transformation der Medizin auf. Diese kann aber nur gelingen, wenn auch die notwendige Infrastruktur aufgebaut und die entsprechenden Ressourcen freigegeben werden.“

In dem Papier hat die BÄK – ausgehend von den Erfahrungen, die die Ärzte in der Pandemie gemacht haben – Maßnahmen zusammengestellt, die die Versorgung in der Pandemie sicherstellen und auch langfristig verbessern können.

Benötigt werden bessere Identifikationsmechanismen

Dr. Peter Bobbert, BÄK-Vorstandsmitglied und Digitalisierungsexperte, sprach von einem „Stresstest“ für das Gesundheitswesen. Mängel fand er vor allem im strukturellen Bereich. Als Beispiel nannte er Defizite bei schnellem Informationstransfer, so etwa bei der Identifikation des Arztes im digitalen Raum. „Wir brauchen bessere Identifikationsmechanismen“, erklärte er. Dazu zählte für ihn aber auch ein datensicherer ärztlicher Messenger-Dienst („Ein Arzt muss erst einmal als solcher identifiziert werden“) und eine bessere Vernetzung zwischen dem ambulanten und stationären Bereich sowie dem öffentlichen Gesundheitsdienst.

Auch im medizinischen Bereich seien Defizite feststellbar, sagte Bobbert, zum Beispiel, wenn es darum gehe, auf die fehlende Mobilität von Patienten mit Einschränkungen (etwa in Heimen, bei Senioren, in der Pflege) einzugehen. Bobbert: „Wir brauchen digitale Medien, die das auffangen, und wir brauchen eine verstärkte Konnektivität.“ Bobbert sprach sich dafür aus, die Digitalisierung in diesen Bereichen auszuweiten und etwa in Testregionen zu erproben.

Erik Bodendieck, ebenfalls Digitalisierungsexperte im BÄK-Vorstand, verwies auf die digitalen Möglichkeiten, die infolge der Pandemie einen schnellen Entwicklungsschub auch für den medizinischen Bereich erhalten haben: Videokonferenzen und Videokonsile, die im ärztlichen Bereich zunächst verhalten eingesetzt worden seien, seien im Zuge der Corona-Krise schnell zur Notwendigkeit geworden.

Der schnelle Zugriff auf Wissensdatenbanken ist wichtig

Bewährt hätten sich solche Tools etwa bei der Behandlung von Suchtabhängigen oder bei der Ausstellung der AU-Bescheinigung. Potenziale sah Bodendieck etwa beim schnellen Wissenstransfer von Informationen. Gerade in einer sich täglich ändernden Erkenntnislage sei der schnelle Zugriff auf Wissensdatenbanken für Ärzte und Praxen wichtig.

Die BÄK hat in dem Positionspapier zwölf Forderungen aufgestellt, um – gerade auch im Hinblick auf eine zweite Pandemiewelle – das Angebot digitaler Unterstützung für das Gesundheitswesen zu verbessern.

Zwölf Forderungen

Zwölf Forderungen

Flächendeckender Ausbau und unkomplizierter, diskriminierungsfreier Zugang zu nach Möglichkeit BSI-zertifizierten Videokonferenzmöglichkeiten.

Besserer Zugang zu Wissensdatenbanken und aktuellen Forschungsergebnissen für Ärztinnen und Ärzte.

Ausbau von Telekonsilen (beispielweise zu Fragestellungen bei der Beatmung von an Covid-19 erkrankten Patienten) mit Experten, mit unmittelbar beteiligten Kollegen und auch anderen Berufen und Einrichtungen im Gesundheitswesen, insbesondere für die ärztliche Betreuung von Pflege-Einrichtungen und Altersheimen.

Ausbau von Monitoring-Möglichkeiten für ambulante Patienten.

Die Qualifizierung der Ärzteschaft, der Medizinischen Fachangestellten und der Angehörigen der Pflegeberufe im Umgang mit digitalen Anwendungen.

Etablierung eines einheitlichen Identity-Access-Managements für Ärzte in der Verantwortung der Ärztekammern.

Flächendeckende Einführung einer einheitlichen und sicheren Messenger-App/Anwendung für eine schnelle asynchrone, unproblematische Kommunikation im gesamten medizinischen Bereich.

Etablierung von (elektronischen) Signalisierungs-, Melde-und Informationswegen für die Koordinierung der Versorgung sowie für die Beschaffung beispielsweise von Schutzausrüstungen in vergleichbaren Situationen.

Dauerhafte Möglichkeit der Bescheinigung einer Arbeitsunfähigkeit über Telefon-und Videokontakt für Bestandspatienten von Haus-und Kinderärzten.

Erweiterung von Registern für medizinische Ressourcen (z. B. DIVI-Intensivbettenregister).

Medizinische und ethische Begleitforschung bei der Weiterentwicklung digitaler Anwendungen.

Zurverfügungstellung von digitalen Kommunikationsmöglichkeiten zwischen Patienten und ihren Angehörigen, insbesondere bei bestehenden Besuchseinschränkungen.

Maßnahmen der Digitalisierung, die der Ärzteschaft in der Corona-Krise geholfen haben …  ... und strukturelle Defizite:

Maßnahmen der Digitalisierung, die der Ärzteschaft in der Corona-Krise geholfen haben …

 ... und strukturelle Defizite:

Positionspapier der BÄK vom 1. Juli 2020

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