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Erbgutanalyse von Hirntumoren geht voran

sf/pm
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Als Teil des Internationalen Krebsgenom-Konsortiums untersuchen Wissenschaftler unter der Federführung des Deutschen Krebsforschungszentrums systematisch das Erbgut kindlicher Hirntumoren.

Bereits bei der ersten Datenauswertung entdeckten die Forscher Erbgutveränderungen bei Medulloblastomen und pilozytische Astrozytomen, die sowohl Angriffspunkte für neue Behandlungsstrategien aufzeigen, als auch Informationen darüber liefern, wie bereits verfügbare Medikamente gezielter eingesetzt werden können. Das Projekt wird von der Deutschen Krebshilfe und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt.Hirntumoren sind Hauptursache der Krebssterblichkeit im Kindesalter. Selbst wenn eine Heilung erreicht werden kann, leiden die Kinder unter der belastenden Behandlung, die das heranwachsende Gehirn beeinträchtigen kann. Die häufigsten Hirntumore bei Kindern sind das Medulloblastom und das pilozytische Astrozytom, meldet das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ).Erste Auswertung von 125 Erbgutanalysen von MedulloblastomenUm neue Zielstrukturen für schonendere Behandlungen zu entdecken, setzen Krebsforscher auf die systematische Analyse aller Erbgutveränderungen dieser Tumoren. Mit diesem Ziel trat 2010 der Forschungsverbund PedBrain-Tumor an, die erste deutsche Beteiligung am Internationalen Krebsgenom-Konsortium (ICGC).Der PedBrain-Tumor-Verbund, der von Prof. Peter Lichter aus dem DKFZ und Prof. Roland Eils (DKFZ und Universität Heidelberg) koordiniert wird, veröffentlichte nun gemeinsam mit zahlreichen Kooperationspartnern die Auswertung der ersten 125 Erbgut-Analysen von Medulloblastomen."Wir sehen bereits jetzt, dass das Erbgut der Medulloblastome von Patient zu Patient große Unterschiede aufweist", sagt Peter Lichter. "Aber es haben sich auch einige besonders häufige und charakteristische Erbgutveränderungen herauskristallisiert, die wegweisend für die Entwicklung neuer Diagnose- und Behandlungsmethoden sein können."Hirntumore mit vierfachem Chromosomensatz sind besonders aggressivEin hoher Prozentsatz - insbesondere unter den sehr bösartig verlaufenden - Medulloblastomen besitze demnach statt des normalen doppelten einen vierfachen Chromosomensatz. Medulloblastome werden je nach Aggressivität der Erkrankung in vier Gruppen eingeteilt. In den sehr schwierig zu behandelnden Tumoren der Gruppen 3 und 4 wies rund die Hälfte der untersuchten Tumoren diese Anomalie auf. "Es ist nicht erwiesen, dass die überzähligen Chromosomen den Krebs auslösen. Aber sie treten mit Sicherheit sehr früh im Verlauf der Krebsentstehung auf", erläutert Lichter.Zellen mit vierfachem Chromosomensatz wurden bereits bei mehreren Krebsarten gefunden. Diese Erbgutanomalie birgt jedoch zugleich die Chance, die Tumoren spezifisch anzugreifen: Im Deutschen Krebsforschungszentrum wird derzeit in Kooperation mit der Firma Bayer Healthcare ein Wirkstoff entwickelt, der ganz gezielt das Wachstum von Zellen bremst, die mehr als zwei Chromosomensätze haben.Etwa ein Drittel aller Einzelmutationen beim Medulloblastom betrifft Gene, die für die so genannten epigenetischen Modifikationen eine Rolle spielen. "Dieser Befund unterstreicht erneut, dass Medikamente, die diese Modifikationen beeinflussen, eine immer wichtigere Rolle in der Krebstherapie spielen werden", sagt der Kinderarzt und Molekularbiologe Prof. Dr. Stefan Pfister. Das DKFZ und das Universitätsklinikum Heidelberg erproben diese vielversprechenden Wirkstoffe bereits gegen bestimmte Tumoren bei Kindern.Anlage entsteht möglicherweise während der EmbryoentwicklungDie Anzahl aller Erbgutveränderungen steigt bei Medulloblastomen mit dem Erkrankungsalter. "Eine solche Korrelation wurde bislang zwar schon häufig vermutet, jedoch noch nie dokumentiert", erklärt Stefan Pfister. "Wir vermuten jedoch, dass die Anlage für ein Medulloblastom bereits während der Embryonalentwicklung entsteht."Erstmalig entdeckten die PedBrain-Tumor-Forscher beim Medulloblastom auch so genannte Fusionsgene. Sie entstehen, wenn durch einen genetischen Unfall krebsfördernde Gene aneinandergelagert werden und dadurch neue Proteine entstehen. Solche Fusionsgene verursachen einige Krebserkrankungen, etwa die chronisch myeloische Leukämie (CML). Bei dieser Erkrankung konnte ein sehr wirksames Medikament gegen das Fusionsgen BCR-ABL, das hochspezifisch für die Leukämiezellen ist, entwickelt werden."Neben der Vielzahl von individuell auftretenden Veränderungen konnten wir einige typische Gruppen von Mutationen definieren, die uns neue Strategien aufzeigen, wie wir das Medulloblastom bekämpfen können", resümiert Peter Lichter. "Bei der genetischen Komplexität und Heterogenität dieses Tumors spricht vieles dafür, in Zukunft bei jedem betroffenen Kind das Tumorerbgut zu analysieren, um die aussichtsreichste Therapie zu identifizieren."Literatur:David TW Jones, Natalie Jäger, ..., Roland Eils, Stefan M Pfister und Peter Lichter im Auftrag des ICGC PedBrain-Tumor-Projekts: Dissecting the genomic complexity underlying medulloblastoma. Nature 2012

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