Nationaler Normenkontrollrat zieht Bilanz zum Bürokratieabbau

Digitalisierung verläuft immer noch zu schleppend

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Schwächen in Verwaltung und Gesetzesvollzug sowie eine unentschlossene, kleinteilige und zu langsame Digitalisierung: In seiner Bilanz stellt der Normenkontrollrat der Politik kein gutes Zeugnis aus.

In seinem Jahresbericht 2021 zieht der Nationale Normenkontrollrat (NKR) Bilanz zu den von ihm g eprüften Gesetzentwürfen der Bundesregierung und zum Bürokratieabbau und zur Digitalisierung der Verwaltung in den letzten 12 Monaten. Zugleich blickt das unabhängige Gremium am Ende seiner Mandatszeit zurück auf seine 15-jährige Unterstützung der Bundesregierung bei Bürokratieabbau.

Das Fazit: Zwar sei bisher viel bewegt worden und Deutschland habe auch die Pandemiezeit vergleichsweise gut gemeistert. Gleichzeitig hätten sich allerdings – wie bereits im Verlauf der Flüchtlingskrise – systemische Schwächen in der Verwaltung und im Gesetzesvollzug gezeigt, vor allem im Gefolge einer zu unentschlossenen, zu kleinteiligen und immer noch zu langsamen Digitalisierung, heißt es in dem Bericht.

Handlungsfähigkeit von Staat und Verwaltung erfordern nachhaltige Verbesserungen

Das Gremium nennt als Beispiele die Fax-Übermittlungen von Corona-Infektionszahlen sowie die erheblichen Probleme, Hilfszahlungen an kleine Unternehmen und Selbstständige zeitnah auszuzahlen. Dies hätte im Verlauf der Krise signalisiert, dass die Handlungsfähigkeit von Staat und Verwaltung nachhaltige Verbesserungen erfordere. Ähnliches gelte für die Art und Weise, wie Gesetze gemacht würden. Vielfach blieben Fachkenntnis und Praxiserfahrung in Vollzugsbehörden und bei Bürgern und Unternehmen ungenutzt, moniert der NKR in dem hundertseitigen Papier: „So entstehen gesetzliche Regelungen, die politischen und juristischen Ansprüchen genügen mögen, deren Praxistauglichkeit und Bürgerorientierung aber zu oft hinter dem zurückbleiben, was heute möglich wäre und folgerichtig erwartet wird. Es fehlt an Entschlossenheit, diesen Zielen einer besseren Rechtsetzung im politischen Alltagsgeschäft der Gesetzesvorbereitung wirksam Geltung zu verschaffen.“

Das sind die wichtigsten Kernbotschaften in dem Bericht:

  • Erfüllungsaufwand für Gesetze: Er ist im Berichtszeitraum 2020/21 um rund 5,1 Milliarden Euro gestiegen, im Wesentlichen durch zusätzliche Kosten der Verwaltung, insbesondere durch Personalausgaben. Sprunghafte Erhöhungen des Erfüllungsaufwands etwa durch die Gesetze zur Ganztagsbetreuung oder auch zu energieeffizienten Fahrzeugen haben seit 2011 dazu geführt, dass die Verwaltung die Wirtschaft erstmals als Hauptbetroffene abgelöst hat. Diesem Kosten-Trend muss mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden, fordert der NKR.

  • Digital-Check für Gesetze: Hindernisse bei nutzerfreundlichen und digitalen Verwaltungsangeboten sind komplizierte Gesetze und mehrdeutige Begrifflichkeiten. Rechtliche Digitalisierungshürden müssen gezielt abgebaut und ein Digital-Check für Gesetze eingeführt werden.

  • Verwaltung: Deutschland hat zwar einen starken öffentlichen Sektor – jedoch mit unzureichenderer Leistungs- und Innovationsfähigkeit. Staat und Verwaltung brauchen eine stärkere Ergebnisorientierung, fordert das Gremium.

  • Komplexe Verfahren beim Klimaschutz:Komplexe Planungs-, Genehmigungs- und Gerichtsverfahren benötigen vielfach bis zu zehn Jahre und mehr. Gleichzeitig können ambitionierte Klimaschutzziele nur mit zügigen Investitionen in klimafreundliche Infrastrukturen und Techniken erreicht werden Dafür müssen die bisherigen Verfahren signifikant beschleunigt werden.

  • Mehr Beteiligung und Expertenwissen: Viele, auch bedeutsame Gesetzesvorhaben wurden in dieser Legislaturperiode im Eilverfahren abgestimmt, ohne Betroffene und Vollzugsbehörden angemessen einzubeziehen. Der NKR fordert ein verbessertes Rechtsetzungsverfahren - mit mehr Transparenz, Praxis-Checks und praktikablen Beteiligungsfristen.

  • Nachhaltige Entlastung der Wirtschaft durch Bürokratieabbau: Die Verkürzung steuerlicher Aufbewahrungsfristen, die Anhebung von Buchführungs-Schwellenwerten und Vereinfachungen im Baurecht bieten laut NKR ein Milliarden-Entlastungspotenzial.

Wie aus dem Bericht hervorgeht, hat der NKR 2020/21 insgesamt 611 Gesetzes- und Verordnungsentwürfe geprüft. Die Anzahl der geprüften Regelungsvorhaben ist im Vergleich zum Vorjahr (433 Prüfungen) um rund 40 Prozent gestiegen. Von den 611 Vorhaben hatten 322 keine oder marginale Auswirkungen auf den Erfüllungsaufwand. 289 Vorhaben führten dagegen zu einer Veränderung des einmaligen und/oder des jährlichen Erfüllungsaufwands. Der jährliche Erfüllungsaufwand für alle Normadressaten hat sich dem Bericht zufolge seit dem Jahr 2011 um rund 10,7 Milliarden Euro erhöht. 2020/21 ist diese Belastung im Vergleich zum Vorjahr um zusätzliche 5,1 Milliarden Euro oder 90 Prozent gestiegen. Dieser Anstieg ist laut Bericht die bisher größte Veränderung des gesamten jährlichen Erfüllungsaufwands. Dies geht vor allem auf den erheblich gestiegenen jährlichen Aufwand der Verwaltung zurück.

Der Nationale Kontrollrat hat seinen Bericht kürzlich im Rahmen einer virtuellen Abschlussbilanz-Konferenz im Bundeskanzleramt vorgestellt.

Vorschläge für die nächste Bundesregierung

Vorschläge für die nächste Bundesregierung

Staats- und Verwaltungsmodernisierung zu einer Schwerpunktmission der nächsten Bundesregierung zu machen;

Gesetzgebung zu modernisieren und evidenzbasierter zu gestalten, Praktiker besser einzubinden, Digitaltauglichkeit zu erhöhen;

Leistungsfähigkeit der Verwaltung kontinuierlich zu verbessern und Verwaltungskultur nachhaltig zu verändern;

Verwaltung zu digitalisieren und Register zu modernisieren;

Strategische Vorausschau und Krisenmanagement zu verbessern, datengetrieben zu regieren und

Planungs-, Genehmigungs- und Gerichtsverfahren zu beschleunigen.

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