Ein Zahnarzt im NS-Widerstand

Kay Lutze
Gesellschaft
Mit der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht endete am 8. Mai 1945 der Zweite Weltkrieg. Helmut Himpel erlebte diesen Tag nicht. Als Mitglied der Widerstandsgruppe "Rote Kapelle" wurde der Zahnarzt zum Tode verurteilt und am 13. Mai 1943 in Berlin-Plötzensee hingerichtet.

Helmut Himpel (1907-1943) hatte in Freiburg und München Zahnmedizin studiert, 1933 die Approbation erhalten und führte eine erfolgreiche Praxis in Berlin-Charlottenburg. Zu seinen Patienten gehörten auch Prominente wie der Filmstar Heinz Rühmann. Während der Studienzeit in Freiburg hatte er seine spätere Verlobte Maria Terwiel (1910-1943) kennengelernt.

Verlobt mit einer Halbjüdin

Anders als er war sie von der rassischen Diskriminierung durch das NS-Regime betroffen. Da sie als sogenannte Halbjüdin keine Chance auf eine Referendarstelle hatte, brach sie ihr Jura-Studium ab und ging nach Berlin. Terwiel und Himpel erhielten über den Filmproduzenten Herbert Engelsing (1904-1962) Kontakt zur Widerstandsgruppe um Harro Schulze-Boysen (1909-1942) und Arvid Harnack (1901-1942). Durch sie lernten sie auch den Pressefotografen John Graudenz (1884-1942) kennen.

Diese Gruppe wurde mit anderen von den Nationalsozialisten unter dem Begriff „Rote Kapelle“ zusammengefasst, da Kontakte zur Sowjetunion bestanden. Aufgrund seines christlichen Glaubens wurde der überzeugte Protestant Himpel im Widerstand aktiv. Zur Widerstandstätigkeit von Himpel und seiner Freundin gehörte unter anderem auch die Verteilung von Flugblättern gegen das Regime. Die Predigt Kardinal von Galens 1941 gegen das Euthanasieprogramm der Nationalsozialisten brachten beide in Umlauf. Im Januar 1942 wurde die Flugschrift „Die Sorge um Deutschlands Zukunft geht durch das Volk“verbreitet, um die Bevölkerung wachzurütteln und um den Willen zum Aufstand zu wecken.

Flugschriften gegen den Krieg

„Das Volk weiß, dass es sich eines Tages vor der Geschichte, vor sich selbst und vor der Welt wird verantworten müssen... Mögen diejenigen weiter untätig bleiben, die zu träge sind, die Wahrheit zu suchen.... Jeder kriegsverlängernde Tag bringt nur neue, unsagbare Leiden und Opfer. Jeder weitere Kriegstag vergrößert nur die Zeche, die am Ende von allen bezahlt werden muss.“ (aus dem Flugblatt vom Januar 1942).

Am Ende der Flugschrift, riefen die Verfasser dazu auf, die Inhalte abzuschreiben und weiter zu verbreiten. Als besonders gute Multiplikatoren neben Geistlichen und Journalisten galten Mediziner, da sie Kontakt zu vielen Menschen hatten.

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Die Praxis wird zum Treffpunkt

Im Mai 1942 wandten sie sich mit einer Klebezettelaktion gegen die NS-Propagandaausstellung „Das Sowjetparadies“. Himpels Praxis in der Lietzenburger Straße war öfters Treffpunkt für die Widerständler. Auch andere Arztpraxen wurden als Orte für Zusammenkünfte gewählt, weil häufig wechselndes Publikum in einer Arztpraxis nicht als ungewöhnlich erschien und so kein Verdacht bei regimetreuen Nachbarn geweckte wurde.

Himpel und seine Verlobte halfen auch verfolgten jüdischen Mitbürgern. Sie besorgten Lebensmittelkarten und Personalpapiere. Helmut Himpel behandelte jüdische Patienten kostenlos, auch wenn sie weiter entfernt wohnten. Als Widerstandsakt lässt sich auch Himpels Einflussnahme auf Wehrtauglichkeitsprüfungen werten, um Wehrpflichten den Fronteinsatz zu ersparen. Himpel war einer der wenigen nicht-rassisch verfolgten Zahnärzte, der im Widerstand aktiv war.

"Gestern war ein glücklicher Tag!"

Helmut Himpel muss ein sehr mutiger und charakterstarker Mensch gewesen sein, wenn er nur zwei Tage vor seiner Hinrichtung in einem Brief an seine Eltern folgende Zeilen schreiben konnte: „Gestern war ein glücklicher Tag. Die ganze Zeit, aus undefinierbaren Gründen, war ich fabelhaft aufgelegt. Zudem waren gestern auch einige Herren Pastoren bei uns zu Besuch, und so gehen die Stunden schneller. Auch fühlt man sich durch guten Willen, der allein schon aus den Besuchern spricht, so gehoben, daß allein dadurch ein freundlicher Schein auf den Tag fällt“ (zitiert in: Köhn, Michael, Zahnärzte 1933-1945, Berufsverbot, Emigration, Verfolgung, Berlin 1994, S. 126).

Helmut und Maria wurden im September 1942 verhaftet und in die Gestapozentrale in der Prinz-Albrechtstraße gebracht. Im Januar 1943 wurden sie zum Tode verurteilt und am 13. Mai 1943 in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Seit 2012 erinnert an beide ein so genannter „Stolperstein“ in der Lietzenburger Straße 72, an ihrem ehemaligen Wohnhaus.

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