Experten liefern drei Szenarien für den Corona-Herbst und -Winter 2022
Wie die Pandemielage im kommenden Herbst und Winter aussehen wird, lässt sich derzeit nicht voraussagen. Doch das Gesundheitswesen sollte darauf vorbereitet sein, fordert der Corona-Expertenrat der Bundesregierung. Er befürchtet erneut eine starke Belastung des Gesundheitswesens und hohe Personalausfälle in der kritischen Versorgung. Gefordert sei eine solide rechtliche Grundlage, um je nach Situation zeitnah mit Maßnahmen wie Maskenpflicht, Test- oder Hygienekonzepten zu reagieren. Die Expertinnen und Experten haben heute dazu ihre Stellungnahme vorgelegt – und skizzieren darin drei Szenarien:
Das günstigste Szenario: Hier gehen die Expertinnen und Experten von einer im Vergleich zu Omikron harmloseren Virusvariante aus. In diesem Fall wären keine stärker eingreifenden Schutzmechanismen für die Bevölkerung notwendig. Vulnerable sollten aber geschützt werden, durch weitere Viren wie etwa Grippe könnte es zu Einschränkungen im Gesundheitsbereich oder in der Arbeitswelt kommen.
Das Basisszenario: Hier gehen die Ratsmitglieder von einer gleichbleibenden Krankheitslast wie jetzt bei Omikron und von mehr Infektionen aus. Arbeitsausfälle wären möglich. Sinnvoll wären dann Maßnahmen wie Maskentragen, Abstand in Innenräumen und erneute Kontaktbeschränkungen.
Das ungünstigste Szenario: Hier würde eine neue, ansteckendere und krankmachende Virusvariante zum Tragen kommen. Betroffen davon wären auch vollständig Geimpfte, sinnvoll wäre eine Zusatzimpfung. Krankenhäuser und Intensivstationen wären sehr belastet, Kontaktbeschränkungen und weitere Impfungen könnten notwendig werden, die erst im Frühjahr wieder zurückgenommen werden könnten.
„Die Pandemie ist noch nicht vorbei”, betonte Prof. Heyo Kroemer, Vorsitzender des Corona-Expertenrats und Vorstandsvorsitzender der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Es gehe darum, möglichst frühzeitig zu handeln, zwischen Bund und Ländern koordiniert vorzugehen und regionale Versorgungskonzepte vorzubereiten, sagte er auf der heutigen Bundespressekonferenz.
Prof. Leif Erik Sander, Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Infektiologie und Pneumologie der Charité, erklärte bei der Vorstellung der drei Szenarien, dass Deutschland insgesamt eine gute Grundimmunisierung gegen COVID-19 vorweisen könne. Die Impfung funktioniere sehr gut.
Prof. Christian Karagiannidis, ARDS und ECMO Zentrum Köln-Merheim, Universität Witten/Herden, sprach sich dafür aus, dass nachhaltige Strukturen geschaffen werden, um das Gesundheitswesen krisenfest und resilient aufzubauen. „Wir sind auf dem richtigen Weg”, sagte er. Nachholbedarf sah er allerdings bei der Datenlage, hier müsse nachjustiert werden. So sollte das DIVI-Intensivregister verstetigt werden, ferner sei notwendig, Daten digital und „in Echtzeit” abzubilden, zum Beispiel die Zahl der Krankenhausbetten, die Belegung, die Zahl der Pflegekräfte oder die regionale Auslastung. Auch sei es wichtig, das Klima der extremen Polarisierung zur Coronapandemie in der Gesellschaft wieder herunterzufahren.
Prof. Cornelia Betsch, Gesundheitskommunikation an der Universität Erfurt, plädierte für eine striktere Trennung zwischen politischer und gesundheitlicher Kommunikation. „Wir brauchen einfache und gut erklärte Regeln, und zwar bundesweit einheitlich”, sagte Betsch.
Der 11. Stellungnahme (hier im Wortlaut) haben alle 19 Mitglieder des Expertenrats zugestimmt.